In der Rheinpfalz erschien zur Jahreswende 2021/2022 eine ganze Serie von Beiträgen, in denen die Bedeutung des US-Militärs in Kaiserslautern und der US-Garnison Rheinland-Pfalz bzw. der Kaiserslautern Military Community (KMC) als segensreich für die Region dargestellt wurde.

Ein Kommentar zu Zahlenspielereien und Taschenspielertricks in der Redaktion der Rheinpfalz von Karl-Heinz Peil (6.1.2022)

Fiktive und reale Kaufkraftzahlen

Bei näherem Blick erweisen sich die angestellten monetären Betrachtungen aber als Taschenspielertricks, mit denen von den eigentlich relevanten Kennzahlen und den nirgendwo aufgeführten externen Kosten der US-Militärpräsenz abgelenkt wird.

In dem Rheinpfalz-Artikel „Die Wirtschaftskraft in Zahlen“ vom 30.12.2021 werden detaillierte Kaufkraftschätzungen für das US-Militär angestellt. Eine erste Merkwürdigkeit ist dabei, dass mehrfach von Millionen Dollar-Beträgen die Rede ist, wie z.B. 195.763.572 Millionen Dollar, die angeblich von deutschen Angestellten auf der Air Base in die lokale Wirtschaft einfließen. Es hätte eigentlich jemanden in der Redaktion auffallen müssen, dass hier Dollar-Beträge und nicht „Millionen“ gemeint sind. Natürlich fließen auch keine Dollars, sondern Euros (mit Umrechnungsfaktor) in die lokale Wirtschaft, aber Dollars hatten in der Vergangenheit noch den Klang von Glücksbringern, was aber derzeit weltweit stark verblasst. Aber wenn es um Werbebeiträge bzw. PR für das US-Militär gehen soll, muss man ja mit Superlativen daher kommen. Zu den Zahlenberechnungen heißt es in der Rheinpfalz:

„Grundlage für diese Zahlen ist die Annahme, dass die deutschen Angestellten ihr Geld zu 100 Prozent in die deutsche Wirtschaft fließen lassen. Gleiches wird für Rentenempfänger angenommen. US-Zivilisten investieren geschätzt 40 Prozent ihres Gehaltes in die deutsche Wirtschaft, genauso wie Angehörige des US-Militärs, die außerhalb der Air Base leben. US-Angehörige, die auf der Base wohnen, bringen 15 Prozent ihres Gehaltes in die deutsche Wirtschaft ein.“

Bezüglich der US-Zivilisten mögen diese Zahlen stimmen, da auf dem Gelände der Air Base als „Little America“ die komplette Infrastruktur für Geldausgaben vorhanden ist, angefangen von dem riesigen Einkaufszentrum bis hin zu den diversen Freizeiteinrichtungen, mit Baseball-, Tennis- und Golfplätzen.

Die anteiligen Geldausgaben der US-Zivilisten mögen so stimmen, denn schließlich macht sich auch die IHK Pfalz Gedanken darüber, wie man von deren vorhandener Kaufkraft einiges mehr abschöpfen könnte, nachzulesen unter: https://www.pfalz.ihk24.de/servicemarken/regional/dlz-kl/amerikaner-als-kunden-gewinnen-1270378 Dort findet sich auch der Hinweis zur gezielten Ansprache von US-Amerikanern als Kaufkunden in der Region:

„Akzeptanz der VAT Form zum mehrwertsteuerfreien Einkauf.“

Hoppla, neben dem ohnehin schon schwachen Einkauf auch noch steuerfrei? Das findet auch in die Rheinpfalz keineswegs als störend, die in einem weiteren Beitrag vom 5.1.2022 über die USO (United Service Organization) schreibt:

„Auch machten sie die Amerikaner mit dem steuerfreien Einkauf in Kaiserslauterer Geschäften vertraut.“

Steuerfrei fahren übrigens auch die zahlreichen US-Pkw auf den Straßen in der Region, deren Unterhalt  zu Lasten des deutschen Steuersäckels geht.

Die 100%-Ausgaben der deutschen Beschäftigten mit dem angeblichen Betrag von ca. 196 Mio. US-Dollar, entsprechend ca. 172 Mio. Euro sind aber mehr als fragwürdig. Ein Bericht aus der Rheinpfalz vom 14.9.2021 über „KeepLocal“-Gutscheine für die Region Westpfalz legt jedenfalls nahe, dass dieser Wert erheblich darunter liegt. In dem genannten Artikel wird ein Vertreter des Citymanagements zitiert mit den Worten:

„Unser Ziel ist es, gemeinsam mit allen Händlern, Gastronomen und Dienstleistern der Stadt ein ganzheitliches Gutscheinsystem zu etablieren und damit die Kaufkraft in der Region zu halten, und zwar off- wie online“.

(https://www.rheinpfalz.de/lokal/kaiserslautern_artikel,-ein-gutschein-f%C3%BCr-die-ganze-stadt-und-sogar-die-ganze-westpfalz-_arid,5252712.html )

Doch kommen wir nun zu realen Kaufkraftzahlen. Jährlich gibt es dazu eine Erhebung für alle Stadt- und Landkreise in Deutschland. (Quelle: https://mb-research.de/_download/MBR-Kaufkraft-Kreise.pdf )

In der letzten Veröffentlichung für 2021 ergibt sich dabei auf den deutschlandweiten Durchschnitt von 100% eine Bandbreite von 80% bis 138%. Hieraus einige Zahlen:

Das US-Militär in der Großregion Kaiserslautern – Segen oder Fluch?

(Anmerkung zu Stadt und Landkreis KL: Wie bei den meisten kreisfreien Städten ergibt sich in deren direkten Umland eine höhere Kaufkraft, weshalb man bei Großstädten auch von deren „Speckgürtel“ spricht.)

Wie bei den meisten kreisfreien Städten ergibt sich in deren direkten Umland eine höhere Kaufkraft, weshalb man bei Großstädten auch von deren „Speckgürtel“ spricht.)

Wenn US-amerikanische Zivilangestellte nach den Angaben in der Rheinpfalz umgerechnet 58 Mio. Euro und deutsche Angestellte (angeblich!) 172 Mio. Euro im Jahr in den regionalen Wirtschaftskreislauf pumpen sollen, so stellen diese Zahlen nur einen kleinen Anteil an der Gesamtkaufkraft von 4.583 Mio. Eur in Stadt- und Landkreis dar. Dieses gilt wohlgemerkt für eine Region, die gemäß dem deutschlandweiten Vergleich als arm bezeichnet werden muss.

Gewerbesteuer: Die eigentliche Kenngröße

Für eine Beurteilung, inwieweit die US-Militärpräsenz zu dieser Armut beiträgt, muss jedoch ein anderer und prinzipiell wichtigerer Indikator herangezogen werden. Die Stadt Kaiserslautern leidet vor allem unter den geringen Gewerbesteuereinnahmen, die in den Jahren vor der Corona-Krise bei ca. 70 Mio. Eur lagen und damit etwa die Hälfte aller Steuereinnahmen betrugen, wie aus den bis 2018 zugänglichen Haushaltsabrechnungen hervor geht. Zum Vergleich: Die Gemeinde Ramstein-Miesenbach mit ca. 8.000 Einwohnern hatte zuletzt Gewerbesteuereinnahmen von ca. 7 Mio. Eur, was von Bürgermeister Ralf Hechler (CDU) als bisher höchster Betrag überhaupt euphorisch gefeiert wurde (Rheinpfalz vom 4.1.2022).

Dass diese Einnahmen bei der Stadt Kaiserslautern nicht höher liegen, ist auf den Mangel an verfügbaren Gewerbegebieten zurück zu führen. Dazu würden größere zusammenhängende Flächen benötigt, wie sie von der US Army im Stadtgebiet Kaiserslautern mit allein fünf Standorten belegt werden. Derzeit erfolgt an vielen US-Militärbasen weltweit eine Reduzierung der US Army zugunsten der US Air Force und anderer Teilstreitkräfte. Dieses gilt jedoch nicht für Kaiserslautern, wo sich angrenzend die Air Base Ramstein mit der wohl wichtigsten logistischen Drehscheibe des US-Militärs weltweit befindet. Benötigt wird die Air Base Ramstein einmal für Kriegsmaterial und Kriegseinsätze im Mittleren Osten und Afrika, aber auch für die immer umfangreicher werdenden (Defender-)Kriegsmanöver in Ost- und Südosteuropa.

Auch außerhalb des Stadtgebietes sind die Flächenansprüche des US-Militärs ein Haupthindernis für die umweltverträgliche Entwicklung neuer Gewerbegebiete, d.h. auf bereits versiegelten Bestandsflächen mit vorhandener Erschließung. Beispielhaft dafür steht der Neubau des US-Hospitals Weilerbach, direkt angrenzend an die Air Base. Etwa 90 ha Wald sind dieser Baustelle bereits vor einigen Jahren zum Opfer gefallen. Das US-Militär hat aber keine Absicht, die später freiwerdenden Flächen des bisherigen US-Hospitals in Landstuhl zurück zu geben. Von den kompletten Baukosten in Höhe von ca. 950 Mio. Eur werden die anteiligen 15% Baunebenkosten über den Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) und damit letztlich aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Eine nachhaltige Wertschöpfung mit neuen Arbeitsplätzen ist dieses Bauvorhaben jedoch nicht.

Konversion als einzige Perspektive

Dass der Anteil der vom US-Militär erzeugten Kaufkraft in der Region nur recht gering ist, hat auch damit zu tun, dass die ausgewiesenen deutschen Mitarbeiter auf der Ramstein Air Base und bei der US Army in Kaiserslautern größtenteils in schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs tätig sind. Qualifizierte Tätigkeiten könnten aber bei einer Schließung des Militärstandortes in großem Maße geschaffen werden. Dann würden zunächst viele Arbeitsplätze geschaffen, um die notwendige Altlastensanierung in Boden und Grundwasser vorzunehmen. Welchen Aufwand dieses bedeutet, erfährt die Stadt Kaiserslautern derzeit mit dem ehemaligen Pfaff-Gelände, für das noch eine jahrelange Altlastensanierung erforderlich ist, bevor eine Vermarktung als Gewerbegebiet möglich ist.

Viele Optionen für Neuansiedlungen von größeren Firmen in Zeiten eines umfassenden wirtschaftlichen Strukturwandels würden sich öffnen, vor allem für regionalen Tourismus in der bisher von militärischem Fluglärm und Luftschadstoffen gebeutelten Region. Dieses hätte eine völlig andere Dimension als den von Bürgermeister Ralf Hechler ins Spiel gebrachte Klimagarten in Ramstein-Miesenbachs Mitte. Die Mohrbach-Aue als „grüner Trittstein“ der Stadt? Bei dem Mohrbach handelt es sich um dasjenige Oberflächengewässer auf der Air Base Ramstein, wo alle anderen Gewässer zusammen fließen, womit auch die im Boden vorhandenen Schadstoffe gemeinsam an einer Stelle abfließen, insbesondere die perfluorierten Chemikalien, mit denen das gesamte Areal hochgradig belastet ist.

In der deutschen Ausgabe der Le Monde diplomatique vom Dezember 2021 war in einem ausführlichen Beitrag über die Umweltsünden der US-Armee unter der Überschrift „Dreck am Stiefel“ zu lesen:

„Und beim US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein beträgt die PFAS-Konzentration im Flusswasser auch in 11 Kilometer Entfernung noch immer das 538-fache des von der EU als unbedenklich eingestuften Werts“.

Auch der Ausbau erneuerbarer Energien könnte in dieser Region ein großen Sprung nach vorn machen. So sind Windkraftanlagen sind in der Großregion Kaiserslautern fast nicht vorhanden, da diese auch störend wären für die derzeit ausgewiesenen Tiefflug-Übungszonen von Kampfjets.

Die Stadt Kaiserslautern beteiligt sich derzeit an einem bundesweiten Modellprojekt Masterplan 100% Klimaschutz. Bis zum Jahr 2050 soll durch die Vernetzung von Technologie, Raum und Akteuren in allen Handlungsfeldern des Klimaschutzes eine energieneutrale Energieversorgung in Kaiserslautern erreicht werden. (https://www.kaiserslautern.de/sozial_leben_wohnen/umwelt/klimaschutz/konzepte/masterplan/index.html.de)

Wie dieses erreicht bei andauernder US-Militärpräsenz jedoch erreicht werden soll, ist jedoch schleierhaft. Das Konzept zeigt aber zumindest, dass es an Visionen nicht fehlt. Detailliertere Vorschläge für eine sozial-ökologische Konversion der Region finden sich in einer bereits länger vorliegenden Broschüre der Kampagne Stopp Air Base Ramstein und der Pfälzer Initiative Entrüstet Euch. (http://info.umwelt-militaer.org/pdf/2020/2020-12_Konversion-KL_Web.pdf)

Diese Broschüre ist nur ein Teil der Kampagnen-Aktivitäten, mit denen in den zurück liegenden Jahren auch wiederholt auf die Verlogenheit kommunaler Entscheidungsträger und deren hörige Lokalpresse hingewiesen wurde, dass das US-Militär ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sei. Das Gegenteil lässt sich klar belegen. Damit diese Fakten aber nicht in das Bewusstsein der Bevölkerung in Kaiserslautern und dessen Umland eindringen, bedarf es aber wohl eines ganzen Trommelfeuers von Artikel-Schwerpunktseiten in der Rheinpfalz. Inwieweit die Redaktion der Rheinpfalz dabei gesponsert wurde, wissen wir nicht. Bekannt ist aber: Das Pentagon hat weltweit insgesamt ca. 27.000 Mitarbeiter, die speziell für Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind.

Der Originalartikel kann hier besucht werden