Kapitalistisches Wirtschaftswachstum und die Folgen der Erderwärmung

Die Weltklimakonferenz COP 26 in Glasgow ging nach einer Verlängerung zu Ende, wobei das Echo sehr geteilt ist.

Während die einen die Konferenz als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verhinderung der Weltklimaerwärmung feiern, zeigen sich andere vom Ergebnis enttäuscht, was in der Äusserung von Greta Thunberg gipfelte: „Blah, blah, blah“. Dass die Urteile so unterschiedlich ausfallen, kann wohl kaum am Ergebnis der Konferenz selber liegen, sondern vielmehr an den unterschiedlichen Massstäben, an denen es gemessen wird.

Der hoffnungsvolle Auftakt

Der Beginn der Konferenz wurde beherrscht vom Auftritt der politischen Grössen der verschiedenen Staaten – angefangen vom Präsidenten der Vereinigten Staaten Joe Biden bis hin zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Allein ihr Erscheinen sollte die Wichtigkeit des Anliegens der Konferenz unterstreichen, und eine der Hauptmeldungen in den Medien war das Nichterscheinen von Chinas Präsident Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin. Zwar waren sie per Videokonferenz präsent und hatten auf diese Weise CO2 –Emissionen vorbildlich gespart, dennoch galt ihr physisches Nichterscheinen als kritikabel – im Gegensatz zu den mit viel Energie-Aufwand (in eigenen Fliegern etc.) angereisten Kollegen.

Im Vordergrund der Konferenz standen zunächst die Absichtserklärungen der erschienenen Politiker wie z.B. die von Angela Merkel: „Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts, also am besten bis 2050, zu erreichen – dieses Ziel wurde genannt; und es ist auch dringend notwendig. Aber dafür werden erhebliche Investitionen gebraucht. Und das ist noch untertrieben, denn wir brauchen eine komplette Transformation unserer Art zu leben und zu arbeiten, der Energieerzeugung und der Mobilität. Das ist natürlich eine grosse Herausforderung.“

Merkel betont wie viele andere auch das gemeinsame Ziel der Klimaneutralität und spricht dabei von der Änderung des Lebens von „uns allen“. Mit der Betonung der Gemeinsamkeit bezieht sich die Kanzlerin auf die gemeinsame Betroffenheit aller Staaten, die mit der Erderwärmung vor neue Kalkulationen gestellt werden.

Die Betroffenheit fällt für die Staaten allerdings sehr unterschiedlich aus. Manche können durchaus auch Vorteile für sich durch die Erderwärmung entdecken, wenn das Nordpolarmeer eisfrei wird und sich somit neue Verkehrswege und neue Wirtschaftsräume erschliessen lassen. Andrerseits ergeben sich aus diesem Umstand aber auch neue Gefahren, die es abzuwägen gilt. So folgen aus der Erderwärmung für die unterschiedlichen Staaten bei aller gemeinsamen Betroffenheit ganz unterschiedliche Konsequenzen und auch ganz neue wirtschaftliche Chancen, die oft aber auch von den Entscheidungen anderer Staaten abhängig sind. Deshalb setzen sie sich in Konferenzen in Verbindung, um für sich Gefahren und Chancen auszuloten.

Über diese Unterschiede setzt sich die Kanzlerin hinweg, wenn sie das gemeinsame Ziel und dessen Erreichen als Gemeinschaftsanliegen behandelt. Ganz so, als ob es sich um eine Sache handelte, die in gleicher Weise alle betrifft, eben unseren Lebensstil und unsere Art, zu konsumieren. Dabei ist Letzteres nur die abhängige Variable von Entscheidungen, die ganz andere Subjekte treffen.

Und wenn es wirklich ein Gemeinschaftsanliegen der Staatenwelt wäre, dann bräuchte es übrigens nicht die 26. Konferenz von Regierungsvertretern; denn was dann anstünde wäre eher ein technisches Problem. Das Stattfinden der vielen Konferenzen macht dagegen gleich augenscheinlich, dass es dieses Menschheitsanliegen gar nicht gibt. Es geht schliesslich um Treffen von Staaten, die bei diesen Konferenzen ganz unterschiedliche Interessen verfolgen, und diese haben nichts mit der vorgestellten Einigkeit zu tun, dass es einfach darum ginge, die Welt vor dem Untergang zu bewahren.

Wenn die Kanzlerin von den „erheblichen Investitionen“ spricht, so steht im Hintergrund ja auch immer, dass diese sich irgendwie lohnen sollen. Es geht also bei diesen Konferenzen um den Streit, welche Schäden wer durch den Klimawandel zu erwarten hat und wer von einer Verhinderung der Erderwärmung wie profitieren kann.

Es sind eben Veranstaltungen von Konkurrenten, die sich gegenseitig auf bestimmte Formen der Energiegewinnung und des Energieeinsatzes festlegen wollen und dabei in unterschiedlicher Weise von den unterschiedlichen Formen des Energiegebrauchs profitieren. Um diese Erträge streiten die Staaten. Schliesslich hat die oft als Klimakanzlerin gelobte Frau Merkel sich in der Vergangenheit besondere Verdienste dadurch erworben, dass sie im Rahmen der EU Umweltauflagen für die Autoindustrie blockierte, die vor allem den deutschen Autoherstellern hätte schaden können.

Das Ergebnis einer solchen Konferenz kann daher auch nur in einer Vereinbarung bestehen, bei der sich die Staaten selber zu etwas verpflichten, von dem sie sich einen Nutzen versprechen. Es ist die Summe von Selbstverpflichtungen, die da zu Papier gebracht wird. Deren Erfüllung hängt somit auch von der Kalkulation derer ab, die die Selbstverpflichtung aussprechen.

Das Ergebnis

Als Resultat werden in der Öffentlichkeit mehrere Punkte hervorgehoben: „Das beginnt damit, dass die Regeln des Pariser Klimaabkommens nun endlich stehen. Wie konkret Fortschritte im Klimaschutz vergleichbar werden, wie die Staaten neue Pläne hinterlegen, wie sie miteinander kooperieren – all das hat die Konferenz in Glasgow klären können.“ (Michael Bauchmüller, SZ 15.11.21)

Offenbar braucht es Regeln für die Vergleichbarkeit von Klimaschutzmassnahmen, weil es nicht einfach um deren Wirksamkeit geht, sondern weil die Staaten sich gegenseitig misstrauen, ob die anderen ihre abgegebenen Absichtserklärungen auch erfüllen. Dass die schon abgegebenen Erklärungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung zu stoppen, davon gehen alle beteiligten Staaten offenbar aus. Also braucht es ständig neue Pläne, um zumindest den Schein aufrecht zu erhalten, dass die Erderwärmung in einem erträglichen Rahmen gehalten werden kann. Darin besteht also einer der Erfolge der Konferenz und macht damit gleich weitere Konferenzen notwendig.

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze weiss zudem einen weiteren Erfolg zu vermelden: „Diese Konferenz hat gezeigt, dass die Welt ein gemeinsames Ziel verfolgt, eine klimaneutrale Weltwirtschaft. Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild.“

Zwar soll es schon vor Jahren in Paris ein gemeinsames Ziel gegeben haben. Erstaunlich also, dass das nun als Ergebnis von Glasgow gefeiert wird. Macht aber nichts. Mit der Behauptung, das fossile Zeitalter gehe zu Ende, lobt die Ministerin dreist die in der Abschlusserklärung festgehaltene Aussage, dass der Einsatz von Kohle, Gas und Öl reduziert werden soll: „Und dann ist da dieser eine Absatz, Nummer 36 von 97. Darin sollen die Staaten aufgefordert werden, schneller das Ende der Kohle einzuleiten, sich obendrein von ‚ineffizienten‘ Subventionen für fossile Energie zu verabschieden… Aus dem ‚Ausstieg‘ aus der Kohle wird eine ‚Verminderung‘, aus einem ‚phase-out‘ ein ‚phase-down‘.“ (SZ, 15.11.21)

Im Grunde fordern alle Staaten mit der Abschlusserklärung sich selber auf, den Einsatz von Kohle zu vermindern, was Deutschland ja auch betreibt, und zwar mit seinem Ausstieg bis 2038, also der damit gesicherten Verbrennung von dreckiger Braunkohle auf Jahre hin. Schliesslich ist und bleibt die Braunkohle ein billiger nationaler Energieträger, den es solange zu nutzen gilt, bis sich günstigere Energiequellen ergeben.

Dass zudem „ineffiziente“ Subventionen für fossile Energie gestrichen werden sollen, ist fast schon ein Witz. Welcher Staat wendet denn ineffiziente Subventionen auf?

Deutschland hat doch seine Steinkohle lange Zeit deshalb subventioniert, weil es über eine nationale Energiequelle verfügen wollte. Die Effizienz einer Subvention lässt sich eben sehr unterschiedlich bestimmen – je nach ökonomischer oder politischer Interessenlage. Eins kann man in jedem Fall festhalten: Die Effizienz von Subventionen bemisst sich nicht daran, was sie für den Klimaschutz leisten. Beispielhaft wären da die Subventionen für Elektroautos zu nennen, die den deutschen Autobauern ihren zukünftigen Erfolg, d.h. die Gewinne sichern sollen, wobei die Öko-Bilanz der Umstellung auf E-Mobilität eine höchst problematische Grösse ist.

Die Zusammenfassung formulierte der Präsident der Klimakonferenz, der Brite Alok Sharma: „Wir können nun mit Überzeugung sagen, wir haben die 1,5 Grad lebendig gehalten“. (SZ, 15.11.21) Auch so kann man ausdrücken, dass das 1,5-Grad-Ziel ein Ideal ist, in dessen Namen die Erderwärmung irgendwie in Grenzen gehalten werden soll, ohne das kapitalistische Wachstum zu gefährden. Insofern kommt es nicht unbedingt auf die genaue Zielerreichung an. Vielmehr können viele – und vor allem die entscheidenden kapitalistischen Länder – auch mit einer grösseren Erwärmung leben und stellen sich bereits darauf ein. Schliesslich gibt es viele Initiativen, um die erwarteten Schäden aufzufangen, zu begrenzen oder sich dagegen zu versichern, sowie den Streit darum, wer in Zukunft für die Schäden aufzukommen hat.

Die Zufriedenen

Zu denen, die das Ergebnis von Glasgow mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen, gehören die Vertreter der zukünftigen Regierung in Deutschland: „FDP-Chef Cristian Lindner bewertete das Ergebnis vorsichtig optimistisch. `Glasgow ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, aber nicht das Ziel`.“ (SZ, 15.11.21) Auch der Vertreter der SPD stimmt dem zu: „Glasgow ist ein wichtiges Signal, aber die Arbeit beginnt erst,“ so der SPD-Vorsitzende Matthias Miersch. (SZ, 15.11.21) Vorsichtiger äusserte sich Grünen-Chefin Annalena Baerbock: „Die Klimakonferenz habe `die Heftigkeit der Klimabedrohung endlich anerkannt, aber noch lange nicht gebannt‘.“ (SZ, 15.11.21)

Einfach nur Zufriedenheit will niemand signalisieren, sondern alle sehen die Klimawende als eine Herausforderung, der sie sich zu stellen haben, die also noch nicht bewältigt ist: „Der gesellschaftliche Konflikt zwischen denen, die immer neue ehrgeizige Ziele fordern und denen, die die Energiewende blockieren, muss endlich produktiv gelöst werden… Das ist die Aufgabe einer Fortschrittskoalition“ (SZ, 15.11.21), weiss der SPD-Fraktionsvorsitzende Miersch zu vermelden. Er differenziert offenbar bei den Zielen in Sachen Energiewende nicht danach, was zur Vermeidung der Erderwärmung notwendig ist oder nicht, sondern danach, ob sie zu ehrgeizig sind oder nicht. Auch warum sich die Blockierer gegen Massnahmen wenden, ist für ihn nicht weiter von Bedeutung. Zwischen welchen Positionen die neue Koalition also vermitteln will, bleibt damit offen, fällt damit ganz in ihre Entscheidungskompetenz.

Als zu ehrgeizig gelten natürlich Ziele, die sich nicht an den Notwendigkeiten des Geschäftemachens orientieren. Schliesslich bilden Aufwendungen für Energie und neue Technologien Kosten, die sich lohnen, sprich Gewinne sichern sollen. Also haben sich Massnahmen in Sachen Energiewende an diesem Massstab zu bewähren. Dort, wo durch Einsatz neuer Technologien Vorteile zu erringen sind, treten diese Politiker als Parteigänger des Klimaschutzes auf; dort, wo sie geschäftliche Einschränkungen vermuten, betrachten sie die betreffenden Massnahmen als zu ehrgeizig.

Den Massstab formuliert FDP-Chef Lindner, nämlich „dass es ein hochwirksames Paket zum Klimaschutz geben wird, das zugleich die soziale Sensibilität achtet und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft langfristig stärkt“. (SZ, 15.11.21) Klimaschutz soll es also irgendwie geben. Das wird vielen Menschen einiges abverlangen, damit zusätzliche Kosten bescheren. Das wird die Politik im Blick haben, wenn sie sich darum kümmert, dass das Ganze der deutschen Wirtschaft nützt.

Und so mancher Journalist springt den Politikern auch gleich bei: „Enttäuscht müssen alle diejenigen sein, die einen Wundergipfel von einer Versammlung mit Vertretern aus 192 Ländern erwartet haben. Realisten verweisen auf den Druck, der durch Glasgow jetzt erstmals auf einen globalen Kohleausstieg besteht… Besonders wichtig: Durch preiswerte erneuerbare Energie wird Klimaschutz zum Geschäftsmodell. Investoren, Banken, Industriekonzerne begreifen das. Kapitalisten haben schon immer die Eigenschaft, geschmeidig zu sein. Das ist das wahre Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus, auch des grünen Kapitalismus.“ (Franz Alt, telepolis, 16.11.21)

Das Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus ist gerade in den umfangreichen Schäden an Mensch und Natur zu besichtigen, schliesslich hat der geschmeidige Umgang mit Kosten für Abfallbeseitigung und Abgasbehandlung dazu geführt, dass die Welt so aussieht, wie sie aussieht. Dass hindert offenbar weder den Autor noch die Politik daran, gerade in den Verursachern der Klimakatastrophe die Retter zu entdecken: „Die Kanzlerin hob die CO2(Kohlendioxid)-Bepreisung als geeignetes und wirtschaftlich vernünftiges Instrument hervor, weltweit Industrie und Wirtschaft dazu zu bringen, die technologisch besten und effizientesten Wege zu finden, um Klimaneutralität zu erreichen.“

Effizienz in der Wirtschaft bemisst sich bekanntermassen nicht an einem technologischen Kriterium, sondern daran, inwieweit die Technologie dazu beiträgt, aus einer vorgeschossenen Summe Geldes mehr Geld zu machen. Und das soll auch in Zukunft der Massstab sein, an dem sich alles zu bewähren hat.

Die Kritiker

Noch jede Demonstration zur Klimapolitik drückt einen Zwiespalt aus. Auf die Strasse gehen die Demonstranten, weil sie in der herrschenden Politik einen Mangel entdecken: So wie „die da oben“ Gesetze beschliessen, zeichnet sich ab, dass die Erderwärmung munter weiter geht. Gleichzeitig setzen die Demonstranten aber alle Hoffnung darauf, dass die Politiker durch den massenhaften Protest dazu zu bewegen sind, doch noch Gesetze zu beschliessen, die die Erderwärmung aufhalten.

Dabei wäre doch als Erstes, siehe oben, zu fragen, warum die Politiker nicht von sich aus in diesem Sinne aktiv werden. Wissenschaftliche Berechnungen und Gutachten gibt es zuhauf, an mangelndem Wissen kann es wohl nicht liegen. Deshalb hat das ständige Betonen der Demonstranten, dass sie die Wissenschaft auf ihrer Seite haben, etwas Gebetsmühlenartiges, das Beschwören einer grossen Einigkeit. Schliesslich sind ja nicht wenige der Gutachten von der Politik in Auftrag gegeben worden.

Wenn die Politiker dennoch zu anderen Ergebnissen gelangen, dann kann es nicht am fehlenden Wissen liegen, sondern dann geht es ihnen eben nicht einfach darum, wie die Klimaveränderung gebremst werden kann. Dem Klimaschutz will sich inzwischen zwar keine der Parteien mehr verschliessen, aber alle verbinden ihr Bekenntnis zum Klimaschutz mit einem dicken „Aber“.

Woran es beim Klimaschutz hakt und warum er nicht so stattfinden kann, wie sich die Vertreter von Fridays for future das vorstellen, machen die Verantwortlichen vor allem an drei Punkten deutlich. Da ist zum einen das Ausland, das nicht richtig mitzieht, dann sind es die Arbeitsplätze, die man erhalten muss, und endlich noch die Verbraucher, die das alles nicht zahlen können. Diese Gründe gilt es zu würdigen, denn ganz von der Hand weisen wollen Klimaschützer diese Gründe ja nicht.

Um mit dem Letzten zu beginnen: Die Preise für Energie steigen und das ist auch beabsichtigt. Schliesslich sollen die Verbraucher entweder weniger verbrauchen oder sich nach Alternativen umsehen. Als selbstverständlich unterstellt ist in dieser Argumentation, dass alles in dieser Gesellschaft einen Preis hat und somit Mittel des Geschäftes ist. Als solches soll auch der Klimaschutz fungieren.

Die Preise für Energie werden durch die CO2-Abgabe von der Politik erhöht und so sollen sich alternative Formen des Energieverbrauchs wie Verzicht auf Autofahren, Kauf von Elektro-Autos, neue Heizungen lohnen. Für diejenigen, die Hersteller oder Verkäufer von Elektro-Autos, neuen Heizungen oder Wärmedämmungen von Häusern sind, wird so eine lohnende Geschäftssphäre eröffnet und stabilisiert. Diejenigen, die nur mit den steigenden Energiekosten konfrontiert werden, müssen somit neu kalkulieren.

Für Unternehmen und Geschäftsbereiche, die nicht in neuen Umweltprodukten zu Hause sind, stellen die höheren Energiepreise höhere Kosten dar, die ihre Kalkulation belasten und die Rendite senken. Es sei denn, sie können die höheren Kosten ihren Kunden in Rechnung stellen und sich so schadlos halten.

Dann gibt es die Menschen, die nicht Besitzer eines Unternehmens sind, sondern nur über sich selbst als Arbeitskraft verfügen. Sie können ihre gesteigerten Kosten nicht einfach jemandem in Rechnung stellen, sind also mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich einzuschränken oder sich mit anderen zusammenzuschliessen, um für höhere Löhne zu kämpfen. Die Hoffnung richtet sich da bei vielen auf die Regierung, die die durch die höheren Kosten entstandenen Nöte abmildern soll.

Und das haben die Parteien der neuen Regierung ja auch versprochen. Eine Kompensation für die höheren Energiepreise soll es geben. Nur: Die beabsichtigte Wirkung in Sachen Klimaschutz, soll damit nicht konterkariert werden. Also ist klar, dass eine Kompensation nicht in vollem Umfang stattfinden wird. Wahrscheinlich wird es nur für sogenannte „Härtefälle“ Zahlungen geben. Wo die „Härte“ anfängt und in welchem Umfang ein Ausgleich stattfinden soll, ist eine andere Frage – Hartz IV lässt grüssen.

Konfrontiert werden Klimaschützer immer wieder mit dem Arbeitsplatzargument oder mit Demonstrationen organisiert von Gewerkschaften. Ein Argument, das die Kritiker trifft und an dem sie sich abarbeiten: „Derzeit geht man davon aus, dass die Kosten des Klimawandels bis zu achtmal höher liegen sollen, als bisher angenommen. Überschwemmungen und Stürme können das Wirtschaftswachstum für die betroffenen Staaten um ein Jahrzehnt oder länger dämpfen. Die Tötung von Menschen durch Unwetter führt zum Fehlen von Arbeitskräften. Die Zerstörung von Produktionsstätten führt zur Unmöglichkeit der Produktion. Die Folge sind Lieferengpässe. Beides schadet unserem Wohlstand nachhaltig – entweder am Produktionsstandort oder durch Behinderung der Produktion durch Versorgungsengpässe oder durch resultierende steigende Preise.“

Mit der Kostenrechnung, die auf Seiten von Fridays-for-future aufgemacht wird, soll demonstriert werden, dass Klimaschutz auch ganz im Interesse derer ist, die die Klimakatastrophe verursacht haben. Dabei gehen allerdings die Rechnungsweisen etwas durcheinander. Wenn von unserem Wohlstand die Rede ist, der durch den Klimawandel gefährdet ist, dann irritiert den Schreiber offenbar nicht, dass es mit dem Wohlstand bei vielen Menschen in dieser Gesellschaft nicht weit her ist. Das Wirtschaftswachstum, um das sich da gesorgt wird, besteht in dem Wachstum des Reichtums derer, die als Private über Reichtum verfügen. Und das ist, wie man auch aus den offiziellen Armuts- und Reichtumsberichten weiss, eine sehr überschaubare Minderheit.

Der Tod von Menschen wird beklagt, nicht weil er sie die Existenz kostet, sondern weil sie für das Wirtschaftswachstum fehlen. Zu solchen Zynismen gelangt der Autor, weil er um jeden Preis die Vereinbarkeit von Klimaschutz und kapitalistischem Wachstum nachweisen will. Gegen diese Kalkulation will sich anscheinend niemand wenden, stattdessen richtet sich die Hoffnung immer auf die Vereinbarkeit von Gewinnen mit Klimaschutz und Sicherung des Lebensunterhalts der Beschäftigten. Die immer wieder stattfindenden wie drohenden Entlassungen sowie die Folgen dieser Produktion können diesen Glauben wohl nicht erschüttern.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, heisst eine bekannte Redewendung. Aber man weiss auch: Du sollst Dir keine falschen Hoffnungen machen. Nur was bedeutet es, wenn an der Hoffnung festgehalten wird, ohne zu prüfen, ob sie begründet ist? Dass die Hoffnungen nicht aufgegeben werden, wo sich viele vom Ergebnis von Glasgow enttäuscht zeigen, machen ihre Kritiker deutlich: „Es gibt Momente, da führt die Verfolgung von Nachrichten und Talkshows zu einem grossen Mass an Ohnmacht. Etwa, wenn ein Bundeskanzlerin am Ende ihrer Amtszeit auf der COP dazu aufruft, mehr für den Klimaschutz zu tun und sich von den Medien und Politiker*innen beklatschen lässt. Hatte sie nicht 16 Jahre Zeit um Klimaschutz zu machen? Was wurde in dieser Zeit getan? Beim Klimaschutzgesetz, so selbst das Bundesverfassungsgericht, jedenfalls nicht genug.“

Die Frage aufzuwerfen, was die Kanzlerin in den 16 Regierungsjahren für Klimaschutz getan hat, ist vielversprechend. Aber dann muss man sich auch wirklich ansehen, was und wie sie den Klimaschutz betrieben hat. Schliesslich gehörte dazu der Einsatz für die Autoindustrie und für den Weiterbetrieb der Braunkohlekraftwerke ebenso wie der Bau von Windrädern und die Förderung der Solarenergie. Das würde dann nicht zum Abwägen von mehr oder weniger Engagement in Sachen Klimaschutz führen, sondern zu der Erkenntnis, nach welchen Massstäben dieser erfolgt, und zwar im Inland wie im Ausland. Letzteres wird bei uns natürlich gerne an den Pranger gestellt. Dabei unterscheiden sich, siehe oben, die Kalkulationen der grossen Wirtschaftsmächte gar nicht im Prinzip, höchstens in den Mitteln und den geopolitischen Bedingungen.

Es macht also einen entscheidenden Unterschied, ob man das 1,5-Grad-Ziel als ein Ideal betrachtet, in dessen Namen man kapitalistisches Wirtschaftswachstum mit den Folgen der Erderwärmung irgendwie zu vereinbaren versucht, oder ob man die 1,5 Grad als ein reelles Ziel versteht. In letzterem Fall müsste man eben zur Kenntnis nehmen, dass dies so von keinem der handelnden Politiker verfolgt wird. Aus diesem – vernachlässigten – Unterschied, aus dem Desinteresse, den Motiven der mächtigen Macher auf den Grund zu gehen, und der Bereitschaft, die offizielle Klima-PR zu schlucken, speisen sich dann immer wieder Hoffnungen – ebenso wie die unvermeidlichen Enttäuschungen, die auf dem Fusse folgen.

Suitbert Cechura

Zuerst erschienen bei Telepolis

 

 

Der Originalartikel kann hier besucht werden