Das Vereinigte Königreich (in Partnerschaft mit Italien) wird vom 31. Oktober bis 12. November 2021 die 26. UN-Klimakonferenz der Vertragsparteien (COP26) in Glasgow ausrichten.
Die COP26 wird eines der bedeutendsten Zusammentreffen in der modernen Menschheitsgeschichte sein, vergleichbar mit der Zusammenkunft der „Großen Drei“ auf der Teheraner Konferenz am 28. November 1943, als die Invasion in der Normandie beschlossen wurde, die unter dem Codenamen „Operation Overlord“ lief und im Juni 1944 begann. Damit wurde der Tyrannei ein Ende bereitet, einer leicht erkennbaren weltweiten Bedrohung, die durch einen Zahnbürstenschnurrbart symbolisiert wurde. Die heutige Tyrannei hat kein Gesicht mehr, aber sie übersteigt bei weitem die Möglichkeiten der damaligen Zeit, denn sie ist bereits überall und gleichzeitig! Und sie ist zehnmal so effektiv wie die gesamte Munition des Zweiten Weltkriegs.
Was steht auf der COP26 auf dem Spiel?
Chatham House, das Royal Institute of International Affairs, beantwortet diese wichtige Frage in einem Bericht für Regierungschefs mit dem Titel: Climate Change Risk Assessment 2021.
Der Bericht führt mit drei Kernaussagen in das Thema ein:
- Die Welt ist gefährlich weit davon entfernt, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.
- Die Risiken häufen sich.
- Ohne sofortige Maßnahmen werden die Auswirkungen in den kommenden Jahrzehnten verheerend sein.
Der Bericht zeigt den aktuellen Stand der Emissionen und die sich daraus ergebenden Temperaturpfade auf. Derzeit sehen die national festgelegten Beiträge (NDCs) eine Reduzierung der Emissionen um 1 % bis 2030 im Vergleich zu den Werten von 2010 vor. Schockierend sind die in dem Bericht aufgeführten schwerwiegenden Folgen für die Menschheit, die bis 2040-50 eintreten werden, wenn die Emissionen bis 2030 nicht drastisch gesenkt werden: „Die Auswirkungen werden verheerend sein.“
Aber: Die Regierungen werden auf der COP26 die Gelegenheit haben, die Emissionsreduzierung durch „ehrgeizige Überarbeitungen ihrer NDCs“ zu beschleunigen. Sollten die Emissionen jedoch den aktuellen NDCs folgen, liegt die Chance, die Temperaturen unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu halten (die in Paris ’15 festgelegte Obergrenze), bei weniger als 5%.
Und nicht nur das: Ein Nachlassen oder ein Ausbleiben der Emissionssenkungsmaßnahmen könnte im schlimmsten Fall zu einer Erwärmung um 7 °C führen, was laut dem Papier derzeit eine Chance von 10 % darstellt.
Das Papier prangert die derzeitige Mode der „Netto-Null-Zusagen“ an, denen „politische Details und Umsetzungsmechanismen fehlen“. Unterdessen wird das Defizit zwischen den NDC-Zielen und dem Kohlenstoffbudget von Jahr zu Jahr größer. Im Klartext: Leere Versprechungen reichen nicht aus, Punkt!
Wenn es nicht gelingt, die Emissionen bis 2030 zu senken, wird dies bis 2040 ernsthafte negative Auswirkungen haben:
- 3,9 Milliarden Menschen werden in unterschiedlichen Zeitabständen von größeren Hitzewellen betroffen sein.
- 400 Millionen Menschen werden Temperaturen ausgesetzt sein, die die „Arbeitsfähigkeitsgrenze“ überschreiten. Es wird zu heiß zum Arbeiten!
- Von noch größerer und äußerst schockierender Bedeutung ist die Tatsache, dass, wenn bis 2030 keine drastischen Maßnahmen ergriffen werden, „die Zahl der Menschen weltweit, die lebensbedrohlichem Hitzestress ausgesetzt sind, wahrscheinlich 10 Millionen pro Jahr übersteigen wird“, heißt es in dem Papier. Dies kann sich nur auf die berüchtigte Feuchtkugeltemperatur beziehen. Das bedeutet, dass ein Schwellenwert erreicht ist, wenn die Lufttemperatur über 35 Grad Celsius (95 Grad Fahrenheit) steigt und die Luftfeuchtigkeit über 90 Prozent liegt. Der menschliche Körper hat seine Grenzen. Wenn „Temperatur plus Luftfeuchtigkeit“ zu hoch sind, das heißt +95/90, wird selbst ein gesunder Mensch, der im Schatten sitzt und reichlich Wasser zu trinken hat, schwer leiden oder wahrscheinlich sterben. Noch vor wenigen Jahren sagten Klimamodelle das Erreichen weit verbreiteter Feuchtkugeltemperatur-Grenzwerte für Ende dieses Jahrhunderts voraus; die globale Erwärmung schreitet jedoch schneller voran als erwartet. Tatsächlich ist die Zahl der Todesopfer der Feuchtkugeltemperatur von 10 Millionen pro Jahr fast so hoch wie die Gesamtzahl der Todesopfer des Zweiten Weltkriegs von 75 Millionen, sowohl militärisch als auch zivil, über sechs Jahre bzw. 12,5 Millionen pro Jahr.
- Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird bis 2050 weltweit um 50 % steigen, doch ohne eine sofortige massive Verringerung der Emissionen werden die Ernteerträge bis 2040 sinken, da die von schwerer Dürre betroffenen Anbauflächen auf 32 % pro Jahr ansteigen. Fünfzig Prozent mehr Nahrungsmittelbedarf bei einem Anstieg der Dürrefolgen um 32 % ist nicht gerade ermutigend.
- Weizen und Reis machen 37 % der Kalorienzufuhr aus, aber ohne drastische Kürzungen werden mehr als 35 % der weltweiten Anbauflächen für diese wichtigen Kulturen von schädlichen Hitzeperioden betroffen sein.
- Ohne massive Emissionssenkungen werden bis 2040 jährlich 700 Millionen Menschen von Dürreperioden betroffen sein, die mindestens 6 Monate am Stück andauern. „Keine Region wird davon verschont bleiben.“
Dementsprechend „werden viele der beschriebenen Auswirkungen bis 2040 voraussichtlich eintreten und so schwerwiegend werden, dass sie die Belastungsgrenzen vieler Länder überschreiten… Die Risiken des Klimawandels nehmen im Laufe der Zeit zu, und was in naher Zukunft ein kleines Risiko sein mag, könnte mittel- bis langfristig überwältigende Auswirkungen haben.“ (S. 5)
Kapitel 4 des Berichts befasst sich mit den kaskadenartigen systemischen Risiken. Systemische Risiken treten als Kette oder Kaskade auf und wirken sich auf ein ganzes System aus, einschließlich Menschen, Infrastruktur, Wirtschaft, gesellschaftliche Systeme und Ökosysteme. 70 Experten analysierten die Kaskadenrisiken wie folgt: „Die Kaskadenrisiken, über die sich die teilnehmenden Experten am besorgtesten äußerten, waren die Zusammenhänge zwischen sich verändernden Wettermustern, die zu Veränderungen in den Ökosystemen führen, und der Zunahme von Schädlingen und Krankheiten, die in Verbindung mit Hitzewellen und Dürren wahrscheinlich zu noch nie gekannten Ernteausfällen, Nahrungsmittelknappheit und Migration von Menschen führen werden. In der Folge werden diese Auswirkungen aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Zunahme von Infektionskrankheiten führen (stärkere Verbreitung der derzeitigen Infektionskrankheiten sowie neue Varianten) und eine negative Rückkopplungsschleife auslösen, die jede dieser Auswirkungen verstärkt und verschlimmert“ (S. 38).
„Der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Anfälligkeit für Waldbrände zunimmt, vor allem durch heißere und trockenere Bedingungen. Im Zeitraum 2015-18 war in 77 Prozent der Länder im Vergleich zu 2001-14 ein Anstieg der täglichen Waldbrandgefahr zu verzeichnen, wobei in Indien und China 21 Millionen bzw. 12 Millionen Waldbrände vermeldet wurden. In Kalifornien hat sich die jährlich verbrannte Fläche zwischen 1972 und 2018 verfünffacht. Dort sind die durchschnittlichen Tagestemperaturen in der warmen Jahreszeit seit Anfang der 1970er Jahre um etwa 1,4 °C gestiegen, was die Brandgefahr erhöht und mit den von Klimamodellen simulierten Trends übereinstimmt.“ (S. 39)
Und die schockierendste Statistik von allen betrifft die Hochrisiko- (code red) Gefahrenzone der Erde, die für massive Methanemissionen anfällig ist: „In Sibirien führte eine langanhaltende Hitzewelle in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu großflächigen Waldbränden, zum Verlust von Permafrost und zu einer Invasion von Schädlingen. Es wird geschätzt, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse in dieser Region bereits um mehr als das 600-fache erhöht hat.“ (S. 40)
„600-mal wahrscheinlicher“ in der methanreichsten Permafrostregion der Erde ist ohne Frage Grund genug, die CO2-Emissionen bis auf die Knochen zu reduzieren.
Mehrere Herausforderungen des Klimawandels spiegeln auf gefährliche Weise die Fragilität unseres Ernährungssystems und einen ausgeprägten Mangel an Anpassungsstrategien wider sowie die Tatsache, dass sich natürliche Systeme und Ökosysteme „am Rande der Belastbarkeit“ befinden. Allerorts mangelt es an sozialer Sicherheit und sozialem Zusammenhalt und ein übermäßig belastetes und kaputtes Klimasystem kann in der Konsequenz zu einem gesellschaftlichen Kollaps führen.
Kaskaden werden vermutlich zu einem Zusammenbruch von Regierungen aufgrund begrenzter Nahrungsmittelversorgung und mangelnden Einkommens führen, was zu immer gewalttätigeren Extremistengruppen, paramilitärischen Interventionen, organisierter Gewalt und Konflikten zwischen Menschen und Staaten führen wird. Das alles hat bereits begonnen.
Schon jetzt ist der Migrationsdruck eine der Hauptursachen für klimabedingte Zusammenbrüche in der Gesellschaft. Im Zeitraum 2008-20 wurden jedes Jahr durchschnittlich 21,8 Millionen Menschen durch wetterbedingte Katastrophen wie extreme Hitze, Überschwemmungen, Stürme und Waldbrände vertrieben. Im letzten Jahr wurden weltweit 30 Millionen Menschen in 143 Ländern durch solche Klimakatastrophen vertrieben.
Zweifellos werden die Augen der Welt auf die COP26 gerichtet sein, um die Verpflichtungen der Regierungen zu beurteilen.
Für Versäumnisse bleibt keine Zeit mehr, denn Versäumnisse ziehen noch schlimmere Versäumnisse nach sich.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Renée Krug vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!