Die Verfassungskommission des spanischen Kongresses hat beschlossen, alle von Diktator Francisco Franco verliehenen Orden zu kassieren, auch den von Jorge Rafael Videla, der in Argentinien wegen etlicher Menschheitsverbrechen verurteilt wurde. Der Real Orden de Isabel la Católica wird für Verdienste um Kunst und Wissenschaft in Spanien verliehen. Der spanische Diktator hatte sich außerdem 30 Jahre lang das Recht eingeräumt, Adelstitel zu vergeben. Nach eigenen Aussagen kann nicht einmal die Regierung genaue Angaben darüber machen, wie viele Ehrungen und Adelstitel Franco in seiner Regierungszeit vergeben hatte.
Deutliche Mehrheit stimmt für neue Erinnerungspolitik
Nach einer erneuten ausführlichen Debatte über den Franquismus wurde mit großer Mehrheit beschlossen, die Regierung zur Rücknahme der Auszeichnungen aufzufordern. Der jüngste von der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) eingereichte Gesetzentwurf der Ley de Memoria Democrática (Gesetz des Demokratischen Gedenkens) wurde mit 21 Ja-Stimmen, acht Enthaltungen und sechs Gegenstimmen angenommen. Die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), Unidas Podemos, Ciudadanos und das baskische Wahlbündnis Bildu hatten die Initiative unterstützt, während die Rechte gespalten reagierte. Die Mehrheit des Partido Popular (PP) entschied sich für Stimmenthaltung, mit Ausnahme von Adolfo Suárez Illana, Sohn von Ex-Präsident Adolfo Suárez González (1976 bis 1981). Mit der Begründung, der Gesetzesentwurf verstoße gegen die Vergebens- und Vergessenspolitik seines Vaters, hatte er zusammen mit den rechtsextremen Vox-Abgeordneten gegen die Aberkennung der Ehrenauszeichnungen gestimmt. Entsprechend dem Mehrheitsbeschluss sollen nun aber alle von Franco während des Bürgerkriegs und der Diktatur verliehenen Ehrungen zurückgenommen werden. Außer Videla sind noch weitere Vertreter totalitärer Regime betroffen, darunter General Gregorio Conrado Álvarez Armelino, der sich 1981 in Uruguay an die Macht geputscht hatte, der von Ex-König Juan Carlos I hochgeschätzte Diktator Teodoro Obiang aus Äquatorialguinea sowie weitere politische Größen, die aufgrund von Menschheitsverbrechen verurteilt wurden oder für ihre antidemokratischen Handlungen bekannt sind.
Was verspricht die Ley de Memoria Democrática?
Die Umbettung der sterblichen Überreste Francisco Francos Ende 2019 war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer neuen Erinnerungspolitik. Nun wurde vorgeschlagen, das Tal der Gefallenen, Francos vorletzte Ruhestätte, in einen Ort der Erinnerung zu verwandeln. Die vom derzeitigen spanischen Ministerpräsident Pedro Sánchez forcierte Ley de Memoria Democrática zielt darauf ab, die Verherrlichung des Franquismus zu beenden und Sanktionen für Verstöße einzuführen, die Wissensvermittlung in den Schulen zum Thema Diktatur zu ändern und neue Feiertage zu etablieren. Stiftungen und Vereinigungen, die den Franquismus entschuldigen, sollen abgeschafft werden, ferner ist eine Sonderstaatsanwaltschaft für demokratische Erinnerung und Menschenrechte geplant, die die Koordinierung der Wiedergutmachung übernehmen soll. Während der Diktatur durchgeführte Eilverfahren sollen annulliert werden; Entschädigungen sind hingegen nicht vorgesehen. Außerdem ist im Gespräch, eine Untersuchung von Unternehmen vorzunehmen, die von Zwangsarbeit profitiert haben. Der spanische Staat soll die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen garantieren und in diesem Zusammenhang auch die Exhumierung und Identifizierung der sterblichen Überreste potentieller Opfer der Diktatur übernehmen. Die Ergebnisse der DNA-Analysen sollen in eine Datenbank eingepflegt werden. Vergleichbare Pläne scheiterten bisher immer am nicht veränderbaren Amnestiegesetz von 1977.