Das diesjährige Gedenken an den 11. September eröffnet die Möglichkeit einer neuen Analyse dessen, was bei der US-Strategie in Afghanistan schief gelaufen ist. Anfang August ordnete Präsident Biden den Abzug der US-Truppen an und verhandelte mit den Taliban über sicheres Geleit für US- und afghanische Zivilisten, die für die USA arbeiteten. In nur wenigen Wochen übernahmen die Taliban eine Stadt nach der anderen und überwältigten die afghanischen Regierungstruppen in überraschend kurzer Zeit.
Nach 20 Jahren US-Besatzung, 2,26 Billionen Dollar, Hunderttausenden von Toten und Millionen von Vertriebenen steht Afghanistan nun wieder am Anfang – mit den Taliban an der Macht. Wir können nur hoffen, dass dies eine lehrreiche Erfahrung war, etwas, das sich nie wiederholen wird.
In Wahrheit war der Plan von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das Hauptmotiv der USA für den Einsatz in Afghanistan, das in George W. Bushs Rede zum „Krieg gegen den Terror“ vor dem Kongress im September 2001 eindrucksvoll zum Ausdruck kam, war Rache. „Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al-Qaida, aber er endet nicht dort“, sagte er damals. „Er wird nicht enden, bis jede terroristische Gruppe von globaler Reichweite gefunden, gestoppt und besiegt worden ist.“
Rache kann unter keinen Umständen als Grundlage für die Lösung eines Problems oder Konflikts dienen. Rache ist eine zwanghafte, irrationale und zerstörerische Reaktion. Keine Aktion, die durch Vergeltung motiviert ist, endet gut, und Afghanistan ist ein tragisches Beispiel dafür. Rache ist eine Falle, die in einem Prozess zunehmender Isolation eine Tür nach der anderen schließt.
Die Reaktion der USA auf den 11. September war vielleicht ihr größter Fehler in diesem Jahrhundert. Die Voraussetzungen für die Konsolidierung des US-Imperiums, die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit waren gegeben. Eine Mehrheit der Länder hätte sich an einem visionären globalen Projekt beteiligt und dazu beigetragen, wenn es intelligent präsentiert worden wäre, ähnlich wie beim Aufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch leider wurde stattdessen eine zwanghafte, gewalttätige und egozentrische Antwort gegeben, und von da an wurde alles zunichte gemacht.
Es waren wirklich traurige 20 Jahre für unsere arme Menschheit. Die Welt muss sich jetzt in eine ganz andere Richtung bewegen, wenn wir diesen großen Fehler in Zukunft nicht wiederholen wollen.