Wie Pressenza-Leser wissen, fanden in Israel vor Kurzem Wahlen statt. Pressenza freut sich, ein Podcast-Interview zu veröffentlichen, das für die Middle East Treaty Organization (METO) geführt wurde. Sharon Dolev ist die israelische Geschäftsführerin der METO.
Paul Ingram unterhält sich mit Sharon über die jüngsten israelischen Wahlen, bei denen Benjamin Netanjahu schließlich von der Macht verdrängt wurde, über die Aussichten für die neue Regierung, über die Möglichkeit, dass Israel den Besitz von Atomwaffen anerkennt und mit Staaten der Region zusammenarbeitet, um eine massenvernichtungswaffenfreie Zone einzurichten, und darüber, was Menschen außerhalb der Region tun können, um zu helfen.
To Eradicate Weapons of Mass Destruction from the Middle East
In episode 13 of In The Zone, Paul Ingram interviews our very own Sharon Dolev. In this interview, Sharon talks about the recent Israeli elections in which Benjamin Netanyahu was finally ousted from power, the prospects for the new government, the possibility of moving towards Israel recognising its possession of nuclear weapons and engaging with states of the region to establish a WMD-free zone, and what people outside the region can do to help.
Hier folgt die deutsche Übersetzung des Transkripts:
Paul Ingram
Wir haben gerade Wahlen in zwei der wichtigsten Staaten des Nahen Ostens hinter uns: Israel und Iran. In dieser zweiten von zwei Sondersendungen von In The Zone spreche ich mit Sharon Dolev über Israel. Sharon ist Gründerin und Geschäftsführerin von METO, die sich seit langem mutig für den Frieden in Israel einsetzt. Sie ist stolz darauf, Israeli zu sein, und engagiert sich auch leidenschaftlich für Veränderungen im Lande. Sie hat in politischen Parteien und anderen Organisationen in Israel gearbeitet und die israelische Abrüstungsbewegung gegründet und geleitet. Mit etwas Unterstützung von mir träumte sie 2016 die unmögliche Idee der Middle East Treaty Organization, nachdem sie runde Tische in Tel Aviv veranstaltet hatte, und setzt sie nun in die Tat um. Sie ist auch eine enge Freundin. Wir werden jetzt über die Hintergründe der israelischen Wahl sprechen, aber vor allem über die Auswirkungen dieser Wahl auf den regionalen Frieden und die Sicherheit sowie die Aussichten für die Zone. Also, Sharon, denken Sie über die Wahl nach…
Sharon Dolev
Hallo, Paul.
Paul Ingram
Sharon, wenn du über diese Wahl nachdenkst, war das eine Anti-Netanjahu-Welle, wie die Medien sie offenbar interpretiert haben? Ging es um diese eine Persönlichkeit, und wenn ja, was sagt das über den künftigen Zusammenhalt dieser neuen Regierung aus?
Sharon Dolev
Nun, das ist eine sehr komplexe Frage, aber bevor ich etwas dazu sage. Zunächst einmal finde ich die Vorstellung sehr gut. Es war eine sehr großzügige Einleitung, aber es gab ein Wort, das mir ins Auge gesprungen ist, und davon ausgehend werde ich zur Beantwortung der Frage übergehen, und das war „stolz, Israeli zu sein“. Ich bin keine stolze Israeli. Und der Grund dafür, dass ich keine stolze Israeli bin, ist, dass ich nicht glaube, dass es irgendetwas gibt, worauf man stolz sein kann, nicht weil Israel sich auf diese oder jene Weise verhält. Ich bin eine Israeli, weil ich in Israel geboren bin, und ein Staat ist nichts, worauf man stolz sein sollte oder nicht. Ein Staat sollte die Institution sein, der ich das nötige Geld gebe, damit mein Leben so reibungslos wie möglich abläuft. Und wenn ich das richtig verstehe – ich komme auf deine Frage zurück – dann hat Netanjahu es falsch gemacht. Er hat das Gegenteil getan. Wie die meisten Staatsoberhäupter im Nahen Osten und die überwiegende Mehrheit der Staatsoberhäupter in der ganzen Welt arbeiten die Staatsoberhäupter nicht zum Wohle der Menschen in ihrem Land. Und wenn man sich mit Sicherheitsfragen befasst, sieht man in der Regel eine große Kluft zwischen der Sicherheit für die Person und der Sicherheit des Staates. Und bei Netanjahu wurde der Staat zu ihm. Er war der Beschützer Israels, der Beschützer des jüdischen Volkes. Und das bedeutete im Grunde, dass er vor den Vereinten Nationen pompöse Reden über den Iran hielt und nicht viel mehr als das. Abgesehen davon war Netanjahu bereit, die Struktur Israels zu zerstören, solange er im Amt blieb. Und das ist es, was die Anti-Netanjahu-Bewegung hervorgebracht hat. Es war keine Bewegung gegen eine Person, es war, glaube ich, eine Bewegung der Israel-Befürworter: Lasst uns etwas von dem bewahren, woran wir glauben, auf dem wir gewachsen sind. Und das ist der Grund, warum diese Regierung möglich geworden ist. Wenn es nur Anti-Netanjahu war, und das ist es, was die meisten Leute sehen, ich meine, die große Mehrheit der Gespräche in Israel ist so: „Es war gegen Netanjahu“. Aber ich glaube nicht, dass nur Anti-Netanjahu diese Regierung hätte zum Funktionieren bringen, oder zumindest zu Beginn zum Funktionieren bewegen können. Ich denke, es war wirklich eine Vision für die Zeit nach Netanjahu: Er hat genug Schaden angerichtet, so dass wir jetzt etwas tun müssen, um das zu retten, was noch übrig ist: das, was vom Justizsystem übrig ist, das, was von der Polizei übrig ist, das, was vom Gesundheitssystem übrig ist, aber auch das, was vom Glauben der Menschen an dieses Land übrig ist.
Paul Ingram
Netanjahu hat sich also, wie du sagst, mit dem Staat verbündet und dadurch den Staat auf viele verschiedene Arten geschadet. Man wirft ihm alle möglichen Arten von Korruption vor. Glaubst du, dass er jetzt gerichtlich belangt werden wird, und was denkst du, welche politischen Konsequenzen es haben wird, Netanjahu an diesem Punkt zu verfolgen?
Sharon Dolev
Nun, da ich so starke Gefühle für Netanjahu hege, würde ich ihn natürlich gerne vor Gericht sehen. Leider wird er wegen Dingen vor Gericht gestellt, die mir weniger am Herzen liegen. Aber es gab Korruption im großen Stil, und ihn nicht vor Gericht zu sehen, bedeutet, dass es in Ordnung ist, sich so korrupt zu verhalten. Die meisten Menschen stört das weniger, weil die Korruption anscheinend nur harmlos war, das meiste jedenfalls. Ich spreche nicht von den U-Booten, denn die U-Boote berührten die grundlegende Frage der Sicherheit, aber aus irgendeinem Grund wird er deswegen nicht vor Gericht gehen. Das ist sehr merkwürdig. Er geht vor Gericht, weil er Gefälligkeiten für eine bessere Berichterstattung in den Nachrichten gewährt hat, weil er Geschenke erhalten hat, die ihn wie einen Adeligen aussehen ließen, ihr wisst schon, Zigarren und Champagner, Dinge, die ihn wie König Bibi aussehen ließen. Und die meisten Menschen in Israel mögen es, dass sie einen König haben, also geht er wegen etwas vor Gericht, das die meisten Menschen für sehr harmlos und nicht so wichtig halten. Es ist zwar wichtig, dass er dort hingeht, aber die meisten Netanjahu-Anhänger glauben, dass sich das System gegen Netanjahu wendet, und deshalb wird sich ihr Zorn auf das System richten. Es besteht auch eine gute Chance, dass der neue Präsident ihn begnadigt, bevor er vor Gericht kommt. Ich würde ihn also gerne vor Gericht sehen, und ich würde ihn gerne im Gefängnis sehen, aber nur, weil ich ihn für einen Kriminellen halte, nicht wegen dieser Dinge. Ich möchte, dass er ins Gefängnis geht für das, was er der Gesellschaft angetan hat: für den Hass, für das Misstrauen, für die Art und Weise, wie er uns gespalten hat. Ich meine, 1996 begann er damit, dass er sagte, die Linken hätten vergessen, was es heißt, Jude zu sein, und plötzlich ist man kein legitimer Israeli mehr, wenn man nicht mit ihm übereinstimmt. Das ist es, was er mit der Gesellschaft gemacht hat.
Paul Ingram
Okay, danke. Ich denke, es ist wirklich klar, und ich bin sicher, dass viele Amerikaner, die uns zuhören, sich darin wiederfinden werden. Wie Trump hat auch Netanjahu die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das Thema auf sich selbst gelenkt. Ich denke, ich habe das getan, indem ich dir diese Fragen gestellt habe. Was ich jetzt tun möchte, ist, einen Schlussstrich hinter diesen Mann zu ziehen, ihn in die Kiste zu stecken, wo er hingehört, sei es ins Gefängnis oder sonst wohin, und mich jetzt auf diese neue Regierung zu konzentrieren. Was sind deine Hoffnungen und Befürchtungen in Bezug auf diese neue Regierung, Sharon, insbesondere in Bezug auf die Regional- und Außenpolitik? Ich meine, wird sie trotz ihrer Vielfalt kohärent sein oder ist ihre Vielfalt Teil ihrer Stärke?
Sharon Dolev
Beides, wie immer. Wenn es also um Sicherheitsfragen geht, ist diese Regierung so gespalten wie möglich. Aber wir werden es bei eher lokalen Themen sehen, vor allem, wenn es um die Palästinenser geht. Leider glaube ich nicht, dass wir in regionalen Fragen einen großen Unterschied sehen werden. Und wenn es um das Iran-Abkommen, das JCPOA, oder um die Teilnahme Israels an internationalen Foren, das Abkommen über Massenvernichtungswaffen geht, werden wir meiner Meinung nach keinen großen Unterschied sehen. Das liegt vor allem daran, dass sie nicht darüber diskutieren und nicht wissen, wie man darüber diskutiert, und dass sie die meisten Diskussionen darüber nicht mitbekommen haben. Wenn es sie gäbe, und es tut mir leid, Netanjahu wieder ins Spiel zu bringen, aber eine Sache, die man hätte sehen können, ist, dass selbst die Reporter:innen, die ihm nie etwas geglaubt haben, die nichts geglaubt haben, was aus seinem Mund kam, wenn es um den Iran ging, ihn einfach kritiklos zitiert haben, ohne Fragen zu stellen, und manchmal sogar diejenigen, die jetzt in der neuen Regierung sind, diejenigen, die in der Opposition waren, meine Freund:innen in den linken Parteien, als es um den Iran ging, zitierten sie ihn, weil sie nicht Bescheid wussten, weil die Reporter:innen hier nicht wussten, welche Fragen sie stellen sollten, und es gab nicht genug Mut unter denen, die Bescheid wussten, sich rechtzeitig zu äußern, als der erste Iran-Deal diskutiert wurde, und jetzt bereuen sie es.
Paul Ingram
Das ist wirklich wichtig, und ich möchte, dass wir uns ein wenig mehr damit befassen, denn ich denke, hier liegt der Schlüssel zu der Frage, die viele Menschen beschäftigt, die sich mit den Herausforderungen des Nahen Ostens und dem Verhältnis Israels zu ihnen befassen. Der Schlüssel dazu ist, dass Israel eine Demokratie ist, dass Israel freie Medien hat, und dass die Bildung der Menschen, die Bildung der Journalist:innen, die Diskussionen, die für eine lebendige und gesunde Demokratie notwendig wären, einfach nicht vorhanden sind. Meine Frage ist also: Wenn es sie nicht gibt, was sind dann die Schlüssel, um diese Herausforderung im heutigen Israel zu bewältigen?
Sharon Dolev
Es gibt also eine große Diskussion darüber, was eine Demokratie ist. Ich stimme dir zu, dass es in Israel demokratische Verfahren gibt, aber wir hatten nie ein demokratisches Verhalten oder eine demokratische Erziehung. Wir haben nicht gelernt, was Demokratie bedeutet, abgesehen von den Verfahren. Wir haben also die Verfahren, aber wenn man sich die Ambiguität ansieht, ist das eines der besten Beispiele…
Paul Ingram
Die Ambiguität Atomwaffen zu besitzen.
Sharon Dolev
Ja, die neue nukleare Ambiguität, weil uns niemand gesagt hat, dass wir es nicht dürfen. Wir wussten es irgendwie selbst, es gibt keine Gesetzgebung, es gibt keine Vorschrift darüber, und trotzdem denken wir, dass es nicht legal ist, darüber zu sprechen. Es ging immer nur um die Frage, ob Israel Atomwaffen besitzt oder nicht, und irgendwie haben wir es geschafft, keine der damit zusammenhängenden Fragen zu diskutieren, nicht den Abfall, nicht die Energie, nichts. Wenn wir ein demokratischer Staat sind, wie kommt es dann, dass keine der grünen Organisationen jemals etwas gegen die mögliche Umweltverschmutzung in der Stadt Dimona in der Nähe des Reaktors unternommen hat? Es gab nie eine demokratische Diskussion, wenn es um Sicherheit im Allgemeinen ging, und schon gar nicht, wenn es um Atomfragen ging.
Paul Ingram
Das liegt daran, dass, um den Nagel auf den Kopf zu treffen, fast alle akzeptieren, dass Israel von Feind:innen umgeben ist und eine gewisse Fähigkeit braucht, um auf seine Nachbarn zu reagieren, um Frieden und Sicherheit zu schaffen, wobei die Betonung auf Sicherheit liegt. Ist das richtig?
Sharon Dolev
Ja, ich meine, darüber lässt sich nicht streiten. Wir sind von Feind:innen umgeben, und ob sie unsere Feind:innen hätten bleiben sollen oder ob wir etwas dagegen hätten tun können, ist eine ganz andere Frage, aber wir sind von ihnen umgeben. Selbst die Staaten, die mit uns Friedensabkommen geschlossen haben, haben sich nicht normalisiert, wir fühlen uns nicht sicher, und wir haben eine bekannte Geschichte. Das ist also ein Teil des Problems. Aber das ist nicht der Grund für die Geheimhaltung. Die Geheimhaltung und die Möglichkeit, Dinge nicht zu besprechen, sind darauf zurückzuführen, dass wir keine demokratische Gesellschaft haben, die fragt, warum das ein Geheimnis ist und wie es uns schützt. Denn wenn man sich das Geheimnis ansieht, weiß niemand sonst, dass es das Geheimnis ist. Als ich zu meinem ersten Treffen zum Atomwaffensperrvertrag bei der UNO ging, war ich schockiert, und, weißt du, ich bin eine Linke, ich weiß, wie die Welt funktioniert, und trotzdem war ich schockiert. Alle Staaten sprachen über unsere Atomwaffen. Alle! Und keiner von ihnen sagte „angeblich“ oder „laut ausländischen Quellen“. Sie sprachen einfach über unsere Atomwaffen, als ob es eine Realität wäre. Wie unhöflich von ihnen! Und nur in Israel sprechen wir nicht darüber. Vor wem halten sie das also geheim? Sie bewahren die Geheimnisse vor den grünen Organisationen, vor den Menschenrechtsorganisationen und vor den Friedensorganisationen, und vor einem internen Diskurs, denn dort sind sie geschützt.
Paul Ingram
Und die Geheimniskrämerei scheint ein Symbol der Zerbrechlichkeit und Schwäche zu sein, denn wenn sie selbstsicher wären, dann gäbe es kein Problem, eine öffentliche Debatte zu führen, denn die öffentliche Debatte würde auf der überwältigenden Unterstützung der Israelis für eine unabhängige nukleare Abschreckung beruhen. Ist das richtig?
Sharon Dolev
Wahrscheinlich wird die große Mehrheit der Israelis die Tatsache unterstützen, dass wir Atomwaffen haben. Und dennoch ist dies im Moment etwas, in das sie Geld stecken oder herausnehmen können, und sie können sich um den Abfall kümmern oder nicht kümmern, den sie ohne jegliche Aufsicht um den Reaktor herum verteilen. Israel nimmt am internationalen Diskurs teil und droht dem Iran sogar mit Atomwaffen. Ich meine, wenn Netanjahu vor dem Reaktor steht und eine Rede hält und sagt: „Wenn der Iran dies tun wird…“ Das ist der Führer eines nuklear bewaffneten Staates, der mit seinen Waffen hinter ihm steht und dem Iran droht, und niemand in Israel merkt, dass unser Premierminister einfach… denn wenn es nicht im Diskurs steht, denken die Leute nicht so. Es gibt also einen ganzen Diskurs, der über unseren Kopf hinweg geführt wird. Israel macht mit, aber nicht die Israelis. Und mit „nicht Israelis“ sind auch die Mitglieder des Parlaments gemeint, und die Minister, und diejenigen, die sich eigentlich ein bisschen mehr in diesen Diskurs einbringen sollten.
Paul Ingram
Glaubst du, dass diese Wahl, ihre Ergebnisse und die Bewegung und die Führung die Möglichkeit haben, diese Tabus, von denen wir reden, anzusprechen? Gibt es einen Funken Hoffnung, dass die israelische Regierung irgendwann in der Zukunft die Hand hebt und sagt: „Ja, wir haben Atomwaffen. Wir befinden uns in einem Umfeld, in dem wir das Bedürfnis haben, Atomwaffen zu besitzen, aber wir wollen die Hand ausstrecken und einen Dialog führen, eine Diskussion führen und an der weltweiten Diskussion über nukleare Abrüstung teilnehmen“?
Sharon Dolev
Ich habe also eine Antwort, und sie ist traurig und großspurig zugleich. Nein, ich glaube nicht, dass sie das tun werden. Ich glaube jedoch, dass dies die Aufgabe der israelischen Abrüstungsbewegung ist, oder der Überreste der israelischen Abrüstungsbewegung oder METO in Israel. Weißt du, es gibt keine legale Bewegung in Israel, aber es gibt einige Leute wie mich. Es ist unsere Aufgabe, wir müssen jetzt zu dieser neuen Regierung gehen, um unseren Weg zu dieser neuen Regierung zu finden und versuchen, den Diskurs irgendwie zu erzwingen oder sie zum Diskurs einzuladen, ihnen die Informationen zu geben, die fehlten, und ihnen zu erlauben, mit denen zu sprechen, die normalerweise nicht mit ihnen sprechen, und Fragen zu stellen, und das mag ein bisschen maternalistisch klingen, ihnen den Raum zu geben, eine Frage zu stellen, die sie sich vielleicht nicht zu stellen trauen, weil es so wenig Diskurs gab. Ich glaube, dass es dort viel Unwissenheit gibt, und ich glaube, dass das gefährlich ist.
Paul Ingram
Wenn es also eine Veränderung durch die neue Regierung gibt, dann ist es möglicherweise eine kleine Bewegung weg von der bloßen Opposition und dem Protest hin zu einem informierteren Gespräch, aber das würde, so nehme ich an, auch ein größeres Maß an öffentlicher Bildung und Information erfordern. Ich nehme an, dass ich darauf hinaus will, dass du, Sharon, ein wenig von deinen Aktionsplänen für die kommenden Monate und Jahre vorstellst.
Sharon Dolev
Also, von Jahren zu sprechen, wenn es um eine israelische Regierung geht, ist sehr optimistisch. Aber wenn wir von den kommenden Monaten sprechen, dann stehen wir, wie du weißt, kurz vor der Fertigstellung eines neuen Entwurfs. Und das ist ein sehr guter Grund, mit israelischen Reportern zu sprechen.
Paul Ingram
Darf ich mich hier kurz einmischen, nur um das klarzustellen. Es handelt sich um einen neuen Vertragsentwurf, an dem die Middle East Treaty Organization in den letzten Jahren gearbeitet hat.
Sharon Dolev
Das könnte uns einen guten Grund geben, und die bevorstehende Konferenz im November und der bevorstehende Nichtverbreitungsvertrag könnten uns einen guten Grund geben, mit den Reporter:innen in Israel zu sprechen, sie zu informieren, damit sie wissen, wie sie auf eine etwas andere Weise darüber berichten können. Jetzt, wo sie Netanjahu nicht mehr zitieren können, wird Netanjahu als Oppositionsführer weiter darüber sprechen. Aber jetzt haben sie andere Leute, die sie zitieren können, und jetzt können sie andere Fragen stellen, aber diejenigen, die sie zitieren sollten, sollten auch die Informationen bekommen, die sie unserer Meinung nach brauchen. Doch das ist in Israel nicht einfach. Über diese Dinge zu sprechen, sieht für die meisten Israelis immer noch schlecht aus. Wir werden also versuchen, in den kommenden Monaten so viele Abgeordnete wie möglich zu treffen. Wir werden versuchen, einige der Minister zu treffen und hoffen, dass sie zumindest neugierig genug sind und sich sicher genug fühlen, um weitere Fragen zu stellen. Und sie müssen nicht nur uns fragen, wir sollten ihnen zeigen, dass es auch andere in der Arena gibt, andere Denkfabriken, die das Gegenteil von uns denken, aber lasst uns ein Gespräch führen.
Paul Ingram
Richtig, ja. Und was können Menschen außerhalb Israels tun, um den Friedensprozess innerhalb Israels zu unterstützen, den du beschrieben hast? Ich meine, das erinnert mich an den Runden Tisch, zu dem du mich 2016 nach Tel Aviv eingeladen hast, um ihn gemeinsam mit dir zu veranstalten. Nein, eigentlich war es davor. Und du sagtest damals, dass israelische Beamt:innen, Denkfabriken und andere dich und andere, die wie du denken, plötzlich ernster nahmen, weil Ausländer:innen im Raum waren. Gibt es etwas, das Menschen von außerhalb heute tun können, um dich in diesem Prozess zu unterstützen?
Sharon Dolev
Nun, es ist nicht nur so, dass jede:r, der nach Israel kommt und der Ausländer:in im Raum ist, diese Reaktion hervorrufen kann. Und es geht nicht nur darum, dass sie mich plötzlich ernst genommen haben, ich weiß nicht, ob sie mich ernst genommen haben, aber zumindest haben sie sich engagiert. Und der Grund dafür war, dass es sich plötzlich um ein internationales Treffen handelte. Ich will dich nicht herabsetzen, Paul, aber mit dem damaligen Leiter von BASIC, mit Paul Ingram, und sie kannten dich bereits, einige von ihnen, so dass es einen großen Unterschied machte, eine Einladung von jemandem zu bekommen, den sie bereits kannten und mit dem sie bereits gesprochen haben, und das in Tel Aviv zu tun. Und wenn Menschen helfen und etwas tun wollen, gibt es zwei wichtige Dinge. Zuallererst sollten sie mit gutem Beispiel vorangehen. Die Staaten, die Israel abrüsten wollen und noch Atomwaffen besitzen, sollten dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und ihre Atomwaffen loswerden. Diejenigen, die keine Atomwaffen besitzen und helfen wollen, nun, jahrelang basierte die Kampagne in Israel auf sehr, sehr begrenzten Mitteln und Freiwilligen, die die meisten Aktivitäten in Israel selbst finanzierten. Wenn wir jetzt eine Regierung haben, mit der wir wirklich reden können, dann ist es jetzt an der Zeit, eine echte Kampagne in Israel zu starten, und eine echte Kampagne braucht, wie ich leider sagen muss, Geldmittel und nicht nur Hingabe. Und wir brauchen sie. Einige Leute können uns einladen oder nach Tel-Aviv kommen, wenn sie können, und wenn sie bereits in der Arena sind und eine Organisation hinter sich haben, etwas, das es uns ermöglicht, Menschen zusammenzubringen, können sie das auch gerne tun.
Paul Ingram
Und die Regierungen der Nachbarländer, was könnten sie jetzt tun, um die Chancen für eine konstruktive Beziehung zu Israel zu verbessern und die Hindernisse zu überwinden? Denn seien wir ehrlich, es ist nicht nur Israel, das sich in diesem Bereich bewegen muss.
Sharon Dolev
Nun, der Rest der Staaten im Nahen Osten, egal woher sie kommen und warum sie kommen, sitzen jetzt in einem Raum bei den Vereinten Nationen. Das haben sie im November 2019 getan, kurz bevor COVID uns alle getroffen hat, und das werden sie auch im November tun. Und die Staaten in der Region sollen einen Text vorlegen, auf den sie sich alle einigen können, über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen Osten. Einerseits tun sie also genau das, was wir von ihnen erwarten. Das Problem ist, dass Israel nicht dabei ist. Der Rest der Staaten muss sich entscheiden: Gehen sie voran oder warten sie auf Israel? Und wenn sie vorankommen wollen, wie wollen sie das tun? Wenn sie einen Text vorlegen, der es Israel ermöglicht, am Ende beizutreten, dann ist das das Verantwortungsvollste, was sie tun können – sie müssen voranschreiten und es so tun, dass Israel sich bewegen kann. Zu verstehen, dass Israel im Moment vielleicht nicht teilnehmen kann. Die Menschen verstehen nicht genug, um zu den Menschen im Staat und in Israel zurückkehren zu können. Wenn ein Premierminister jetzt zum Beispiel ankündigt, dass er darüber sprechen wird, werden die Menschen ziemlich schockiert sein, sie werden es nicht verstehen. Israel braucht vielleicht etwas Zeit, aber das bedeutet nicht, dass es keine Arbeit gibt, die getan werden kann, einen Text, der geschrieben werden kann, der es uns erlaubt, das zu tun, was wir können, und die anderen Staaten, wenn sie mit Israel sprechen, alles tun, was sie können, um sicherzustellen, dass Israel beitreten kann.
Paul Ingram
Sharon, ich danke dir vielmals für dieses Interview. Es hat bei mir ein sehr positives Gefühl hinterlassen, wie immer, wenn ich mit dir gesprochen habe. Ich möchte dir auch dafür danken, dass du die Nahost-Vertragsorganisation ins Leben gerufen haben, und für die Energie, die du in sie gesteckt hast, aber vor allem möchte ich dir dafür danken, dass du innerhalb Israels so hart arbeitest, denn das ist ein sehr schwieriger Ort, um zu arbeiten. Damit möchte ich schließen.
Mein üblicher Schlusspunkt ist, euch zu ermutigen, euch zu engagieren. Ihr findet uns online unter http://www.wmd-free.me/, dort könnt ihr euch für unseren Newsletter anmelden, Geld spenden, freiwillig mit uns zusammenarbeiten. Wir sind auch in den sozialen Medien vertreten, auf Twitter @WMDfreeME, und ebenso auf Facebook und Instagram. Und ihr findet uns auf Soundcloud, Spotify und YouTube. Ich hoffe, das hat euch genauso viel Spaß gemacht wie mir, und wir sehen und hören uns bei einem zukünftigen Podcast wieder. Cheers! Das wars für heute.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!