Rainer Stadler für die Online-Zeitung INFOsperber
Der Lokaljournalismus steckt weltweit in wirtschaftlichen Engpässen. Entsprechend sorgen sich zahlreiche Politiker um diese Plattformen, die ihnen einen wichtigen Zugang zum Publikum verschaffen. In der Schweiz will nun das Parlament den darbenden Informationsvermittlern mit einem Hilfspaket zu Hilfe eilen. Doch es sind nicht nur Politiker, die ihre Aufmerksamkeit auf den Journalismus richten. Auch private Akteure haben dieses Feld entdeckt.
Etwa Facebook. Das von allen Seiten kritisierte Netzwerk verspricht sich hier kaum Renditechancen. Allerdings könnte die Bereitstellung von aktuellen Informationen über lokale Ereignisse dazu nützlich sein, die Facebook-Nutzer verstärkt einzubinden. Überdies entlastet ein solches Engagement den US-Netzwerkbetreiber vom verbreiteten Vorwurf, die Geschäftsgrundlage der herkömmlichen Journalismus-Anbieter zu vernichten.
Journalisten als Unternehmer
In diesem Sinn verkündete Facebook im April die Gründung der Plattform Bulletin, für die man fünf Millionen Dollar investieren will. Hier können Journalisten in Eigenregie ein Publikum aufbauen, und zwar mit Informationen, die sich über ein Facebook-Konto oder eine E-Mail abonnieren lassen – der Newsletter als digitale Alternative zur Zeitung. Vor drei Tagen veröffentlichte Bulletin die Namen von 25 Journalisten, die von Facebook zusammen mit Ausbildungsinstitutionen ausgewählt wurden. Diese Journalisten bearbeiten mit unterschiedlicher Ausrichtung kleine Kommunikationsräume in den USA: Andrea Bruce etwa richtet sich an die 12000-köpfige Gemeinde Pamlico County (North Carolina), Charlene Rhinehart an einen Stadtteil von Chicago und Clyde Hughes an die schwarzen und lateinamerikanischen Gemeinschaften von South Jersey. Für geschäftliche und publizistische Fragen stehen ihnen Experten zur Verfügung – unternehmerische Journalisten sollen hier heranwachsen. Bis im Herbst soll das Personal auf 100 Journalisten anwachsen.
Was hier auf dem US-Markt noch in kleinem Rahmen erprobt wird, könnte dereinst darüber hinaus ausstrahlen. Newsletter sind derzeit im Trend. Die herkömmlichen Verlage haben sie als Mittel entdeckt, um auf den digitalen Märkten Kunden zu gewinnen und sie zu behalten. Einige Anbieter sind dabei so erfolgreich, dass sie für den Versand Geld verlangen können.
Einige verdienen gut
Neue Aussichten geschaffen hat auch der 2017 gegründete Newsletter-Dienst Substack, der bereits prominente Journalisten gewinnen konnte, unter ihnen Glenn Greenwald – er wurde 2013 durch die Zusammenarbeit mit Edward Snowden weiterherum bekannt. Die erfolgreichsten Newsletter-Journalisten von Substack verzeichnen monatliche Einnahmen von mehreren zehntausend Franken. Um das Geschäft anzutreiben, hat Substack einige publizistische Zugpferde unter Vertrag genommen. Das Unternehmen will ebenfalls in den Lokaljournalismus investieren. Wirtschaftliches Potenzial im Newsletter-Journalismus erkannten im Weiteren das von «Politico»-Veteranen gegründete US-Medienhaus Axios wie auch die Plattform Twitter, welche den Newsletter-Dienst Revue erwarb. Lokaljournalismus ist nicht tot – er wird künftig vielleicht ganz anders ausschauen, als man das bisher gewohnt war. Und vielleicht werden ganz andere Akteure das Geschäft prägen. Etwa grenzüberschreitende Techno-Plattformen.