Seit dem Parteitag der Öffnung 1978 sahen viele wirtschaftswissenschaftlich Unkundige die Volksrepublik China zum Kapitalismus abdriften. Selbst linke Ökonomen und Akademiker. Sie glaubten vorschnell in China einen Staatskapitalismus zu erkennen (s. OXI/Neues Deutschland 10/ 2019).
Ihre Meinung machten sie daran fest, dass ausländische kapitalistische Großkonzerne in China tätig sein können, sowie im Kapitalismus übliche Wirtschaftselemente, wie Börsen in China zugelassen sind. Die Regierung und die kommunistische Partei Chinas gestatteten Börsengeschäfte im Inland sowie die Teilnahme chinesischer Unternehmen an ausländischen Börsenplätzen. Sie haben wohl die grundsätzlichen Wirtschaftsstrukturen ungenügend verinnerlicht. Die Vorteile großer Monopolstrukturen werden auch im Sozialismus im Interesse der quantitativen Versorgung benötigt werden. Für die offizielle Wirtschaftspolitik der KPdSU und der sozialistischen Länder waren das befremdliche Schritte, die abseits von der reinen Lehre lagen und auch heute noch nicht theoretisch in linken Kreisen ausreichend debattiert werden.
Eine scheinbar abweichende Linie der Kommunistischen Partei Chinas wurde gleichfalls von den Ideologen im westlichen Lager wahrgenommen und zunächst zeitweilig von den Repräsentanten der USA und den G6 Staaten mit Beifall gelobt. Wohl in der Hoffnung, dass China der Vision des Sozialismus den Rücken kehrt, bzw. das sozialistische Lager verlässt.
Die linken Zweifler an China übersehen:
- Die Öffnung zum Westen beschränkte sich auf Teile der Wirtschaft, nicht auf das politische Regel- und Führungssystem.
- Kapitalistische Auslandsunternehmen arbeiten in China mit zeitbefristeten Lizenzen und mit Auflagen, die einzuhalten sind. Sie werden von staatlichen Behörden, wie der Cyberspace Administration, kontrolliert. Auch über das digitale Sozialpunkte System, dass die Einhaltung von Normen der Regierung mit Vorteilen bedient. Die Normen gelten für die Unternehmensführung.
- Bestimmend in China ist immer noch das Primat der Politik zur Entwicklung der Gesellschaft. Die zentrale staatliche Planung ist ihr Steuerungsinstrument. Sie berechnet und legt die wesentlichen Entwicklungsproportionen berechnet fest. Im Blick der zentralen Planung liegen die Grundversorgung, die sozialen Fragen, die Umweltfolgen, sowie die innere Sicherheit und die Verteidigung gegen äußere Kräfte. Die Volkswirtschaft wird von 4 Eigentumsformen gestützt. Dem staatlichen in Schlüsselbereichen, dem genossenschaftlichen, dem privaten und Mischformen unterhalb von Entscheidungsanteilen. Die 5. ist der Grund und Boden als Grundlage jeder Gesellschaft. Keine der 4 Eigentumsformen übt Macht in China aus. Das Weltunternehmen Huawei ist beispielsweise genossenschaftlich als NON PROFIT Unternehmen organisiert. Die vom Parlament der Volksrepublik bestätigten zentralen Planungsziele dienen der Verbesserung des Gemeinwohls, der Stärkung der Volkswirtschaft, der Rationalisierung der Kommunikationswege, der Volksbildung, sowie an oberer Stelle der Stärkung der Wissenschaft. Die Sicherheit des Landes; vor inneren und äußeren Einflüssen hat Planungspriorität. Der Gewinn ist Ziel der Wirtschaft, er steht aber nicht an erster Stelle. Überschüsse sind zunächst auf Deckung anfallender Kosten gerichtet. Der darüber liegende Anteil (Sur Plus nach Marx) dient sozialen Aufgaben der Regierung und der Kostendeckung der Staatsverwaltung über Steuerabgaben und Kreditaufnahmen. Der Gewinn sichert zudem die Erfordernisse der erweiterten Reproduktion. Nicht der Zahlung von Boni oder Dividenden.
- Die gültige Verfassung fordert den Schutz der Umwelt. Entsprechende Aufgaben sind im zentralen Plan auf der Grundlage entsprechender Gesetze vorgesehen. Die Volksrepublik betreibt aktuell das „weltgrößte Umweltprogramm mit jährlich 5 Milliarden Euro Investitionen und mit einer Laufzeit von 72 Jahren“ (Oxi/Neues Deutschland 7/21, Laura Geiger).
- Die Menschenrechte sind als Auftrag in der chinesischen Verfassung von 1982 verankert. Ein großer Teil der Grundrechte der Charta ist Lebensrealität in der Volksrepublik. Einige harren noch der Verwirklichung. Ein Zustand, der in den westlichen Ländern gleichfalls anzutreffen ist. Die Erfüllung der Menschenrechte wächst historisch.
- Die Zweifler übersahen weiter, dass frühere sozialistische Länder bis 1990 in ihren Betriebswirtschaften vielfach Instrumente benutzten, die im Zug der Evolution auch im Kapitalismus angewendet oder entwickelt wurden. (Staatliche Planung, Markt, Kredite/Darlehen, Grundbücher, Buchführung, Bilanzen u.v.m.).
China nutzt ausländische kapitalistische Konzerne und Börsen zur Stärkung der eigenen Akkumulationskraft über Steuerabschöpfungen, zur Industrialisierung, für zusätzliche Arbeitsplätze, für einen kostengünstigen Zuwachs an NOW HOW in der Wirtschaft. Die betriebliche Gewinnwirtschaft der ausländischen Unternehmen ist deren interne Angelegenheit, sofern sie sich an staatliche Normen halten und ihren Pflichten (Steuern, Arbeitsschutz, Umweltauflagen u.ä.) nachkommen.
China ist in etwa 70 Jahren der Sprung aus einem kolonial gebeutelten Entwicklungsland aus eigener Kraft in ein industrialisiertes Land mit den notwendigen Wirtschaftsproportionen gelungen. Extreme Armut ist verbannt.
Entscheidend ist die Kontrollmacht der KP Chinas und des Volkskongresses mit seinen 8 Parteien. Die KP genießt das Vertrauen der Bevölkerung mit ihrer partizipativen/konsultierenden Demokratie. Die Regierung Chinas hat Lehren aus dem Kalten Krieg gezogen, das zeigt seine militärische Abwehrkraft. Die wirtschaftlichen Anstrengungen zur Bedarfsdeckung und die wissenschaftlichen Ergebnisse, um auch im Weltraum agieren zu können, gehören dazu.
Die gegenwärtige Rhetorik der USA Administration und der EU zeigen, dass sie China auf dem Weg zum Sozialismus sehen. Die NATO hat China auf ihrer Dezemberkonferenz 2020 als neuen Hauptgegner festgelegt. Die bestimmenden Medienkonzerne des Westens sind voll auf diese Linie eingeschwenkt, ohne Russland als Gegner zu vergessen.
Die Führungsebene der G7 verträgt es nicht, dass ein sozialistisches China erfolgreicher für die Bevölkerung und in der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit agiert, als sie selbst. Zum Beispiel mit seinem Projekt neue Seidenstraße/ Bolt and Road Initiative. Sie fürchten im wirtschaftlichen und politischen Konkurrenzkampf zu unterliegen.
Geopolitisch hat sich das Entwicklungsland China mit der wirtschaftlichen Öffnungsstrategie dem Mechanismus der Schuldenfalle des Finanzkapitalismus gegenüber abhängigen Ländern entzogen und seine Akkumulationskraft eigenständig stärken können. Damit und mit Kreditkonzepten sozialistischer Art, gewann China die Sympathie anderer Entwicklungsländer Afrikas und Lateinamerikas. In der Gemeinschaft der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) wächst eine Gruppe heran, die einen selbstbestimmten Anspruch gegenüber den Hegemonie-Bestrebungen der USA geltend macht. Zudem hat die Zusammenarbeit Russland/China einen weiteren Stützpfeiler erhalten. Der Abschluss eines weltumfassenden Freihandelspaktes (RCEP) im November 2020 ist ein Erfolg für die künftige internationale Zusammenarbeit. Das Hegemoniestreben der USA gerät durch China in Gefahr. Wer Gründe für die Verschärfung der Töne der G6 sucht, sollte dies beachten.
Der Volkskongress rüttelt nicht am Grundanliegen des Sozialismus. Die humanistischen Visionen werden im praktischen Leben in China schrittweise verwirklicht. Die Demokratie in ihrer partizipativen, beratenden Form, sorgt für die Teilnahme der Mehrheiten an der Wegbestimmung. China, das flächenmäßig 3. größte Land der Welt, befindet sich mit seinen Politikzielen im Gleichklang mit Russland, anderen Staaten Asiens, Latein- und Mittelamerikas sowie Afrikas. Der Verbund der BRICS-Staaten bietet parallel zur UNO eine Plattform des Austausches von Meinungen.
Europa und die USA mit ihren europäischen Wurzeln werden sich dem in Zukunft nicht verschließen können.
Ein Abschlussgedanke würdigt den traditionell friedlichen Charakter der chinesischen Außenpolitik. Die letzte kriegerische Landeserweiterung geht bis auf das 17. Jahrhundert zurück. Danach war China selbst Opfer mongolischer und japanischer Herrschaftsgelüste, sowie im 19. Jahrhundert der europäischen Kolonialpolitik.
Die Rhetorik des offiziellen Deutschlands für Aufgaben in Asien nähert sich gegenwärtig in der Wortwahl und in ihren Zielen der Hunnenrede des deutschen Kaisers vom 22.Juli 1900, der schon damals Deutschland in China verteidigte. „Pardon wird nicht gegeben“, meinte er als Auftrag an die Truppe geben zu müssen. Zurzeit wird in Kabul ein starkes Mandat bei der Abwehr der Taliban gebraucht.
Der von China eingeschlagene Weg zum Sozialismus lässt keine Abkehr von der großen humanistischen Vision einer sozialistischen, später vielleicht kommunistischen Gesellschaft zum Wohle des HOMO SAPIEN erkennen.