Am Donnerstag, den 24. Juni 2021, stimmte das europäische Parlament mit 378 Stimmen für die Annahme des “Matic-Berichtes”, der die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und den Abbau bestehender Hindernisse zu diesem in allen Mitgliedsstaaten fordert. Am gleichen Tag stimmte der deutsche Bundestag gegen einen Antrag der Linksfraktion, der das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung forderte.
Das europäische Parlament entschied vergangenen Donnerstag über den sogenannten Matic-Bericht, der von dem kroatischen Europa-Abgeordneten Fred Matic vorgelegt wurde. Der Bericht thematisierte den Zustand von Sexuellen und Reproduktiven Rechten (SRHR) in Europa und forderte in seiner finalen Fassung die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten und einen Abbau der Hindernisse zu diesem. Weitere Inhalte des Berichts waren u.A. die Notwendigkeit der umfassenden und evidenzbasierten Sexualaufklärung in Schulen und eine bessere Zugänglichkeit von Gesundheitsdiensten für trans Personen. Der Antrag wurde schließlich mit 378 zu 255 Stimmen angenommen.
Ebenfalls am 24.06. wurde im Deutschen Bundestag über den Antrag “Für das Leben – Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sichern, reproduktive Gerechtigkeit ermöglichen” der Partei DIE LINKE abgestimmt. Dieser Antrag wurde am 04.03. bereits im Plenum des Bundestages diskutiert, sowie am 05.05. im Ausschuss für Familie, Senioren, Ausschuss und Jugend. Zu beiden Diskussionen war das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung mit starken Aktionen vor dem Bundestag vertreten – mehr hier.
Der Antrag orientierte sich am Dreiklang von reproduktiver Gerechtigkeit: dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, dem Recht auf selbstständige Entscheidung für oder gegen ein Kind, sowie dem Recht auf ein gutes und sicheres Leben mit Kindern. So forderte er unter anderem die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die Verbesserung des Zugangs hierzu, die Kostenübernahme von künstlicher Befruchtung bei homosexuellen Paaren sowie die Sicherung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Personen mit Behinderung.
Der Antrag wurde von den Fraktionen der CDU, der AfD, der FDP und SPD geschlossen abgelehnt, lediglich die Parteien DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen stimmten für den Antrag.
Diese Entscheidung im deutschen Bundestag widerspricht dem vom EU-Parlament geforderten sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. Nach der aktuellen Gesetzeslage ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB nach wie vor eine Straftat. Die medizinische Versorgung und der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sind in Deutschland nicht ausreichend gesichert und die sogenannte “Beratungsregel” stellt eine weitere Einschränkung der reproduktiven Rechte ungewollt schwangerer Menschen dar.
Wir fordern: Deutschland muss sich ein Beispiel an der Abstimmung im europäischen Parlament nehmen und auch den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland endlich entkriminalisieren. Die aktuelle Regierung hat die Chance auf eine gerechte Neuregelung, die im Einklang mit der europäischen Forderung steht, leider verpasst.