Hinsichtlich des 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni und der Gedenkrede von Frank-Walter Steinmeier zum Jahrestag, wendet sich Ursula Mathern mit einem offenen Brief an den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland.
An den Bundespräsidenten
Herrn Dr. Frank-Walter Steinmeier Spreeweg 1
10557 Berlin
Offener Brief: Ihre Gedenkrede zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion und die einzig mögliche Folge daraus
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
ich habe mir soeben nachträglich Ihre Rede zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion angehört, und ich möchte Ihnen meinen ausdrücklichen Respekt dafür aussprechen.
Sie haben damit einen Gegenakzent gesetzt zur Bundesregierung und zu Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, die eine entsprechende Gedenkveranstaltung am 22. Juni 2021 verweigern. Das ehrt Sie! Und dafür danke ich Ihnen.
Es ist unverzichtbar, sich auch dieses Teils deutscher Geschichte und dieser Opfer zu erinnern. Da stimme ich Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier, völlig zu.
Unerwähnt ließen Sie in Ihrer Rede, dass Hitler nicht von ungefähr an die Macht kam, sondern das deutsche Großkapital seinen Aufstieg mit entsprechenden Finanzspritzen kräftig unterstützte.
Meine Erachtens ist es kein Zufall, dass die vollständige Aufnahme der sowjetischen Kriegsgefangenen in die Erinnerungsgemeinschaft erst nach dem Zerfall der Sowjetunion erfolgt ist.
Griffen die westlichen Alliierten – obwohl sie u. a. wussten, was in den Konzentrationslagern vor sich ging und dagegen hätten einschreiten können – erst dann offensiv als Gegner Deutschlands in das Kriegsgeschehen ein, als mit der Schlacht um Stalingrad der Siegeszug des Deutschen Reichs im Osten gebrochen wurde und sie Geländegewinne der Roten Armee zu fürchten begannen.
„Wir haben das falsche Schwein geschlachtet“, soll Churchill 1946 gesagt haben, nämlich Hitler statt Stalin.
Mit verschiedenen Maßnahmen wurde Westdeutschland in das westliche Bündnis integriert. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem globalen Siegeszug des kapitalistischen Wirtschaftssystems verlor das die Zeit der Blockkonfrontation beherrschende Feindbild „Kommunismus“ seine Zugkraft, wirkt jedoch immer noch nach. Und bald wurden neue Feindbilder gefunden. Die Hoffnung auf eine „Friedensdividende“ nach einer Phase massiver Aufrüstung auf beiden Seiten erwies sich rasch als naiv.
Der Kapitalismus mit seinem inhärenten Wachstumszwang braucht den Krieg. Schnell erfolgten so nach der „Deutschen Wiedervereinigung“ auch die ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr, die sich – entgegen Art. 26 GG – längst zur weltweit agierenden Einsatzarmee gemausert hat. Und aufgerüstet wird schlimmer denn je!
Trotz Corona gingen die Ausgaben für Rüstung hierzulande im letzten Jahr geradezu durch die Decke. Im Visier stehen:
- wiederum Russland, angeblich aggressiv, wiewohl es nur einen Bruchteil dessen für Rüstung ausgibt, was der Westen investiert. Vorgeblich bedroht Russland „uns“, obwohl die NATO – entgegen den Zwei-Plus-Vier-Gesprächen, die der „Wiedervereinigung“ Deutschlands den Weg ebneten, – ihre Grenzen immer weiter nach Osten ausgedehnt hat, und Manöver wie Defender 2021 durchführt, die sich gegen Russland richten.
- Als neuer großer „Gegner“ hinzu gekommen ist China.
„Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hält das Engagement der Bundeswehr im Indopazifik für notwendig, um Chinas Machtstreben einzudämmen“, weshalb im August die Fregatte „Bayern“ in den Indopazifik entsandt werden soll.
Und nun soll am 23. Juni 2021, also einen Tag nach dem 80. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion, im Haushaltsausschuss der Weg für etliche Rüstungsprojekte freigemacht werden. Dazu gehört die Bewilligung der nächsten Tranche von Geldern für das auf Autonomiefähigkeit und künstlicher Intelligenz beruhende
„Future Combat Air System“, ein von Drohnenschwärmen begleitetes, atomar bewaffnungsfähiges Kampfflugzeug, dessen Entwicklungskosten allein auf über 100 Milliarden Euro geschätzt werden (näheres zu diesem mörderischen System).
Dabei ist die Finanzierung dieser Projekte in wesentlichen Teilen nicht einmal durch den Verteidigungshaushalt gedeckt. (https://augengeradeaus.net/2021/05/kampf-um-neue- bundeswehr-beschaffungen-ministerium-will-dem-parlament-nicht-finanzierte-projekte- vorlegen/). Gegen diese Vorgehensweise setzten mehrere ParlamentatierINNEN sich zur Wehr.
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
die Zahl der Menschen nimmt zu, denen klar ist, dass unser Wirtschaftssystem über Leichen geht, und ein drohender Ökozid sich immer klarer abzeichnet, dessen Wurzel ebenso im Kapitalismus zu suchen ist. Kriege beschleunigen den Prozess zusätzlich.
Die einzig mögliche Konsequenz auf Ihre Rede kann ehrlicherweise nur sein:
- Beendigung der Kriege wie auch der Manöver
- Abrüsten statt Aufrüsten
- der Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag
- Ablehnung des Future Combat Air Systems
- Friedens- und Entspannungspolitik
- Entwicklung einer Wirtschaft, die dem Leben dient
Abschließend bitte ich Sie ganz herzlich darum: Machen Sie umgehend all Ihre Einflussmöglichkeiten geltend, um FCAS zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Mathern