Zum Flüchtlingstag am 19. Juni finden in zehn Schweizer Städten Gedenkaktionen statt. Gedenkt wird den mehr als 44 000 Menschen, die seit 1993 ihr Leben auf der Flucht nach Europa verloren haben. Ein grosses nationales Netzwerk von zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen errichtet mit den Namen der Verstorbenen öffentliche Mahnmale und protestiert gegen das fehlende Schweizer Engagement zum Schutz von Menschen auf der Flucht.

Weltweit sind laut UNHCR über 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Hunderttausende Menschen leben aktuell an den Aussengrenzen Europas und in Nordafrika in menschenunwürdigen Verhältnissen. Die Corona-Pandemie verschärft die Situation zusätzlich. In der Schweiz kaum wahrgenommen, spitzt sich die humanitäre Lage im zentralen Mittelmeer weiter zu. So berichtet die Seenotrettungsorganisation SOS MEDITERRANEE von ihrem letzten Einsatz Ende April von katastrophalen Ereignissen: ein Schiffsunglück am 22. April mit rund 130 Todesopfern, die Rettung von 236 Menschen aus zwei seeuntauglichen Schlauchbooten am 27. April (darunter 119 unbegleitete Minderjährige) und mehrere Rückführungen von in Seenot geratenen Booten durch die libysche Küstenwache.

Und die Schweiz schaut zu

Die europäischen Staaten zeigen sich nicht in der Lage, gemeinsame Lösung im Bereich der Migration zu finden und Solidarität mit den Küstenstaaten zu zeigen. Während jährlich tausende Menschen an den europäischen Aussengrenzen sterben, schaut auch die Schweiz weiter tatenlos zu. Dies obwohl schweizweit verschiedene Städte und Organisationen dem Bund konkrete und realistische Handlungsvorschläge zur Aufnahme von Geflüchteten unterbreitet haben. Länder wie Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxembourg beweisen, dass einzelne Staaten ihre Handlungsspielräume nutzen und einen Anteil von aus Seenot geretteter Menschen, die in Italien an Land gehen, übernehmen und so den Küstenstaat unterstützen.

Die Verstorbenen mit ihren Namen nennen

Nach 2019 und 2020 findet die Aktion „Beim Namen nennen“ in Bern bereits zum dritten Mal statt und hat sich in der Zwischenzeit auf weitere Städte in der Schweiz und in Europa ausgeweitet. Die 136 teilnehmenden Organisation und Kirchen sowie die zahlreichen Freiwilligen eint die Betroffenheit um die verstorbenen Flüchtenden und die Forderung, den Tod von Menschen nicht weiter in Kauf nehmen zu wollen. So entstehen auf den Flüchtlingstag am 19. Juni hin in Basel, Bern, Chur, Genf, Lausanne, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen, Thun und Zürich öffentliche Mahnmale mit den Namen der verstorbenen Personen. Zu ihrem Gedenken werden ihre Namen vorgelesen und die Umstände ihres Todes genannt.

Postkarten Aktion

Mit einer Postkarten Aktion rufen die Organisator*innen der Aktion „Beim Namen nennen“ Bürgerinnen und Bürger dazu auf die National- und Ständeräte ihres Wohnkantons anzuschreiben mit der Forderung, dass die Schweiz ein sicherer Hafen werde. Insbesondere soll die Motion 19.4319 angenommen werden. Sie trägt den Titel «Humanitäre Notlage im Mittelmeer. Die Schweiz soll sich am Verteilungsmechanisms der ‹Koalition der Willigen› beteiligen». Es wurden bereits mehr als 28‘000 Postkarten in die ganze Schweiz verteilt. Gestaltete wurden sie von sechs Kunstschaffenden. Die Aktion „Beim Namen nennen“ unterstütz auch die Motion 21.3282 zur Wiedereinführung des Botschaftsasyls.

www.beimnamennennen.ch/

Die Liste Die List of Deaths dient als Grundlage für die Aktion „Beim Namen nennen“. Seit 1993 werden auf dieser Liste Todesfälle von Menschen auf der Flucht gesammelt und dokumentiert. Die Liste wird einmal jährlich zum internationalen Flüchtlingstag publiziert. 2020 dokumentierte sie 40 555 Todesfälle. 2021 werden es über 44 000 sein. Die Liste ist ein Projekt des europäischen Netzwerks „UNITED for Intercultural Action.“