Die Tagung „Utopien und Dystopien. Lateinamerikanische und karibische Völker in der digitalen Zeit“ hat mit den Zielen stattgefunden, die Eigenschaften des heutigen technodigitalen Systems zu verstehen und es gesellschaftsfähig zu machen, sowie die Kampfstrategien zu identifizieren, die effektiv gegen die missbräuchliche, monopolistische Aneignung dieser Technologien durch Konzerne eingesetzt werden können.
Die Bevölkerung ist einer beschleunigten technologischen Revolution ausgesetzt, in der digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen und fast alle Aspekte des Lebens verändern; sie eröffnen Möglichkeiten, erleichtern Aufgaben, verkürzen Zeiten und Entfernungen. Angesichts ihrer aktuellen wirtschaftlichen Ausrichtung vertiefen sie aber auch bereits bestehende Ungleichheiten, beinflußen Gewohnheiten oder nutzen die soziale Kontrolle aus.
Die transnationalen Konzerne haben sich der Digitalisierung bemächtigt und bieten dem sich im Niedergang befindlichen Kapitalismus eine Perspektive zur Überwindung seiner produktiven Rentabilitätskrise. Die ultra-minoritäre Fraktion der wirtschaftlichen Macht hat sogar in den Anwendungen, die aus dem aktuellen technologischen Modell herauswachsen, einen Weg gefunden, das freie demokratische Handeln zu behindern, um die Veränderung des ausschließenden Systems zu vermeiden.
Doch trotz des starken Einflusses, den dies auf das tägliche Leben der Menschen und auf die kollektiven Bestrebungen der Völker hat, ist die Debatte unter den Bürger:innen und sozialen Bewegungen in Unserem Globalen Süden noch im Anfangsstadium und weitgehend auf Aktivisten des digitalen Bereichs beschränkt.
In diesem Zusammenhang wurde während dieser Tagung, die vom Kommunikationsforum für die Integration UnsererAmerika und von den lateinamerikanisch-karibischen Internet Bürger:innen in Zusammenarbeit mit verschiedenen, regionalen Organisationen durchgeführt wurde, in drei aufeinanderfolgenden Sitzungen die Entwicklung von Alternativen und möglichen gemeinsamen Aktionen, um der Herausforderung zu begegnen.
In einer vorherigen Phase wurde an der Analyse der wichtigsten Auswirkungen der Digitalisierung in Bereichen wie Arbeit und Beschäftigung, Kommunikation, Bildung, Landwirtschaft und ländlicher Raum sowie kollektive digitale Rechte gearbeitet, aus der sich erste Forderungen und Vorschläge entwickelten.
Die erste Tagung (28.4.) war der Debatte über „Staatliche Strategien für digitale Souveränität und Demokratisierung“ gewidmet, in der drei Hauptgedanken bekräftigt wurden: Internetzugang als essentielle öffentliche Dienstleistung und als solche reguliert, die Notwendigkeit einer Gesetzgebung, damit Menschen und Gemeinschaften individuelle oder kollektive Kontrolle über ihre Daten ausüben können, und die Stärkung der technologischen Souveränität – national und regional – als unverzichtbarer Faktor für die Entwicklung einer digitalen Wirtschaft, die keine neuen Abhängigkeiten schafft.
In einer zweiten Tagung (5.5.) wurden Aspekte der „Bewährten Vorgehensweisen im Umgang mit Technologien und der Notwendigkeit einer kritischen digitalen Kompetenz“ behandelt.
Digitale Autonomie als notwendige Bedingung, um die digitale Kluft zu überwinden und die Abhängigkeit von Konzernen zu durchbrechen, gegenseitige Unterstützung und Vernetzung, um in die technologische Auseinandersetzung einzutreten und die unerlässliche Ausbildung, um sich diesen Herausforderungen stellen zu können, waren die zur Diskussion gestellten Linien.
Wie schon nach der ersten Session entstanden auch nach der zweiten zahlreiche Vorschläge und mögliche Strategien zur Förderung dieser Punkte, zusammen mit der Gewissheit, dass das soziale Bewusstsein und insbesondere die organisierte Zivilgesellschaft eine wesentliche Voraussetzung ist, um bei der Verwirklichung der staatlichen Strategien und der Übernahme anderer Anwendungen und Technologien voranzukommen.
Am Abschlusstag, dessen Thema eben die Erstellung einer „Agenda des sozialen Bewusstseins für die digitale Demokratisierung“ war, wurden verschiedene Aktivitäten entwickelt, um den Wirkungsgrad dieser Fragen und Vorschläge zu erweitern und so die Rolle und den Einfluss der organisierten sozialen Basis bei der Gestaltung, Implementierung und Kontrolle dieser Technologien zu erhöhen.
Bauern- und Gewerkschaftsorganisationen, Kommunikationsmedien, technologische Genossenschaften, Student:innen und Akademiker:innen, digitale und politische Aktivist:innen, sowie Infrastrukturexpert:innen aus rund zwanzig Ländern der Region haben sich bereits der Initiative angeschlossen, die von dieser Konferenz einberufen wurde.
Die Herausforderung, die vor uns liegt, ist jedoch enorm. Für uns alle ist klar, dass die Frage der Digitalisierung unter den Forderungen der Bürgerbewegungen etabliert werden muss. Sie müssen die Menschen in den abgelegensten Ecken erreichen, um eine für Veränderungen einer gewissen Größenordnung kritische Masse zu erzeugen.
Andererseits ist es zwingend notwendig, dass Lateinamerika und die Karibik als Region in ihrer Souveränität und Integration vorankommen, um sich den aus einer Vergangenheit kolonialer Ausbeutung ergebenden Herausforderungen zu stellen, um zu vermeiden, in einen neuen technologischen Kolonialismus zu verfallen.
Von Internet Ciudadana: internetciudadana.net
Übersetzung aus dem Spanischen von Nadia Miranda vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!