Die grandiosen Pläne, unsere Erde abzukühlen und damit der globalen Erwärmung entgegenzuwirken verzögern sich. Mithilfe von Low-Tech-Ballonflüge sollten Partikel in die Atmosphäre gestreut werden, um die Sonnenstrahlung zurück ins All zu reflektieren. Niemand weiß mit Sicherheit, wann oder ob es weitergeht.
Der Plan zur Kühlung des Planeten, der als Stratospheric Controlled Perturbation Experiment (SCoPEx) bezeichnet und von Harvard-Professor Fran Keutsch geleitet wird, hofft, die Menschheit vor dem Treibhauseffekt zu retten. Es sollen Aerosole aus Kalziumkarbonat (CaCO 3) und anderen Substanzen in einer Höhe von ca. 20 km über der Erdoberfläche versprüht werden, um die Sonneneinstrahlung ins All zu reflektieren. Der erste Flug, der für Juni 2021 geplant war, sollte die Ballon- und Gondelausrüstung ohne die Freisetzung von Aerosolen testen.
Heftige Lobbyarbeit prominenter Gruppen gegen den „vermeintlichen Irrsinn“, mit dem Klimasystem des Planeten herumzuspielen, setzte diesem Testlauf ein Ende. Ob es wirklich Wahnsinn ist, sei dahingestellt. Allerdings weiß niemand mit Sicherheit, welche Folgen das haben wird. Niemand! Andererseits verändert die Zivilisation das Klimasystem schon seit Jahren wahnsinnig, indem sie Kohlendioxid (CO2) und Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre pustet. Die Frage ist nun, ob SCoPEx es noch schlimmer macht, indem es versucht, dies zu reparieren? Ist das Experiment als solches ein Problem? Die Antworten: vielleicht und ja.
Anzumerken ist: Die Forschung zur Reparatur des zerstörten Klimasystems ist weltweit an großen Universitäten im Gange – und das aus gutem Grund, denn es ist kein Geheimnis: Das Anthropozän (Zeitalter des direkten menschlichen Einflusses) stört das Klimasystem des Planeten auf sehr große und ausgeprägte Weise – geologisch gesehen mit Warp-Antrieb. Der Beweis findet sich in Zahlen, beispielsweise betrug die natürliche CO2-Emissionsrate während des Holozäns der letzten 10.000+ Jahre ~0,003 ppm/Jahr, was +36 ppm über eine Zeitspanne von 12.000 Jahren entspricht, im Vergleich zur heutigen Rate von 2,0 ppm/Jahr oder +40 ppm in nur 20 Jahren oder geologischer Lichtgeschwindigkeit. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Planet noch nie eine so rasante Veränderungsrate erlebt hat wie jetzt, insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg. Daran gibt es absolut nichts Positives.
Das Risiko von Geoengineering, vor allem die unvorstellbaren Gefahren, haben dazu geführt, dass die Wirksamkeit von SCoPEx erneut von höchster Stelle geprüft wird. Raymond Pierrehumbert, Physiker an der University of Oxford und renommierter Experte für Klimadynamik, behauptet, dass eine weit verbreitete Einführung von SCoPEx wie ein Damoklesschwert über der Menschheit schweben würde, was bedeutet, dass, wenn die CO2-Emissionen nicht auf null gesenkt werden, „… wird man jedes Jahr, das vergeht, mehr CO2 haben, was zu einer stärkeren Erwärmung führt, der man mit einer noch größeren Menge an Geoengineering entgegenwirken muss. Man gerät in diese Todesspirale, in der man versucht, die Erde angesichts des ständig steigenden CO2 bewohnbar zu halten und sich auf ein immer größeres Katastrophenrisiko einstellt.“ (Quelle: Balloon Test Flight Plan Under Fire Over Solar Geoengineering Fears, The Guardian)
Pierrehumberts Kritik ist vergleichbar mit dem endlosen Laufen auf einer Tretmühle, die immer größer und schneller wird, bis sie sich in ein monolithisches Monster verwandelt, das alles überwältigt.
Außerdem argumentieren die Kritiker, dass die Folgen von SCoPEx noch nicht verstanden werden. Sie behaupten, dass stratosphärische Aerosol-Injektionen (SAI) in „großem Maßstab“ (1) die Ozonschicht schädigen, (2) eine übermäßige Erwärmung in der Stratosphäre verursachen und (3) Ökosysteme stören könnten. Jedes einzelne davon ist ein Grund zum Innehalten.
Stellen Sie sich vor, dass ein Teil oder zu viel der Ozonschicht abgebaut wird. Die Ozonmoleküle schützen den Planeten vor dem Verglühen, keine Frage. Laut NASA: „absorbiert Ozon schädliche Bestandteile des Sonnenlichts, bekannt als Ultraviolett B oder UV-B… über Wettersysteme absorbiert eine dünne Schicht von Ozongas UV-B und schützt die darunter liegenden Lebewesen.“
„Untersuchungen der Ozonmengen vor und nach dem Ausbruch des Mt. Pinatubo 1991 zeigen, dass es zu einer signifikanten Abnahme des unteren stratosphärischen Ozons kam (Grant et al., 1994). Die Ozonmenge in der 16-28 km Region war um 33% reduziert im Vergleich zu den Mengen vor dem Ausbruch.“ (Quelle: Volcanic Gases, Oregon State University)
„Sulfataerosole stellen bekannte Risiken wie Ozonabbau und Erwärmung der Stratosphäre dar“ (Quelle: Zhen Dai, et al, Experimental Reaction Rates Constrain Estimates of Ozone Response to Calcium Carbonate Geoengineering, Nature).
Allerdings heißt es in der gleichen Quelle: „Eine frühere Modellierungsstudie unserer Gruppe schlug vor, dass CaCO3 stratosphärisches Geoengineering mit reduziertem Ozonverlust oder sogar Ozonanstieg ermöglichen könnte, aber dieser Studie fehlten Messungen wichtiger CaCO3-spezifischer Reaktionsraten… Diese Unsicherheit muss durch empirische Methoden gelöst werden“, Ibid.
SCoPEx plant daher Aerosole mit CaCO3 zu versprühen, da vorläufige Forschungen darauf hindeuten, dass dieser Mineralstaub eine akzeptable Lösung sein könnte, doch die Beurteilung steht noch aus. Es ist noch viel zu früh, um alles zu verstehen. Empirische Studien dazu sind nicht leicht zu erstellen. Bei Geo-Engineering ist Unsicherheit üblich.
Dennoch plädieren die Befürworter von SCoPEx dafür, unabhängig von den bestehenden Unklarheiten mit der Umlenkung der Sonnenstrahlung zu experimentieren und so hoffentlich die Auswirkungen der vielfältigen Ökosystemrisiken, die mit der globalen Erwärmung verbunden sind, aufzuheben oder zu reduzieren, damit die Menschheit weiterhin essen, trinken und so tun kann, als ob sie glücklich wäre, denn Trinken hilft.
Dennoch, so die staatliche Swedish Space Corporation (SSC), Betreiber der Raumstation Esrange in Kinuna, Schweden, wo der Test gestartet werden sollte: „Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist gespalten, was Geo-Engineering angeht“ (Quelle: Controversial Test Flight Aimed at Cooling the Planet Cancelled, PHYS.ORG)
Johanna Sandahl, Präsidentin der Schwedischen Gesellschaft für Naturschutz: “ Es wird Zeit, dass sich alle Länder der Welt an das De-facto-Moratorium für Geoengineering halten, welches durch die UN-Konvention über die biologische Vielfalt von 2010 eingeführt wurde… Der Test wird nicht in Schweden durchgeführt und sollte auch nirgendwo anders stattfinden.“ (Quelle: Geoengineering Monitor, 1. April 2021)
Beide Seiten der Solar-Engineering-Diskussion möchten sich austauschen, um zu sehen, ob es einen Mittelweg gibt, aber von außen betrachtet, sieht es nicht sehr vielversprechend aus. Die Liste der Fragen, Bedenken und Beobachtungen ist endlos, zum Beispiel: Was, wo und für wie lange? Für immer? Wirklich? Was ist mit Pannen, dem Unbekannten? Was ist mit dem Verlust von Ozon oder etwas Vergleichbarem, aus heiterem Himmel? Was ist, wenn hydrologische Zyklen fehlzünden und die landwirtschaftlichen Jahreszeiten durcheinanderbringen? Wenn SCoPEx eine A-plus-Reflexion schafft, während fossile Brennstoffe im Tandem tuckern, werden die Ozeane dann so viel CO2 absorbieren, dass die Wale verenden?
Und, über allen Überlegungen stehend: Was, wenn die Meinungen zu Geoengineering weiterhin stark auseinandergehen? Was machen wir dann?
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!