In dieser Woche richtete sich die Aufmerksamkeit bezüglich des Nahen Ostens auf die Gespräche zwischen dem Iran und anderen Weltmächten zur möglichen Wiederaufnahme des Nuklearabkommens und es stellte sich die Frage, ob die USA es wieder aufnähmen.
Gleichzeitig wurde ein Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag in den Niederlanden vorgelegt. Aus diesem geht hervor, es gebe „hinreichend Grund zur Annahme, dass am 4. Februar 2018 gegen 21.22 Uhr ein Militärhubschrauber der Syrisch-Arabischen Airforce unter der Kontrolle der Tiger-Kräfte über Ost Saraqib mindestens einen Gasangriff gestartet habe. Der abgeworfene Behälter habe Chlorgas über einem größeren Gebiet versprüht. 12 namentlich bekannte Menschen seien dabei zu Tode gekommen.“
Dieser Vorwurf eines Chemiewaffeneinsatzes wäre eine klare Verletzung der Konvention zu chemischen Waffen, die die syrische Regierung 2013 unterzeichnet hat. Damaskus kritisierte den OPCW-Bericht vehement: „Die syrisch-arabische Republik verurteilt aufs Schärfste alle Aussagen im Bericht des nicht legitimierten, sogenannten „Untersuchungs- und Identifikationsteams und weist dessen Inhalt zurück“, sagte der Außenminister in seiner Stellungnahme.
Dies ist nicht das erste Mal, dass ein OPCW-Bericht durch die syrische Regierung zurückgewiesen wird, auch frühere Berichte zu Angriffen in Douma und Ghouta wurden verurteilt. Entsprechende Dokumente, die den Angriff auf Douma belegen sollten, wurden durch Wikileaks veröffentlicht. Sie zeigen, dass selbst innerhalb des OPCW-Untersuchungsteams die Meinungen auseinanderklafften, weil der offizielle Bericht damit endete, dass die Schuld einzig bei der syrischen Regierung läge. Das wirft ein Licht auf alle Arten dunkler Machenschaften innerhalb der OPCW, die eigentlich ohne jede Art institutioneller oder politischer Voreingenommenheit agieren sollte.
Aufgrund des Bürgerkriegs innerhalb Syriens ist es zum einen schwierig, forensische Ermittler an den Ort eines vermuteten Angriffs zu entsenden und zum anderen, die Echtheit der Augenzeugenberichte, der Videos und der Fotos zu belegen, die im Anschluss im Internet zirkulieren – ganz abgesehen von dem Risiko, dass Materialproben, die den OPCW-Testlaboren gesendet wurden, möglicherweise gerade von jenen stammen, die ein persönliches Interesse daran haben könnten, die Regierung von Bashar Al-Assad zu stürzen.
Das Problem unzuverlässiger Beweise spitzte sich bei dem Unfall in Douma zu, weil sie in einem Gebiet aufgenommen wurden, wo die Regierung schnell wieder die Kontrolle übernommen hatte und so ein Untersuchungsteam zugelassen wurde. Den Whistleblowern dieses Vorfalls wurde schnell klar, dass keine eindeutigen Beweise dafür vorlägen, um zweifelsfrei belegen zu können, dass die syrische Regierung ihre Gegner mit Chemiewaffen angegriffen habe.
Das heißt nicht, dass Assads Regierung keine Chemiewaffen gegen das eigene Volk eingesetzt hat, aber es widerspricht jeder Logik zu denken, dass jemand in Damaskus den Befehl geben würde, sie einzusetzen, wohl wissend, welchen Aufschrei jeder Einsatz chemischer Waffen international nach sich ziehen würde. Haben wir aus dem Irakkrieg und den falschen Behauptungen über den Einsatz von Massenvernichtungswaffen wirklich nichts gelernt? Sollten wir wirklich nur auf der Grundlage einer „begründeten Annahme“ einen neuen Krieg in Syrien mitverantworten? Hunderttausende Menschen in Syrien würden in einem solchen Krieg sterben.
Und das müssen wir umso ernster nehmen, als der Konflikt in Syrien ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA ist und diese Schlacht an unterschiedlichen Fronten geschlagen wird.
Im Jahr 2018 führte der Verdacht russischer Beteiligung an der Vergiftung eines früheren russischen Spions und dessen Tochter in Salisbury in England zu einem diplomatischen Konflikt. Dutzende russische Diplomaten aus mehreren westlichen Ländern wurden ausgewiesen. Allerdings konnten nie auch nur die geringsten Beweismittel vorgelegt werden, die die Verantwortung der beiden russischen Verdächtigen belegten. Sie wurden nur aufgrund von Fotos identifiziert, die britischen Polizei konnte keinen nachvollziehbaren Zeitrahmen vorlegen und die beiden russischen Opfer verschwanden, ohne dass man weiter nachforschte. All das ließ die anti-russische Hysterie in den Mainstreammedien fieberhaft in die Höhe schnellen.
Kürzlich erreichte uns eine Nachrichten aus Tschechien, dass Russland für eine Explosion im Jahr 2014 verantwortlich sei.
Gleichzeitig spitzt sich der Konflikt in der Ukraine zu, die Spannungen wachsen und am Horizont zeichnet sich die Gefahr eines totalen Krieges ab.
Sicherlich gibt es Profiteure vom Krieg, die gibt es in jedem Krieg. Es liegt an uns als Individuen, sicherzustellen, dass Entscheidungen für einen Krieg wohlbegründet sein müssen.
In einem Interview letzte Woche sagte Dr. Piers Robinson von der Organisation für Propagandastudien im Vereinigten Königreich über den letzten OPCW-Bericht:
„Ich denke, dass Demokratie den Menschen viel Arbeit abverlangt, nicht wahr? Menschen sind denkende Wesen und müssen sich ihre eigene Meinung bilden. Aber die Menschen können das. Und ich bin überzeugt, wenn sich die Menschen von ihrer Abhängigkeit zu Mainstreammedien lösen, sich auf die Breite unabhängiger Medienberichterstattung einlassen, dann sind sie in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden. Schauen Sie sich die Originalunterlagen über die OPCW an. Hören sie nicht auf Journalisten oder mich. Schauen Sie sich einfach die verfügbaren Dokumente an und denken Sie nach. Es ist harte Arbeit, aber so ist das mit der Demokratie. Ich denke, Demokratie verlangt harte Arbeit von den Bürgern. Wenn wir apathisch sind, verlieren wir Demokratie, nicht wahr?“
Übersetzung aus dem Englischen von Heidi Meinzolt und die Lektorierung von Jeannette Carolin Corell, beide vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!