Vor ziemlich genau 20 Jahren, am 1. April 2001, wurde das sogenannte „Pongoland“ des Leipziger Zoos zum ersten Mal für Besucher geöffnet. „Alle vier Arten der Großen Menschenaffen werden hier gezeigt“, so der Zoo auf seiner Website, unter ausdrücklichem Verweis darauf, dass das Pongoland „nach dem wissenschaftlichen Gattungsnamen für den Orang-Utan“ (Pongo) benannt ist. Derzeit sind sechs Gorillas, 26 Schimpansen, acht Orang-Utans und zwölf Bonobos in Pongoland untergebracht. Größere Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum mussten coronabedingt ausfallen.

Große Menschenaffen werden hierzulande in nicht weniger als 34 Zoos und zooähnlichen Einrichtungen (sowie einem Zirkus) zur Schau gestellt. Unter den in der Regel mangelhaften bis ungenügenden Haltungsbedingungen, die in den anderen Zoos vorherrschen, stellt Leipzig einen Sonderfall dar. Der dortige Zoo kann in der Tat sehr viel akzeptablere Bedingungen vorweisen, als dies in den anderen Zoos der Fall ist. Keineswegs indes ist dieser Umstand als originäres Verdienst des Leipziger Zoos und/oder seiner Leitung zu werten, vielmehr bedingt er sich in erster Linie aus seiner engen Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft.

Diese Zusammenarbeit kam dadurch zustande, dass nach der „Wende“ die Besucherzahlen im Leipziger Zoo massiv eingebrochen waren: Die vielfach tierschutzwidrige Haltung der Tiere in heillos veralteten und heruntergekommenen Käfiganlagen zog immer weniger zahlendes Publikum an. Mitte der 1990er stand die Ratsversammlung der Stadt vor der Wahl: entweder den Zoo radikal zurückzubauen – vielleicht sogar ihn ganz aufzulösen –, oder richtig Geld für Um- und Neugestaltung in die Hand zu nehmen.

Man entschloss sich für Letzteres. Nach dreijähriger Planungs- und Vorlaufphase verabschiedete die Stadt am 14. Juni 2000 das sogenannte „Strategische Unternehmenskonzept ‚Zoo der Zukunft'“, das den Zoo über zigmillionenschwere Investitionen (aus Steuergeldern) grundlegend zu erneuern vorsah. Maßgeblich mitbestimmt wurde dieser Ratsbeschluss durch die 1997 getroffene Entscheidung der Max-Planck-Gesellschaft, in Leipzig ein Institut für evolutionäre Anthropologie anzusiedeln und dazu auf dem Zoogelände eine neue Menschenaffenforschungsanlage zu errichten.

Die ab 1999 aus Mitteln der Max-Planck-Gesellschafterstellte Forschungsstätte sollte zugleich dem Zoo als Möglichkeit dienen, große Menschenaffen in zeitgemäßerer Form zu präsentieren, als er das bislang getan hatte. Der Max-Planck-Gesellschaft wurde auf dem Zoogelände ein entsprechendes Areal zur Verfügung gestellt, auf dem sie in Erbbaurecht das sogenannte Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum entstehen ließ (benannt nach dem Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler [1887-1965], der als Leiter der Anthropoiden-Forschungsstation der Preußischen Wissenschaftsakademie auf Teneriffa von 1913 bis 1920 erste Untersuchungen über die kognitiven Fähigkeiten von Schimpansen durchgeführt hatte). Die von der Max-Planck-Gesellschaft getragenen Baukosten lagen bei rund 28 Millionen D-Mark (14,3 Millionen Euro).

Die gemeinhin als „Pongoland“ bezeichnete Anlage, besetzt mit aus verschiedensten europäischen Zoos zusammengestellten und zur „Zucht“ geeigneten Tieren – die bislang in Leipzig vorgehaltenen Tiere schob man, mit Ausnahme der Orang-Utans, an andere Zoos ab – wurde am 1. April 2001 feierlich eröffnet. Sie wird dominiert von einer bis zu 19 Meter hohen und eine Gesamtfläche von rund 3.200 Quadratmeter umfassenden „Tropenhalle“, die, überspannt von einem Foliendach, als Warmhaus dient. Sie weist fünf voneinander getrennte Gehegeabteile auf, in denen je eine Gruppe Bonobos, Gorillas und Orang-Utans sowie zwei Gruppen Schimpansen untergebracht sind. An jedes der Gehegeabteile ist ein Außenbereich angegliedert.

Umstrittene Forschung

Ob die am Leipziger Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum (WKPRC) gewonnenen Erkenntnisse über die kognitiven, sozialen oder kommunikativen Fähigkeiten großer Menschenaffen die lebenslange Gefangenhaltung von fünfzig und mehr Individuen rechtfertigen, steht dahin. Viele der Erkenntnisse – zur Frage etwa, ob Jungtiere eher von ihren Eltern, von anderen Gruppenmitgliedern oder voneinander lernen – werden ausschließlich aus Beobachtungen gewonnen, bei denen es keine Interaktion zwischen den Forschern und den Tieren gibt. Anderer Erkenntnisgewinn – beispielsweise zur Frage, ob Menschenaffen über die Fähigkeit verfügen, in die Zukunft zu planen – erfordert solche Interaktion.

Sofern die Angaben des Instituts zutreffen, dass kein Forscher die Tiere jemals bedrängt oder berührt und die Distanz zu ihnen immer gewahrt bleibt, sind die dabei durchgeführten Tests – auch aus Sicht der Tiere – durchaus zu begrüßen. Sie stellen eine kognitive Herausforderung und damit eine willkommene Abwechslung dar in der ansonsten tödlichen Langeweile des Daseins im Zoo. Die Tiere nehmen an den spielerisch angebotenen und absolut nicht-invasiven Experimenten auf freiwilliger Basis teil, viele von ihnen scheinen großen Gefallen daran zu finden und drängen sich nachgerade um die Teilnahme. Bei einigen der Tests können Zoobesucher durch ein Beobachtungsfenster live zusehen, andere werden auf Videobildschirmen vorgeführt.

Unter Verhaltensbiologen sind das Wolfgang-Köhler-Zentrum und sein langjähriger Leiter, der Anthropologe Michael Tomasello, allerdings nicht unumstritten. Einige davon, so der Primatologe (und Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung) Volker Sommer, seien der Auffassung, Tomasello könne zwar im Ohrensessel schreiben, verstehe aber von natürlich lebenden Primaten entsprechend wenig. In der Tat, so Sommer weiter, „ignoriert er fünfzig Jahre Freilandforschung in Urwäldern und Savannen praktisch vollständig. Stattdessen denkt er sich Tests aus, bei denen in Gefangenschaft aufgewachsene Primaten schlechter abschneiden als wohlbehütete deutsche Kindergärtler. Das soll nicht heißen, dass es sich in Pongoland nicht gut lebt. Doch werden die Menschenaffen hier nicht mit jener ökologischen und sozio-emotionalen Komplexität konfrontiert, die sie in ihren Urwaldheimaten heranreifen lässt.“ Was nichts anderes bedeutet, als dass den Ergebnissen der WKPRC-Forschung allenfalls bedingte Aussagekraft zukommt, zumal, so Sommer, der Verdacht schwer wiege, „dass Tomasello nach einem grundlegenden Unterschied zwischen Mensch und Tier fahndet“, eine Suche, bei der man immer fündig werde, „weil sich Begriffe stets so weit ausdefinieren lassen, bis alle anderen Lebewesen außen vor bleiben“.

Nur wenn solch grundlegender Unterschied bestehen bleibt, lässt sich die Gefangenhaltung von Tieren in Zoos und damit die Möglichkeit, in Zoos an ihnen zu forschen, rechtfertigen. Es versteht sich, dass WKPRC-Kooperationspartner Jörg Junhold in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Leipziger Zoos und leitender Funktionär verschiedener Zoodachverbände sich entschieden gegen die Forderungen etwa des Great Ape Project stellt, den großen Menschenaffen bestimmte Grundrechte zuzuerkennen: „Es gibt immer noch Unterschiede zwischen Menschen und Menschenaffen.“

Auch Christophe Boesch, langjähriger Direktor der Abteilung für Primatologie am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, sieht das Konzept der Verquickung eines Zoos mit einer Einrichtung für Grundlagenforschung ausgesprochen skeptisch: „Artgerechte Haltung von Menschenaffen im Zoo? Geht gar nicht. Es gibt gute und es gibt schlechte Gefängnisse, sie bleiben Gefängnisse.“

Fazit: Auch wenn Pongoland sehr viel bessere Haltungsbedingungen bereitstellt als die meisten anderen Zoos, leben die Tiere dort in Gefangenschaft. An ihnen gewonnene Forschungsergebnisse können immer nur etwas über gefangengehaltene Tiere aussagen.

 

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