Täglich erhalten wir in den Medien die neuesten Zahlen zur Pandemie; im Internet gibt es viele Seiten, die diese Zahlen in verschiedener Weise darstellen. Doch geben uns die reinen Zahlen Auskunft wer die Krise gut und wer sie eher schlecht gemeistert hat? Hier hilft nur ein Blick hinter die Zahlen.
Die aktuell am meisten genutzte und besprochene Zahl ist die Inzidenz, also die Zahl, die angibt, bzw. angeben soll, wie der aktuelle Stand des Seuchengeschehens ist. Ihre Aussagekraft alleine ist jedoch eher schwach, wenn man einige Fakten bedenkt.
Zum einen ist der PCR-Test zwar recht präzise, aber er liefert dennoch keine hundertprozentige Genauigkeit. Es kommt sowohl zu falsch negativen Ergebnissen, das bedeutet, der Test fällt negativ aus, obwohl eine Infektion vorliegt, als auch zu falsch positiven Ergebnissen, also negativen Befunden, obwohl keine Infektion vorliegt. Testet man nun große Teile der Bevölkerung ohne, dass es Symptome gibt, wirken sich diese Ungenauigkeiten deutlicher aus als bei Teststrategien, die nur Menschen mit Symptomen und dem starken Verdacht auf eine Infektion ins Auge fassen.
Zum anderen geht die Zahl der durch Test bestätigen (und vom RKI veröffentlichten) Infizierten nach oben, wenn man mehr testet, weil dann auch mehr und mehr asymptomatische Verläufe erfasst werden. Wobei jedoch der Anteil der positiven Testergebnisse an der Gesamtzahl der Tests sinkt.
Wir müssen also die Zahlen der nachgewiesenen Infizierten mit größter Vorsicht lesen, wenn wir uns die Übersichten im Internet, etwa auf der Seite „Worldometer“, aber auch auf den Seiten des RKI anschauen.
Eine weitere wichtige Größe ist die Zahl der Menschen, die an oder mit Corona verstorben sind. Schon an der vorsichtigen Formulierung, die sich nach den ersten Wochen der Pandemie in allen seriösen Medien eingebürgert hat, wird deutlich, dass man auch hier keine exakten Zahlen hat und haben kann. Infiziert sich ein schwerkranker, alter Mensch mit dem Virus, so wird er oder sie vielleicht etwas früher sterben, aber was war wirklich der Grund des Sterbens. In manchen Alters- und Pflegeheimen haben die Infektionen mit SARS-CoV2 zu vielen Toten geführt, aber es gab auch Heime mit vielen Infektionen, in denen keine Bewohner*innen gestorben sind. Ob das am besseren Allgemeinzustand, an der besseren Versorgung mit Vitamin-D gelegen hat, bleibt Spekulation, und vielleicht war es einfach Glück, aber sicher kann man heute sagen, dass das Alter allein kein Grund ist für schwerer Verläufe, sondern die Tatsache, dass sehr viele alte Menschen starke Vorerkrankungen haben. Es gilt, dass es schwerer ist eine überalterte, stark vorerkrankte Bevölkerung vor COVID-19 zu schützen, als eine junge und gesunde.
Will man nun bei der beschriebenen Unsicherheit der Zahlen dennoch verlässliche Schlüsse ziehen, so ist dies möglich, aber immer mit einer gewissen Unschärfe behaftet. Dies wissend, kann man aber mit aller gebotenen Vorsicht versuchen, zu schauen, wer ist mit der Pandemie gut umgegangen und wer hat es nicht so gut geschafft, die anvertrauten Menschen zu schützen. Diese dauernde Analyse ist unerlässlich, wenn man seine ganze politische Arbeit nicht mit Vertröstung auf den Tag, wenn ausreichend viele geimpft sind und Lockdowns bis zu diesem Datum bewenden lassen will.
Viele Wissenschaftler mahnen langfristige Pläne und Strategien an. Viele unserer Verantwortungsträger*innen in Bund, Land und den Kommunen fahren dagegen „auf Sicht“ – und das seit über einem Jahr. Was zu Beginn der Pandemie entschuldbar war, wird mehr und mehr zum inakzeptablen Versagen.
Aber wer hat es gut gemacht und wer nicht? In Deutschland ist man sich einig, dass wir zu den Guten gehören, mir scheint das ein großer Irrtum zu sein.
Bei allen Zahlenspielen vermisse ich in der öffentlichen Diskussion bisher eine Rechnung, die mir sehr wichtig erscheint: Wie viele Tote sind pro Infizierten zu beklagen? Nur diese Relation im Zusammenhang mit den Zahlen der Infizierten und Toten pro Million Einwohner – bei aller Vorsicht mit den Daten – geben uns Auskunft über die entscheidenden Fragen:
Wer hat mit den getroffenen Maßnahmen seine Bevölkerung vor Infektionen geschützt? Aber noch viel wichtiger: Wer hat die unvermeidbaren Infizierten vor schweren Verläufen und dem Tod geschützt?
Hier sollte Deutschland zwar durch seine ungünstige Altersstruktur der Gesamtbevölkerung vor größere Probleme gestellt sein, als viele andere Länder. Jedoch sollte unser Gesundheitssystem so gut sein, dass diese Nachteile leicht ausgeglichen werden können. Und bis zum Beginn der zweiten Welle sah es ja auch ganz gut aus. Dies hat sich bedauerlicherweise mittlerweile geändert.
Eine Übersichtstabelle soll dies belegen:
Schaut man sich nun die Zahlen in der Tabelle an, die den Veröffentlichungen der Homepages Worldometer und Tagesspiegel vom 26.02.2021 entnommen sind, so kann man einiges daraus ablesen, wenn man die Tabellen nach dem Wert „Tote je 100 Infizierte“ sortiert.
Der weltweite Mittelwert liegt bei 2,22, das heißt von 1000 Infizierten sind weltweit bedauerlicherweise mehr als 22 Menschen gestorben. Deutschland schneidet da aktuell deutlich schlechter ab, denn bei uns sind ca. 29 Menschen gestorben. Interessant ist hier, dass Belgien, das bei den Toten pro Million Einwohner weltweit einen sehr unrühmlichen dritten Platz belegt, nur 28 Tote von 1000 Infizierten beklagen musste und Gibraltar, weltweit auf Platz 1 bei den Toten je Einwohner und Platz 2 bei den Infizierten je Einwohner, hatte bisher nur 22 Menschenleben pro 1000 Infizierte zu beklagen.
Wir dürfen diese Relation nicht weiterhin außer Acht lassen. Denn sie gibt uns die Möglichkeit zu bewerten, wo es besser und wo es schlechter gelaufen ist. Und das dürfte ganz maßgeblich mit der Frage zusammenhängen: Welche Regierung oder Verwaltung hat es geschafft am besten die alten Menschen zu schützen.
Schauen wir abschließend noch auf die Stadt- und Landkreise in Deutschland, dann sieht man deutlich wie weit die Schere hier auseinandergehen kann. Während die Stadtkreise Zweibrücken und Rostock als leuchtende Beispiele gelten dürfen, denn sie lägen in der Welttabelle sowohl bei den Infizierten als auch den Todesfällen ganz weit hinten, so ist aber umso erfreulicher, dass sie auch bei der Relation Tote pro Infizierte hervorragende Werte aufweisen. Was das Besondere an Zweibrücken ist, ist mir unklar. Ich bin in der Nähe in der Stadt Pirmasens geboren und aufgewachsen. Ich habe die Entwicklung der Zahlen in den beiden Städten von Anfang an verfolgt, weil dort viele Menschen leben, die schon betagt sind und mir sehr am Herzen liegen. Lange waren die Infiziertenzahlen sehr niedrig – in Pirmasens sogar niedriger als in Zweibrücken. Aber irgendwann – so entnahm ich das den Zeitungsberichten – hat es das Virus in Pirmasens mehr und mehr geschafft in die Heime der alten Menschen einzudringen. Zweibrücken scheint dies vermieden zu haben.
Augenfällig und besser nachvollziehbar sind die Erfolge der Stadt Rostock. denn viele Interviews mit dem Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen machen deutlich, dass es etwas mehr Anstrengung bedarf als sich zurück zu lehnen und auf die Landes- und Bundesregierung zu vertrauen, die in der Pandemie immer nur das Bild von Getriebenen abgegeben haben. Dies wurde in Rostock getan und die Eigeninitiative hat sich gelohnt. Ähnliches wird aus Freiburg berichtet, aber hier stellen sich mögliche Erfolge bei den Zahlenspielen nicht so deutlich dar.
Und dass ganz Schlimmes passieren kann zeigen dann die Zahlen von Kreisen, wie Tirschenreuth, Görlitz oder leider auch meinem Geburtsort Pirmasens. Es mag Gründe geben, die unvermeidbar waren. Kein Bürgermeister kann etwas dazu, dass seine Gemeinde stark überaltert ist. Aber besonders die Bürger*innen in diesen Kreisen hätte man besser schützen müssen und wie die Positivbeispiele zeigen, wohl auch besser schützen können.
Als Weckruf an die große Politik möchte man ausrufen: Nehmt euch endlich ein Beispiel an denen, die es besser gemacht haben, setzt nicht nur auf ein Pferd (die Impfung) und entwickelt endlich eine Strategie, die bis zum Ende der Pandemie und darüber hinaus trägt.
Beitrag von Bernd Dörr