Nun haben sie sich wieder getroffen, wenn auch nur virtuell: Auf der als Münchner Sicherheitskonferenz titulierten Veranstaltung, die immer die Aura einer internationalen Institution verströmt, aber bei der es sich – bei genauerem Hinsehen – um eine private Veranstaltung handelt. Aber das nur als Randbemerkung.

Bewaffnet bis an die Zähne

Das, was in diesem Jahr besonders war, kann als ein hoch bejubeltes Reset bezeichnet werden. Die große Sorge Deutschlands und der EU, die seit dem Amtsantritt Donald Trumps 2016 darin bestanden hatte, dass die alte Front des Westens – vornehmlich gegen Russland – bröckelt, ist Geschichte. Mit souveränem Strahlen verkündete der neue Präsident Joe Biden: America is back! (1) Das erlöste vor allem die deutschen Vertreter, denn schließlich waren und sind es die USA, die nach wie vor militärisch das Potenzial haben, um das Weltgeschehen zu dominieren.

Laut Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) führen die USA mit jährlichen Militärausgaben von 732 Milliarden Dollar einsam in der Tabelle, gefolgt von China mit 261 Milliarden (2). Ist man durch die hiesige Lektüre informiert, erstaunen die Zahlen schon, denn der drittgrößte Investor in Kriegsmaterial ist Indien mit 71,1 Mrd. und erst dann kommt Russland mit 65,1 Milliarden (3) vor Saudi-Arabien (61,9 Mrd.). Frankreich (50,1), Deutschland (49,3) und Großbritannien (48,7) liegen dahinter (4), markieren allerdings als Westeuropäer alleine mehr als das Doppelte der russischen Ausgaben.

Das Zahlenwerk, nüchtern betrachtet, vermittelt einen anderen Eindruck als den, den die hiesige Berichterstattung permanent zu vermitteln sucht. Orientierte man sich an dem – und am Tenor auf der Münchner Sicherheitskonferenz –, dann müsste Russland die Tabelle anführen, gefolgt von China. Die USA wären die einzige Nation, die annähernd an die gewaltige Macht herankäme und die westlich-orientierten Europäer hätten nahezu nichts zu bieten.

Sicherheitskonferenz und Konfrontationskurs

Die Realität sieht anders aus. Und allein das illustriert, wer hier wessen Interessen protegiert. Analysen dazu liegen seit Langem vor. Es geht den USA um die Heartland-Theorie, nach der Weltherrschaft nur durch die ressourcenreiche russische Landmasse zu erlangen und zu halten ist (5). Es geht um gute Geschäfte der Waffenlobbies und es geht um andere Aspekte der Geostrategie. Dass die mittlerweile offen als Feinde eingestuften Kontrahenten Russland und China ebenfalls ihre Interessen auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen bereit sind, sollte bei aller Kritik nicht außer Acht gelassen werden. Da stehen sich Vertreter einer Politikauffassung gegenüber, die das Scherzen und den Small Talk lange hinter sich gelassen haben.

Was jedoch, um noch einmal auf das Münchner Mobilmachungsszenario zurückzukommen, angesichts der global existierenden Herausforderungen einfach nur Betrübnis verursacht, ist das Abfeiern zur Rückkehr eines antiquierten Konfrontationskurses, der bei Betrachtung der oben angeführten Zahlen einmal fälschlicherweise als Wettrüsten bezeichnet wurde. Nichts dazugelernt, aber auch nicht beabsichtigt.

Sollte man das, was sich dort abspielt, beurteilen und nimmt man einmal alte Grundsätze der Diplomatie zur Hilfe, so hat das in München versammelte Ensemble kein Konzept für eine mit ihrer Beteiligung herzustellende Sicherheit entwickelt, es sei denn, man verstünde unter einer steten Militarisierung der Welt, dass das Ziel erreicht sei.

Angesichts der Pandemie, angesichts der klimatischen Veränderungen, angesichts wachsender Ressourcenknappheit bei Beibehaltung der tradierten Produktionsmethoden und angesichts des weiteren Steigens der Weltbevölkerungszahl stünden eigentlich andere Themen auf der Tagesordnung einer Konferenz, die sich mit Sicherheit befasst.

Und vielleicht vermittelten diese Themen auch die Möglichkeit, trotz unterschiedlicher politischer Systeme, zu Offerten der Kooperation zu kommen, was wiederum das Interesse an der Deeskalation von Konflikten zur Folge haben könnte. Außenpolitik und internationales Agieren erfordert eine Architektur. In München trafen sich (virtuell) einmal wieder Architekten, die mit einer derartigen Architektur nichts am Hut haben.


Quellen und Anmerkungen

(1) Tiroler Tageszeitung (19.2.2021): Biden: “Die transatlantische Allianz ist zurück”. Auf https://www.tt.com/artikel/17865998/biden-die-transatlantische-allianz-ist-zurueck (abegrufen am 22.2.2021).

(2) SIPRI Yearbook 2020 Summary: Armaments, Disarmament and International Security. Auf https://www.sipri.org/sites/default/files/2020-06/yb20_summary_en_v2.pdf (abgerufen am 22.2.2021).

(3) Süddeutsche Zeitung (27.4.2020): Sipri: Fast zwei Billionen Dollar fließen ins Militär. Auf https://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsausgaben-sipri-fast-zwei-billionen-dollar-fliessen-ins-militaer-1.4889569 (abgerufen am 22.2.2021).

(4) Augengeradeaus.net (27.4.2020): Militärausgaben weltweit auf Rekordhöhe – Deutschland im vergangenen Jahr mit massiver Steigerung. Auf https://augengeradeaus.net/2020/04/militaerausgaben-weltweit-auf-rekordhoehe-deutschland-im-vergangenen-jahr-mit-massiver-steigerung/ (abgerufen am 22.2.2021).

(5) Der britische Geograf Halford Mackinder (1861-1947) beschrieb 1904 die geopolitische und -strategische Heartland-Theorie in seinem Aufsatz “The geographical pivot of history”. Mackinder setzte sich mit der Bedeutung von Geografie, Technik, Wirtschaft, Industrie und Rohstoff- sowie Bevölkerungsressourcen auseinander, um eine Bewertung von Landmacht und Seemacht vornehmen zu können. Er aktualisierte seine Theorie nach dem Ersten Weltkrieg.

Grob skizziert, beschreibt die Heartland-Theorie einen Weg, um (langfristig) die Welt zu beherrschen. Dies könne gelingen, wenn eine Kontinentalmacht bzw. ein -staat, dem die gesamte Palette der modernen Technik zur Verfügung stünde, Herrschaft über das sogenannte “Herzland” (Heartland) erringen kann. Ins Zentrum der von ihm definierten “Weltinsel” (bestehend aus Europa, Asien und Afrika) verortete Mackinder das “Herzland”. Es erstreckt sich von der Wolga bis zum Jangtsekiang und vom Himalaja zur Arktik, also einem Gebiet, welches hauptsächlich zu Russland gehört.

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