Von nuklearer Abrüstung bis zu den Rechten der Palästinenser – Noam Chomsky erläutert die Notwendigkeit, autoritäre Allianzen und ein festgeschriebenes „Groß Israel“ zu beenden.
Professor Noam Chomsky, weltbekannter Linguist und einer der einflussreichsten politischen Denker der vergangenen fünfzig Jahre, hat zwar im letzten Jahr seinen 92. Geburtstag gefeiert, sein Intellekt und seine Instinkte sind jedoch so scharf wie zuvor. Von den vielen Aspekten seiner Wirkung auf die globale Linke bleibt er ein heftiger Kritiker des Amerikanischen Empire, des globalen Kapitalismus und Israels Politik gegenüber den Palästinensern.
Ich traf mich mit Chomsky im Dezember 2020 zu einem Zoom-Gespräch, nur wenige Monate nachdem Israel Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain unterzeichnet hatte und einigen Wochen, nachdem Joe Biden bei den US-Wahlen Donald Trump geschlagen hatte. Wir diskutierten über die Auswirkungen dieser als Abraham Accords bezeichneten Abkommen, darüber, was Biden tun kann, um die Apartheidpolitik Israels zu beenden und über die Möglichkeit einer breiten Solidaritätsbewegung zur Unterstützung des palästinensischen Volkes.
Das Interview wurde für eine kürzere Fassung und für bessere Verständlichkeit bearbeitet. Eine längere Version wurde zunächst auf Hebräisch auf der Nachrichtenseite Local Call veröffentlicht.
In den letzten Monaten der Trumpregierung wurden zwischen Israel, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten Normalisierungsabkommen unterzeichnet. Weitere Abkommen werden sowohl mit Sudan als auch mit Saudi-Arabien erwartet, Marokko hat eines im Dezember unterzeichnet. Im weiteren Sinne sind diese Abkommen gleichzeitig Waffendeals. Was sollten wir aus diesen Abkommen und ihren Auswirkungen auf die Chancen für eine gerechte Lösung für das palästinensische Volk machen?
Die Palästinenser sind komplett unter die Räder gekommen. Ihnen nützen diese Abkommen gar nichts, denn sie haben stillschweigend abgeschlossene Interaktionen und Vereinbarungen an die Oberfläche gebracht, die sowieso bereits seit langer Zeit bestanden haben.
Formal gesehen befinden sich Israel und Saudi-Arabien im Krieg, in Wirklichkeit sind sie die ganze Zeit seit 1967 Verbündete. Der Krieg 1967 war ein großes Geschenk an Saudi-Arabien und die Vereinigten Staaten aus einem einfachen Grund: In der arabischen Welt gab es einen Konflikt zwischen radikalem Islam in Saudi-Arabien und sekulärem Nationalismus in Ägypten. Die Vereinigten Staaten unterstützten den radikalen Islam ebenso wie die Briten, die dies getan hatten, als sie noch die dominante Macht in der Region waren. Keine der beiden Imperialmächte wollte einen sekulären Nationalismus, da er gefährlich ist – mit einem radikalen Islam hingegen könnten sie leben und ihn kontrollieren.
Saudi-Arabien und Ägypten waren in den 60er Jahren im Krieg. Der große Sieg Israels zerschlug den säkulären Nationalismus und beließ den radikalen Islam an der Macht. An diesem Punkt änderten sich die Beziehungen zwischen den USA und Israel erheblich hin zu ihrer modernen Form. Nach 1967 wurde Israel einfach ein Stützpunkt für die Macht der USA in der Region und driftete stark nach rechts ab.
Saudi-Arabien, Israel und Iran – damals unter dem Shah – wurden als die drei Säulen angesehen, auf die sich die US-Politik in der Region stützte. Formal gesehen waren alle drei Staaten im Konflikt miteinander, unterhielten aber in Wahrheit sehr enge Beziehungen. Ersichtlich wurde dies, als der Shah entmachtet wurde. Es stellte sich heraus, dass die Führer der Labor Partei (Israels herrschende polititsche Partei bis 1977) und andere in den Iran gereist waren und dort sehr enge Beziehungen unterhielten.
Nun, da dies an die Oberfläche gekommen ist, was bedeutet es? Die Trump Administration hatte einen geostrategischen Plan für die Errichtung einer „Reaktionären Intenationalen“: die reaktionärsten und rigidesten Staaten der Welt unter Führung des Weißen Hauses als Grundlage der globalen Macht der USA. Im Mittleren Osten sind dies die Familiendiktaturen der Golfstaaten, speziell der Saudi-Arabische Kronprinz Mohammed bin Salman; Ägyptens Abdel Fattah Al-Sisi mit der härtesten Diktatur der ägyptischen Geschichte sowie Israel, das so weit nach rechts gerückt ist, dass man ein Teleskop braucht, um es zu finden. Mit Biden im Oval Office könnte sich diese Allianz in Abhängigkeit vom Umfang des Aktivismus zu einem bestimmten Grad abschwächen.
Die Entwicklungen in den USA in den vergangenen 10 bis 15 Jahren sind ziemlich bedeutend. Blickt man aber 20 Jahre zurück, so war Israel der Liebling der Liberalen und Gebildeten. Das hat sich geändert. Mittlerweile kommt der Zuspruch für Israel aus der ganz rechten Ecke – Evangelikale, Ultra-Nationalisten und Militaristen. Der äußerste rechte Rand der Republikanischen Partei ist nun die wichtigste Basis für die Unterstützung Israels. Heute unterstützen zahlreiche liberale Demokraten die Rechte der Palästinenser mehr als Israel. Das trifft vor allem auf jüngere Leute zu, einschließlich junger Juden, die sich entweder abwenden oder sich aktiv hin zu einer Unterstrützung für die Palästinenser bewegen.
Das hat bisher keine Auswirkungen auf die Politik der USA. Wenn jedoch Aktivistengruppen in den USA eine echte Solidaritätsbewegung mit den Palästinensern beginnen würden, so wie das bereits für andere nationale Gruppen in Entwicklungsländern der Fall war, könnte das einen Effekt haben.
Kritisch wird es mit den Beziehungen zum Iran. Bekanntermaßen war Elliott Abrahams, Trumps Sondervertreter für den Iran in Israel, um dort die anti-iranische Koalition von Saudi-Arabien, Israel und den Emiraten zu stärken. Es wurden neue und strengere Sanktionen gegen den Iran angekündigt. Das ist im Prinzip ein Kriegsakt und kommt einer Blockade gleich. So hat Iran zum Beispiel gerade Millionen von Grippeimpfstoffen bestellt – eine sehr wichtige Maßnahme, mit der man das Zusammentreffen von Grippeerkrankungen und dem Coronavirus verhindern will. Die USA jedoch haben es blockiert.
Grundlage dieser Politik sind wohl die Ambitionen des Iran im Hinblick auf Atomwaffen – vorausgesetzt wir sind uns darüber einig, dass iranische Atomwaffen ein Problem darstellen. Nun, das tun sie nicht – das einzige Problem mit einem iranischen Atomwaffenprogramm wäre, dass damit eine Abschreckung gegenüber den beiden Schurkenstaaten USA und Israel gegeben wäre, die bei ihrem Feldzug in der Region nicht gestört werden wollen.
Aber nehmen wir mal an, es gibt ein Problem. Die Lösung ist sehr einfach, nämlich die Schaffung einer nuklearwaffenfreien Zone in der Region, die engmaschig kontrolliert wird. Israel behauptet, dass das nicht funktioniert, doch selbst der Geheimdienst der USA gibt an, dass die Inspektionen im Rahmen des gemeinsamen Abkommens sehr gut gelaufen sind.
Gibt es also Vorbehalte gegenüber dieser Idee? Nun, ja. Und zwar nicht seitens der arabischen Staaten, die das schon seit 30 Jahren fordern. Auch nicht seitens des Iran, der es offen unterstützen würde. Es kommt nicht vom Globalen Süden, den G-77 oder den etwa 130 Ländern, die sich offen dafür aussprechen. Und (sogar) Europa würde es befürworten.
Warum geht es also nicht voran? Weil die USA jedes Mal, wenn der Vorschlag in einem internationalen Treffen auf die Tagesordnung kommt, ihr Veto einlegen. Der letzte Präsident, der das getan hat, war 2015 Barack Obama. Warum? Die USA wollen nicht, dass israelische Atomwaffen kontrolliert werden. Im Grunde geben die USA noch nicht einmal offiziell zu, dass Israel im Besitz von Atomwaffen ist. Denn würden sie dies tun, würde ein Gesetz in den USA greifen: Das Verbot, wirtschaftliche und militärische Hilfe für Staaten zu leisten, die Atomwaffen außerhalb des Rahmens des internationalen Waffenkontrollregimes entwickelt haben, wie Israel es getan hat.
Weder die Demokraten noch die Republikaner wollen durch diese Tür gehen. Gäbe es jedoch in den Vereinigten Staaten eine Solidaritätsbewegung, könnte sie sich öffnen. Wenn die Amerikaner wüssten, dass wir einem potenziellen Krieg gegenüberstehen, um israelische Atomwaffen zu schützen, wären sie wütend. Das ist die Aufgabe einer Solidaritätsbewegung, würde sie existieren. Leider ist dies nicht der Fall, es wäre aber eine reelle Möglichkeit.
In dem Zusammenhang erwähnten Sie den starken und beispiellosen Rechtsruck Israels sowie die Möglichkeit einer Solidaritätsbewegung innerhalb der USA unter Einbeziehung nicht nur im Exil lebender Palästinenser, sondern auch amerikanischer Juden, die vor allem liberal sind und die sich nun schon seit Jahrzehnten von Israel abgewendet haben. In Ihren Beiträgen haben sie auch die absolute Abhängigkeit Israels von der Unterstützung der USA erwähnt, wie man exemplarisch Falcons (F-16 Kampfjet) Deal sehen kann.
Ist angesichts diese drei Tatsachen die israelische Gesellschaft ein hoffnungsloser Fall? Sollten israelische Aktivisten es aufgeben, auf ihre Landsleute einzuwirken und sich stattdessen dem internationalen Druck auf Israel anschließen?
Ich denke, dass sie vor allem versuchen sollten, sich zu vergegenwärtigen, was geschehen ist. Mitte der 70er Jahre traf Israel (unter Führung der Labor-Regierung) eine verhängnisvolle Entscheidung: sie hatten klar die Wahl zwischen Frieden und Integration in der Region oder Expansion. Es gab große Chancen für eine politische Lösung – Ägypten setzte sich stark dafür ein, Syrien und Jordanien schlossen sich dem an. Die PLO war ambivalent – hinter verschlossenen Türen befürworteten sie eine solche Lösung, hätten dies aber nicht offen zugegeben.
Man stand mehrmals kurz vorm Ziel. Eines der entscheidenden Ereignisse, das heute fast aus den Geschichtsbüchern verschwunden ist, fand im Januar 1976 statt. Der UN Sicherheitsrat debattierte über eine Resolution für eine Zweistaaten-Lösung auf Grundlage der „Green Line“, der international anerkannten Grenze, und ich zitiere: „mit Garantien auf das Recht jedes Staates, in Frieden und Sicherheit und innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen zu bestehen.“
Israel sah komplett rot. Sie weigerten sich, an der Sitzung teilzunehmen. Premierminister Yitzhak Rabin lehnte den Vorschlag glatt ab und gab an, er werde niemals irgendetwas mit irgendeinem Palästinenser verhandeln und dass es niemals einen Staat Palästina geben werde. Chaim Herzog, israelischer Botschafter bei der UNO, behauptete später (natürlich falsch), dass die Resolution von der PLO mit dem Versuch initiiert worden war, Israel zu zerstören. Das sind die „Tauben“. Sie rasteten komplett aus und wollten nichts damit zu tun haben.
Die USA legten ihr Veto gegen die Resolution ein. Und wenn die USA ihr Veto einlegen, so zählt das doppelt: die Resolution ist vom Tisch, und sie ist aus der Geschichte verbannt. Das passiert immer wieder.
Es gab andere ähnlich gelagerte Gelegenheiten. Für die Labor Partei (Mapai) stand vor allem die Expansion in den Sinai auf dem Spiel. Sie folgten den Galiläa-Protokollen und errichteten die jüdische Stadt Jamit, wobei sie Dörfer und Städte der Beduinen zerstörten sowie Kibbuze und andere Siedlungen im Sinai errichteten. Der ägyptische Präsident Sadat stellte eindeutig klar, dass der Bau von Jamit Krieg bedeutet. Das ist der Hintergrund des Yom Kippur Krieges von 1973. Doch Israel machte weiter.
Die damalige, sogenannte „linke“ israelische Regierung zu dieser Zeit zog die Expansion der Sicherheit vor. Und das war eine verhängnisvolle Entscheidung: einmal getroffen, machten sie sich damit komplett abhängig von den USA. In den 70er Jahren wurde klar, dass Israel sich damit in einen Pariastaat verwandeln würde. Früher oder später würde sich die Welt gegen die Politik der Expansion, Gewalt, Agression und des Terrors in den besetzten Gebieten wenden. Und genau das geschah im Laufe der Jahre. Es war unvermeidlich.
Und damit kommen wir zu dem, was Sie gerade angesprochen haben. Jedes Mal, wenn die USA mit der Faust auf den Tisch haut und sagt „Ihr müsst das tun“, fügt sich Israel, egal, wie sehr sie es ablehnen. Jeder einzelne US-Präsident – Reagan, der erste Bush, Clinton, der zweite Bush – sie alle nahmen Israel in die Mangel. Israel gefiel das nicht, sie mussten aber damit leben. Der erste US-Präsident, der niemals Forderungen an Israel stellte war Obama – er war (bis dann Trump kam), der pro-israelischste Präsident der Geschichte. Für Israel war er jedoch nicht hilfreich genug.
Was Obama machte, ist in der Tat bemerkenswert. Normalerweise werden die Vetos der USA nicht veröffentlicht, mit einer Ausnahme: Im Februar 2011 legte Obama sein Veto gegen eine Resolution des Sicherheitsrates ein, die die USA dazu aufrief, ein Ende der Siedlungspolitik von Israel zu verlangen. Das (eigentliche) Thema ist nicht die Expansion, sondern es sind die Siedlungen – doch selbst zu diesem kleinen Punkt legte Obama sein Veto ein. Noch extremer die Trump-Regierung – ein direktes Sprachrohr Netanjahus.
Biden wird möglicherweise zur Politik wie unter Obama zurückkehren. Er könnte weiter nach links schwenken, wenn sich die Aktivistenbewegungen organisieren und wegen der Atomwaffen Druck machen. Damit könnten die bedrohlichen Aussichten auf einen Krieg im Nahen Osten verringert oder beendet werden.
Es gibt jedoch noch mehr. Das Leahy-Gesetz (benannt nach Senator Patrick Leahy, Vermont) verbietet militärische Hilfe der USA überall dort, wo Menschenrechte systematisch verletzt werden. Diese Tür möchte niemand öffnen, eine Aktivistenbewegung jedoch wäre dazu in der Lage. Selbst allein die Androhung oder Diskussion über die Einstellung wirtschaftlicher oder militärischer Unterstützung hätte einen bedeutenden Einfluss – insbesondere da Israel vor Jahren die Entscheidung getroffen hat, sich den Vereinigten Staaten komplett zu unterwerfen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt in der üblichen Debatte über den Nahen Osten erwähnen. Im Falle von Israel und Palästina werden uns üblicherweise zwei Optionen gegeben. Eine ist der langwährende internationale Konsens über eine Zweistaatenlösung. Die andere Option ist nur ein Staat, in dem Israel die West Bank übernimmt. Damit gäbe es möglicherweise einen anti-Apartheid Kampf für die Palästinenser. Das jedoch sind nicht die beiden Optionen – der eine Staat ist keine Option, da Israel nie damit einverstanden wäre, ein mehrheitlich palästinensischer Staat mit einer jüdischen Minderheit zu werden.
Die zweite Option neben der Zweistaatenlösung hat sich seit 50 Jahren vor unseren Augen manifestiert: Groß Israel. Israel übernimmt in den okkupierten Gebieten was immer es will, jedoch nicht die Ballungsräume. Israel will weder Nablus noch Tulkarem. Teilt dann die anderen Gebiete in fast zweihundert Enklaven auf, umringt von Soldaten, Checkpoints und anderen Maßnahmen, die das Leben miserabel machen. Zerstört ein weiteres Dorf, wenn niemand hinschaut – wie jüngst im Jordantal im Schatten der US-Wahlen. Schritt für Schritt, Dunam für Dunam, so dass es die Goyim nicht merken oder vorgeben, es nicht zu merken. Dann kommt ein Wachturm, ein Zaun, ein paar Ziegen – und schon ist es eine Siedlung. Das ist die Geschichte des Zionismus.
Mittlerweile hat Israel sein „Groß Israel“ bereits ziemlich etabliert. Das ist die zweite Option, und wir sollten darüber reden. Dieses „Groß Israel“ Projekt wird das berühmte „demografische Problem“ lösen – zu viele Nicht-Juden in einem jüdischen Staat. Es werden nicht viele Palästinenser in den zu Israel kommenden Gebieten leben, es wird jedoch viele Siedler geben. Und wenn dieses Projekt durchgesetzt und festgeschrieben sein wird, wird es ein mehrheitlich jüdischer Staat sein. Das hat sich offen vor unseren Augen entwickelt und darüber sollten wir sprechen, nicht über die Illusion eines Staates. Ich denke es wäre eine großartige Idee, jedoch ist es keine Option.
Um vielleicht mit etwas Leichterem zu schließen: Im vergangenen Jahr war der 20. Jahrestag des Endes der indonesischen Okkupation von Ost Timor. Wie Sie in Ihrem Buch „A New Generation Draws the Line“ schreiben, leitete das Ende der Okkupation von Ost Timor durch Suharto zunächst eine neue Welle von Massakern gegen Zivilisten ein und infolgedessen kam dann im Prinzip die Aufforderung von Präsident Bill Clinton and Suharto, die von den USA unterstützte Okkupation zu beenden.
Zieht man in Betracht, dass Israel mindestens genauso, wenn nicht sogar noch abhängiger von der Unterstützung der USA für seine anhaltende Okkupation der West Bank und seine Belagerung des Gaza-Streifens ist, können Sie dann eine Zukunft sehen, in der eine Solidaritätsbewegung in den USA der Okkupation Palästinas ein Ende bereiten könnte?
Das ist eine sehr interessante Analogie. Ost Timor stand nach dem Zweiten Weltkrieg am nächsten vor einem echten Genozid – unbeschreibliche Gräueltaten vernichteten einen Großteil der Bevölkerung, eine völlige indonesische Agression. Die USA unterstützen das die ganze Zeit von Anfang bis Ende, bis September 1999. Einige Wochen später forderte Clinton das indonesische Militär stillschweigend zum Rückzug auf, was sie sofort taten. Das nennt man Macht. Das internationale System – und Gelehrte schreiben gerne gescheite Sätze darüber – aber im Prinzip ist es wie bei der Mafia: Der Pate sagt Dir, was Du tun sollst, und Du tust es, ansonsten…
Wir konnten das gerade eindrücklich vor einigen Wochen Ende 2020 beim Sicherheitsrat erleben. Die USA wollten, dass der Sicherheitsrat wieder Sanktionen gegen den Iran beschließt. Der Sicherheitsrat weigerte sich; kein einziger Verbündeter der USA stimmte zu. Und was passierte dann? Außenminister Mike Pompeo ging zum Sicherheitsrat und sagte „Sorry, aber Ihr nehmt die Sanktionen wieder auf.“ Und das taten sie. So funktioniert die Welt.
Der Fall Indonesien-Timor war sehr einprägsam. Es war ein langer Kampf, 25 Jahre harte Arbeit, speziell in Australien und den Vereinigten Staaten. Niemand hatte jemals überhaupt etwas von Ost Timor gehört – die Presse nahm keine Notiz davon oder verbreitete Lügen und so weiter. Schließlich kam es an die Oberfläche. Und dann sagte Clinton dem indonesischen Militär einfach still und leise, „Das Spiel ist aus, geht.“
Ich glaube nicht, dass es in Israel genauso ablaufen würde, aber ein ähnliches Szenario is absolut vorstellbar. Anzeichen dafür konnte man schon beobachten, zum Beispiel als George W. Bush zu obersten Vertretern des israelischen Militärs sagte „Es ist Euch noch nicht einmal gestattet, die USA zu besuchen, solange Ihr nicht tut, was wir sagen und Ihr müsst Euch entschuldigen“. Und natürlich taten sie das. Sobald die USA ihnen sagte, „Es ist vorbei“, gaben sie klein bei. So sind die Machtverhältnisse.
Es könnte also so geschehen. Nicht genauso, aber in der Art. Und noch einmal, ich glaube was ernsthaft zum Erfolg führt ist eine gemeinsame Solidaritätsbewegung von Israel und den USA, die sich diese Ziele gesetzt hat. Das könnte funktionieren.
Interview von Von Lilach Ben David. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!