Obdachlose sind besonders gefährdet für eine Infektion mit Covid-19. Schließlich ist es nicht so einfach, zu Hause zu bleiben oder sich regelmäßig die Hände zu waschen, wenn man kein Dach über dem Kopf hat. Deshalb priorisiert Dänemark jetzt Obdachlose im Impfplan. 200 von ihnen erhielten zwischen dem 15. und 16. Februar die erste Teilimpfung.
Die Covid-19-Pandemie trifft Obdachlose besonders hart. Zu Hause bleiben, regelmäßig Hände waschen und social distancing sind für Obdachlose kaum machbar. Aus diesem Grund arbeiten mehrere dänische Wohltätigkeitsorganisationen zusammen, um Obdachlose an die Spitze der Impfschlange zu bringen. Die dänische Impfstrategie folgt einem 12-stufigen Plan: Die Bevölkerung wird in Zielgruppen eingeteilt. Obdachlose fallen in die Zielgruppe 10 und sollen nach jetzigen Angaben Anfang April geimpft werden. Obdachlose und sozial benachteiligte Menschen, die besonders gefährdet sind, können in Kategorie 5 „aufsteigen“ und werden früher geimpft. Diese Kategorie umfasst Menschen mit Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Immunschwächen.
Arztbesuch als Pflicht für Impfung
Dieser „Schritt nach oben“ erfordert jedoch einen Arztbesuch. Erst wenn durch eine ärztliche Abschätzung festgestellt wird, dass die Person einem besonderen Risiko einer ernsthaften Reaktion auf das Virus ausgesetzt ist, werden sie in Kategorie 5 aufsteigen. Dieser Ansatz stößt bei gemeinnützigen Organisationen, die sich für die Rechte von Obdachlosen in Dänemark einsetzen, auf Kritik: Da Obdachlose selten von den Gesundheitsdiensten des Landes profitieren können, ist der zusätzliche ärztliche Besuch ein weiteres Hindernis.
„Leider werden Obdachlose nicht automatisch in Kategorie 5 eingestuft. Wir haben den Eindruck, dass fast alle von ihnen, wenn sie die Möglichkeit hätten, einen Arzt aufsuchen würden.“ sagt ein Mitglied von Gadejuristen (Dänisch für: Straßenanwälte). Gadejuristen ist eine Nichtregierungsorganisation, die Rechtsberatung für schutzbedürftigen Menschen auf Ebene der Straßenarbeit anbietet.
Obdachlosigkeit in Dänemark
Laut VIVE, dem Dänischen Zentrum für sozialwissenschaftliche Forschung, sind derzeit 6.431 Menschen in Dänemark obdachlos. 200 von ihnen wurde die erste Teilimpfung zwischen dem 15. und 16. Februar 2021, über die gemeinnützige Organisation Gadejuristen, verabreicht, nachdem sie sich einer ärztlichen Untersuchung unterzogen hatten.
Definition von Obdachlosigkeit:
FEANTSA ist die einzige europäische Nichtregierungsorganisation, die sich ausschließlich auf den Kampf gegen Obdachlosigkeit konzentriert. Sein oberstes Ziel ist es, die Obdachlosigkeit in Europa zu beenden. FEANTSA hat eine Definition von Obdachlosigkeit entwickelt und nennt sie „ETHOS“. ETHOS beschreibt Obdachlose nach ihrer Wohnsituation. Dies definiert, ob eine Person obdachlos oder wohnungslos ist, ihre Wohnsituation als ungesichert oder unzureichend gilt. Diese Kategorien gliedern sich in 13 operative Kategorien, die für verschiedene Politikbereiche verwendet werden können, z. B. Identifizierung von Obdachlosigkeit, Entwicklung, Überwachung und Bewertung von Obdachlosenpolitik.
Dänemark impft seit dem 27. Dezember 2020. Ziel des Landes ist es, die gesamte Bevölkerung bis in die Frühsommermonate 2021 zu immunisieren. Mit einem Anteil von 3 % an vollständig verabreichten Impfungen (gemessen an der Gesamtbevölkerung) belegt das nordeuropäische Land den zweiten Platz (nach Malta) im Impfranking innerhalb der EU.
Impfungen für Obdachlose in anderen Ländern
Aber Dänemark ist nicht das einzige Land, das an seine obdachlosen Bürger denkt: Auch im Vatikan, in den Gemeinden Detroit, in den Vereinigten Staaten und in Teilen von Montreal, in Kanada, gibt es Covid-19 Impfinitiativen für Obdachlose. In Österreich gehören Obdachlose zur erweiterten Risikogruppe. Diese Gruppe wird voraussichtlich in Phase 2 geimpft, mit einem geplanten Impfstart im März 2021.
Obdachlosigkeit in Dänemark – Zahlen und Fakten
VIVE führt seit 2007 alle zwei Jahre eine landesweite Erhebung zur Obdachlosigkeit durch. Über einen Zeitraum von sieben Tagen (immer in der 6. Kalenderwoche) sammelt das dänische Zentrum für sozialwissenschaftliche Forschung Daten. Die nationale Obdachlosenzählung deckt acht verschiedene Obdachlosensituationen ab.
Nach der jüngsten Zählung von 2019 werden Obdachlose wie folgt verteilt:
- Personen, die im Freien schlafen (ETHOS 1.1): 732
- Personen, die in Notunterkünften schlafen (ETHOS 2.1): 313
- Personen in Obdachlosenunterkünften/Hostels (ETHOS 3.1): 2.290
- Personen, die wegen Obdachlosigkeit in Hotels übernachten: 191
- Personen, die bei Familie und Freunden wohnen: 1.630
- Personen, die in kurzfristigen Übergangsunterkünften wohnen: (ETHOS 8.1): 121
- Nach Haftentlassung untergebrachte Personen (ETHOS 6.1): 72
- Obdachlose nach Entlassung aus Krankenhäusern/Behandlungseinrichtungen (ETHOS 6.2): 148
- Sonstige: 380
- Nicht spezifiziert: 554
Gesamt: 6.431
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Jenny Blassauer aus dem ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!