Sie absolvierte ihre Schauspielausbildung schon schulbegleitend, legte ihr Abi mit 18 ab, debütierte in Italien, war zu Dreharbeiten in Australien, stand in Afrika auf der Bühne, wurde (Single-)Mama, musste (wie viele andere Singlemütter) zur Armentafel, wurde vom Jobcenter sanktioniert und durch Gentrifizierung fast obdachlos, reiste als Yogalehrerin auf dem weltbesten Kreuzfahrtschiff zum Nordkap, feierte Erfolge als Autorin, heiratete mit 64, trat im Bundestag auf, ist Großmama und Überlebenskünstlerin; in ihrem Buch „Heart’s Fear“ erzählt sie ihre Geschichte – stellvertretend für viele andere Frauen, Mütter und Kulturschaffende im Existenzkampf. Am 10. März, ein halbes Jahr nach ihrem 50. Bühnenjubiläum, feiert die Schauspielerin und Autorin Bettina Kenter ihren 70. Geburtstag.

Sie wuchs in Wiesbaden, Essen und Stuttgart in einer Theaterfamilie auf, ihr Vater war der renommierte Regisseur und Schauspielpädagoge Heinz Dietrich Kenter. Ihre erste Rolle spielte Bettina mit knapp 19 Jahren am berühmten Piccolo Teatro in Mailand, schon bald darauf stand sie monatelang in Australien vor der Kamera: Die internationale TV-Serie „Luke’s Kingdom-Firbecks neues Land“ eröffnete die Ära des Farbfernsehens in Down Under; Regie führte Peter Weir (Regisseur von „Truman Show“ und „Der letzte Zeuge“).

Die gefragte Jungschauspielerin stand neben Inge Meysel auf der Bühne, agierte im Fernsehstudio mit Lina Carstens, Eddie Arend, Angelika Milster, Heinz Bennent, Hans-Joachim Kulenkampff und anderen namhaften Kollegen der 1970er-Jahre, im Kinofilm „Gruppenbild mit Dame“ stand sie neben Romy Schneider vor der Kamera.

Nach zwölf Theater- und Fernsehjahren wechselte die frischgebackene Singlemama die Branche, wurde Sprecherin, Autorin und Regisseurin für Synchron; dort ist sie bis heute tätig; zuletzt sprach sie u.a. die Christine in der Schweizer TV-Serie „Wilder“.

Erst 2010 kehrte sie für einige Produktionen zurück auf die Bretter, die die Welt bedeuten: Auf Einladung des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell reiste sie mit dem Stuttgarter theater tri-bühne  nach Afrika, zu einem Gastspiel am Teatro Avenida, Maputo/Mosambik, damals von Mankell geleitet. 2018 war sie am Berliner Ensemble an der Produktion „Auf der Straße“ in beratender Funktion beteiligt.

Als Autorin wurde sie mehrfach prämiert, unter anderem mit dem Preis der Luzerner Literaturförderung; ihr Theaterstück „Hartz-Grusical“ wurde 2011 mit dem Stuttgarter Autorenpreis ausgezeichnet; seither setzt sie sich öffentlich für die Enttabuisierung der Armut ein, von der seit 2020 immer mehr Kulturschaffende betroffen sind.  Seit ihrer Heirat im Jahr 2015 schreibt sie unter dem Namen Bettina Kenter-Götte.

Das zweite Buch der Autorin, „Heart’s Fear – Hartz IV – Geschichten von Armut und Ausgrenzung„, erschien 2018 im Verlag Neuer Weg. Dieses „Armutsouting aus der Kulturwelt“ stieß auf anhaltendes mediales Echo und auf großes Publikumsinteresse. Vom Frühjahr 2018 bis zum „Lockdown“ 2020 trat die erfolgreiche Armutserfahrene bei über 50 Veranstaltungen in ganz Deutschland auf, im Dezember 2019 las sie im Bundestag in Berlin bei „Mehr als 15 Jahre Kampf gegen Hartz IV“. Für das Frühjahr 2021 ist eine Neuauflage des Buches geplant, erweitert um aktuelle Themen wie das „Sanktionsurteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 und die Auswirkungen der Coronamaßnahmen auf Kulturschaffende und Soloselbstständige.

Für das Vorwort zur Ausgabe 2021 zeichnet Max Uthoff („Die Anstalt“, ZDF). „Heart’s-Fear“-Lesungen finden wegen der fortdauernden Einschränkungen vorerst nur online statt. Neue Folgen sind zu sehen bei https://lifestudio.ffbaktiv.de, und alle Folgen ständig auf www.youtube.com/ffbaktivstudio.

Bettina Kenter-Götte arbeitet nach wie vor als Synchronschauspielerin; sie hat eine erwachsene Tochter und eine kleine Enkelin und lebt mit ihrem Mann im Großraum München.

Ihr nächstes Projekt: Endlich den (freien) Handstand zu können. Hat leider zum 70. nicht mehr geklappt, weil der Sportverein „maßnahmenbedingt“ dichtmachen musste.

Als Schauspielerin honoriert, als Singlemama diskriminiert, als Autorin prämiert, vom Jobcenter sanktioniert:

(Bild von: Bettina Kenter-Götte)