34 Jahre später bekommen diejenigen, die das Chaos beseitigen mussten, ihren Tag vor Gericht.
Von John LaForge
Veteranen der Luftwaffe, die nach der ersten US-Atomwaffenkatastrophe in Spanien Plutonium ausgesetzt waren, haben in einer Klage gegen das Department of Veterans Affairs (VA) die äußerst seltene Anerkennung als Sammelkläger erlangt.
Am 17. Januar 1966 explodierte ein B-52-Bomber der Air Force während einer routinemäßigen Luftbetankung über dem Dorf Palomares in Spanien. Sieben Piloten wurden getötet und die vier Wasserstoffbomben des Bombers wurden auf die Erde geschleudert. Konventionelle Sprengstoffe (nicht die nuklearen Sprengköpfe) in zwei der Bomben detonierten in massiven Explosionen, eine davon direkt im Dorf, wodurch riesige, mit Plutonium bedeckte Krater entstanden und bis zu 22 Pfund pulverisierter Plutoniumstaub über Häuser, Straßen und landwirtschaftliche Felder geschleudert wurden.
Am 19. Juni 2016 veröffentlichte die New York Times einen 4.500 Wörter umfassenden investigativen Bericht über die Klage, die von Chief Master Sergeant Victor Skaar (USAF, Rt.) beim Court of Appeals for Veterans Claims eingereicht wurde. Skaar, der damals 30 Jahre alt war, gehörte zu einem Aufräumteam, das unter dem Namen „Operation Moist Mop“ für den Katastrophenschutz eingesetzt wurde. Ein Trupp von etwa 1.700 Soldaten war damit beschäftigt, 400 Hektar Land zu vermessen und die Gebäude der Dörfer innen und außen zu reinigen. Über einen Zeitraum von 80 Tagen füllten sie 4.810 Fässer mit plutoniumkontaminierter Erde und luden die Fässer auf ein Schiff zur Entsorgung in den USA.
Zwei Jahre nachdem Skaar 1981 in den Ruhestand ging, erkrankte er an einer Blutkrankheit namens Leukopenie. Seitdem versucht er, die Krankheit als dienstbedingt anerkennen zu lassen. In einem Telefoninterview sagte Skaar zu Nukewatch, dass Dutzende von Veteranen, die während der Aufräumarbeiten kontaminiert wurden, ebenfalls erkrankt sind. Wenn ihre Ansprüche vor Gericht durchgesetzt werden können, hätten sie Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung und eine Invalidenrente.
Manchmal bestanden die „Aufräumarbeiten“ darin, den Plutoniumstaub abzuspritzen. Der Plutoniumstaub wurde von Häusern, Straßen und sogar von einer Schule abgespritzt, so dass der giftige Abfluss die flussabwärts gelegenen Oberflächengewässer verseuchte. Wenn die Fässer mit der gesammelten Erde überhöhte Strahlungswerte aufwiesen, bliesen die Truppen den Staub mit Luftkompressoren ab. Beim Testen der Kleidung der Truppen, stieg die Radioaktivität der Messgeräte regelmäßig zu hoch an.
Nach der Enthüllung in der Times 2016 rief Michael Wishnie, ein Professor für Recht an der Yale Law School, der die Veterans Legal Services Clinic leitet, Skaar an und bot seine Unterstützung in dem Fall. Es war von Anfang an ein Kampf zwischen David und Goliath. Skaar sagte der Times: „Zuerst sagten sie mir, es gäbe keine Aufzeichnungen. Doch ich wusste, dass es eine Lüge war, weil ich damals half, sie zu erstellen.“
Die Air Force scheint entschlossen zu sein, die Verantwortung so lange zu leugnen, bis die überlebenden Veteranen versterben und die Klage hinfällig wird. Meghan Brooks, ein ehemaliges Mitglied der Yale Clinic, sagte der Times: „Diese unsinnige Methode, die von der Air Force angewandt wurde, schadete nicht nur Mr. Skaar, sondern auch allen anderen Palomares-Veteranen. Mr. Skaar möchte wirklich im Namen der anderen kämpfen“, sagte sie.
Nachdem Sgt. Skaar drei Jahrzehnte lang unermüdlich Anträge nach dem Freedom of Information Act (FOIA) gestellt und wiederholt Einspruch gegen die Ablehnung des FOIA eingelegt hatte, gelang ihm und dem Yale-Team schließlich der Durchbruch. In einer Entscheidung vom 6. Dezember 2019 gewährte das Berufungsgericht den Status einer Sammelklage für einige, aber nicht alle Palomares-Veteranen. Das Gericht stellte auch fest, dass Skaar als „Repräsentant“ für noch nicht benannte Mitglieder der Gruppe dienen kann.
Der Sammelklagestatus für Skaar und die anderen Kläger „stellt einen großen Schritt nach vorne für Veteranen mit langfristigen Gesundheitsproblemen dar, die mit der toxischen Belastung im Dienst zusammenhängen“, berichtete die Times am 11. Februar 2020.
Am 2. September 2020 hörte das Gericht dann mündliche Beweisführungen in dem Fall und akzeptierte neue Beweise, darunter eine Erklärung von Dr. Murry Watnick, einem ehemaligen medizinischen Offizier des Strategic Air Command. (Dr. Watnick ist ein langjähriger Unterstützer von Nukewatch und hat uns auf die Sammelklage aufmerksam gemacht.) Ein Teil von Watnicks eidesstattlicher Erklärung besagt, dass „die Menge des freigesetzten Plutonium-239 auf ungefähr 10 Kilogramm [22 lbs] geschätzt wurde. Ein Mikrogramm Plutonium-239 ist extrem giftig. Die geschätzte Freisetzung betrug drei Milliarden Mikrogramm.“
Die Hauptgefahr von Plutonium geht vom Einatmen aus, weil seine tödlichen Alphateilchen sich in der Lunge festsetzen und „die angrenzenden Zellen mit hochgiftiger ionisierender Strahlung bombardieren“, schrieb Watnick. Die betroffenen Truppen waren „sechs bis acht Stunden täglich Plutoniumstaub in einer Umgebung ausgesetzt, die das Einatmen von Alphateilchen sehr begünstigt.“
Die Sammelklage konzentriert sich auf die Bestreitung des Anspruchs von Mr. Skaar auf eine dienstbedingte Erkrankung durch das VA und die „willkürliche und mutwillige“ Verwendung von inadäquaten Strahlungsdaten durch das Militär, basierend auf mangelhaften Aufzeichnungen und der fehlerhaften Aufbewahrung von Urinproben, die von Mitgliedern der Aufräummannschaft genommen wurden. Die Veteranen beanstanden auch die Tatsache, dass die Reinigungsarbeiten in Palomares von der Liste der Aktivitäten mit Strahlungsrisiko ausgenommen wurden. Die Berufung läuft derzeit noch.
John LaForge ist Co-Direktor von Nukewatch, einer Gruppe für Frieden und Umweltgerechtigkeit in Wisconsin, und Herausgeber ihres Newsletters.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!