Fast ohne Vorwarnung hat sich das Leben von Studenten im letzten Jahr gewandelt: saß man einst gemeinsam in Kursräumen mit Professoren und Kommilitonen, sieht man diese nun nur noch auf dem Bildschirm. Auch heute, fast ein Jahr später, ist dies für viele Studenten immer noch der Fall.

Letztes Semester wurde an der SUNY Cortland der gesamte Campus auf Fernunterricht umgestellt, nachdem die Zahl der positiven Covid-Fälle auf dem Campus mehrere Wochen hintereinander die Hunderter-Marke überschritten hatte. Auch im neuen Semester, das diese Woche begonnen hat, werden 70% aller Cortland-Klassen weiterhin online unterrichtet, nur eine Handvoll trifft sich persönlich. Für die meisten Studenten war die Umstellung auf Fernunterricht allerdings eine Herausforderung.

Die Tatsache, dass viele Studenten nicht mehr persönlich am Unterricht teilnehmen können, hat ihre Lernfähigkeit stark beeinträchtigt. Für einige ist dies auf die Ablenkungen zurückzuführen, die mit dem Online-Lernen einhergehen. Die von mir befragten Studenten scheinen sich einig zu sein, dass sie viel konzentrierter sind und mehr Informationen behalten, wenn sie in einem Seminarraum lernen, als wenn sie remote lernen.

Auf die Frage, welche Erfahrungen sie mit dem Fernstudium gemacht hat, sagte Emily, die ein Ausbildung zur Sport-Trainerin absolviert: „Ich muss in einem Kursraum sein – alles, was online stattfindet, nehme ich nicht so gut auf… Wenn ich in Online-Kursen bin, habe ich nicht wirklich das Gefühl, dabei zu sein… Ich nehme nicht teil, kann nicht zuhören und kann mich nicht konzentrieren.“

Lindsay, eine Sportstudentin, fühlte sich ähnlich wie Emily: „Wenn ich in einem Seminarraum bin, konzentriere ich mich auf meinen Lehrer, aber wenn ich online bin und auf meinen Computer schaue, lasse ich mich leicht ablenken, weil ich in meinem Bett liege und mein Telefon neben mir liegt.“

Lindsay sagte auch: „Wenn ich online arbeite, erledige ich vornehmlich Aufgaben statt tatsächlich zu lernen.“

Nachdem ich Lindsays Antwort gehört hatte, fragte ich andere Studenten, ob sie das Gefühl hätten, dass sie wirklich lernen, wenn sie online sind, oder ob sie auch das Gefühl hätten, dass sie nur Arbeitsblätter ausfüllen und diese für Noten einreichen. Kevin, ein Student des Studiengangs Outdoor Recreation (deutsch: Outdoor-Aktivitäten), hatte dazu einige interessante Anmerkungen.

Er sagte: „Ich denke, mit jeder Art von Online-Arbeit ist es in etwa dasselbe. Sicherlich ist alles, das in einem Unterrichtsraum stattfindet, viel anschaulicher und vorteilhafter – aber es kommt darauf an, wie man lernt. Einige Leute sind praktisch veranlagt, andere sind technisch veranlagt – sie brauchen jemanden, der ihnen den Stoff erklärt, sie brauchen auch visuellen Input. „Online“ ist dabei ein Werkzeug. In Kombination mit physischem Lernen ist es großartig. Online-Lernen allein jedoch ist – für mich persönlich – nicht effektiv. Ich glaube nicht, dass ich weniger lerne, aber die Art und Weise, wie ich Wissen behalte, passt nicht zum Fernlernen. Durch das ganze Fernlernen bin ich jedoch besser darin geworden, mit Online-Methoden zu lernen.“

In Bezug auf die Effektivität gibt es nicht nur eine einzige Art des Fernlernens, was es für Studenten schwierig macht, sich in Routinen einzuleben und sich an die vielen Methoden ihrer Professoren anzupassen.

Kevin sagte dazu: „Fast jeder Dozent, Lehrer oder Moderator verfolgt einen anderen Ansatz für das Fernlernen, ob es nun verschiedene Programme oder verschiedene Unterrichtsstile waren – es gab nicht eine einzige Methode, die in allen meinen Kursen verwendet wurde, so dass es sehr schwer war, sich an jeden einzelnen anzupassen, und das war eine große Erschwernis für effektives Lernen in meinen gesamten letzten drei Semestern.“

Eine weitere Herausforderung, die mit dem Fernstudium einhergeht, ist die Tatsache, dass vielen Studenten die praktische Übung fehlt, die sie für ihre Studienfächer und ihre berufliche Praxis benötigen.

Auf die Frage, wie sich das Fernstudium ihrer Meinung nach auf ihre Zukunft auswirken wird, sagte Lindsay, die Grundschüler in Sport unterrichten möchte: „Da ich keine Präsenzveranstaltungen habe, sammle ich keine Erfahrung oder Praxis im Unterrichten. Letztes Jahr, als ich in meinen Klassen unterrichtete, wurde ich jedes Mal besser, aber jetzt habe ich nicht die Möglichkeit, das zu tun.“

In ähnlicher Weise sagte Rachel, die Therapeutic Recreation (deutsch: Entspannungstherapie) studiert und hofft, in der Ergotherapie arbeiten zu können: „Ich sammle nicht die praktische Erfahrung mit Menschen, die ich für die Ausübung meines Beruf benötige. Ich habe auch das Gefühl, dass es ohne diese Erfahrung schwieriger für mich sein wird, einen Job zu bekommen, da ich nicht das Wissen habe, das andere Leute durch ihre Erfahrungen und durch den Umgang mit Menschen erworben haben.“

Wegen des Mangels an praktischer Erfahrung, die sie erhalten hat, hat Emily – die bereits 450 Stunden klinische Erfahrung hätte, wenn das Fernstudium nicht eingeführt worden wäre – darüber nachgedacht, ihren Berufsweg zu ändern. Sie sagte: „Ich denke bereits darüber nach, meinen Beruf zu ändern, weil der so praxisorientiert ist und wir so gut wie keine klinische Praxis hatten, also möchte ich im Grunde genommen zu etwas wechseln, das ich online machen kann, weil es sich so anfühlt, als würde es nie enden.“

Trotz dieser Schattenseiten des Fernlernens wies Kevin auf etwas Hoffnungsvolles hin: „Ich denke, dass das Lernen für Leute zugänglicher wird, die anfangs dachten, dass es nichts für sie ist. Jemand, der dachte: ‚Oh, die Schule ist nichts für mich‘, hat jetzt vielleicht mehr Zugang dazu, weil es online ist. Ich glaube, dass sich [das Lernen] dadurch weiter verbreiten wird.“

Im Moment ist das Fernlernen etwas, an das sich die meisten Schüler gewöhnen müssen, bis die Welt wieder „normal“ wird. Bis dahin werden die Herausforderungen, die es mit sich bringt, vielleicht dazu führen, dass wir alle besser miteinander verbunden sein werden.

Text von Rebecca Diers, die Übersetzung aus dem Englische wurde von Franziska Hübscher vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Rebecca Diers absolviert als Teil ihres Hauptfachs Professionelles Schreiben an der SUNY Cortland ein Praktikum bei Pressenza. Ihr anderes Hauptfach Anthropologie nährt ihre Leidenschaft für das Verstehen verschiedener Kulturen und das Schaffen von Verbindungen mit Menschen. Sie nutzt das Schreiben als eine Möglichkeit, der Welt einen Sinn zu geben und ein Gefühl der Menschlichkeit bei ihren Lesern zu wecken.