Die Serie „Humanisierende Feminismen“ ist eine Folge von Interviews, in welchen die Personen, die in verschiedenen Bereichen an der Errichtung einer integralen Gesundheit mitwirken, erzählen, wie der Feminismus ihren Blick, ihre Art, zu handeln und sich die Praktiken in der Gesundheit vorzustellen, verändert hat Diese Serie versucht, Reflexionen über Geschlecht, Feminismen und Gesundheit darzustellen und dabei Diskussion und Emanzipation Raum zu geben.
Der vorherige Teil der Serie ist hier zu lesen.
Jeremías E. Quiroz ist 35 Jahre alt und hat einen Diplomabschluss in Krankenpflege. Er wird bald seine Masterarbeit in Betriebsleitung und Verwaltung von Gesundheitssystemen und Dienstleistungen an der Favaloro Universität in der Stadt Rosario, Santa Fe verteidigen. Er arbeitet im geriatrischen Krankenhaus der Provinz Rosario. Er setzt sich für Gerechtigkeit ein.
REHUNO: Hallo Jeremías. Wie würdest du dich selbst definieren?
Jeremías: Ich definiere mich selbst als eine verantwortungsbewusste, engagierte Person und geborener Aktivist in sozialen, gemeinnützigen und politischen Bereichen. Ich setze mich für alle gerechten Anliegen ein.
Du setzt dich für Gerechtigkeit ein. In welcher Weise bist du für diese Themen engagiert?
Beruflich bin ich Mitglied und Vertreter der selbseinberufenen Provinzkrankenpflegervereinigung. Wir stehen für die Rechte der Krankenschwester und -pfleger ein. Im krankenhäuslichen Umfeld sind 90% der Arbeitskräfte Frauen. Einige von uns arbeiten gerade daran, eine vereinte Pflegekräftegewerkschaft ins Leben zu rufen.
Ich nehme auch an einem „positiven Tisch“ teil, der die Verteilung retroviraler Medikamente an HIV-Patienten (humanes Immunschwäche-Virus) koordiniert. Während der Pandemie gehen wir raus zu ihnen und bringen die entsprechenden Dosen zu allen Patienten, die unter dieser Krankheit leiden.
Ich bin Dozent bei einer Krankenpflegeschule, die Isset 57, und fördere auch die Solidarität. Wir bringen alle Essen mit, das wir miteinander teilen, bevor wir den Unterricht anfangen. Es gibt einige Studierende, die Unterstützung brauchen.
Politisch bin ich Mitglied der Gesundheitskoordinationsstelle und der Justialistischen Bewegung Treue und Mobilisierung. Ihr Referent ist Herr Ariel Rolfo (Politiker und Vorbeugungspharmazeut). Er hat mich eingeladen, beizutreten. Ich denke, dass wir die gemeinsamen Rechte der gesamten Gesellschaft aus der politischen Position heraus verwirklichen können. Es ist möglich, eine gerechtere Welt für alle Gruppen der Gemeinschaft zu schaffen.
Was hälst du vom Feminismus?
Aus meiner Sicht ist der Feminismus eine heterogene Gemeinschaft, die versucht, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern herzustellen. Weil das Ziel ist, die Übermacht und Gewalt von Männern über Frauen zu beseitigen. Der Feminismus strebt eine eigene politische, soziale und kulturelle Unabhängigkeit in der Gesellschaft an.
Setzt du dich für den Feminismus ein?
Ja, selbsverständlich. Wie sollte ich mich nicht für den Feminismus einsetzen, wenn mein bestes Beispiel meine eigene Mutter, Olga Escalante, war! Sie verkörpert den Feminismus mit jeder Faser, da sie immer eine selbst-emanzipierte Frau war, unabhängig, mit intakten Werten. Ihre Aufopferung war endlos, immer ein Vorbild mit ihrer beispielhaften Einstellung dem Leben und der Gesellschaft gegenüber. Sie hat mit sozialer Hochachtung für das Leben immer Gleichberechtigung gefördert.
Damals, als Frauen kaum ausser Haus arbeiteten, war sie ihrer Zeit voraus. Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte: Ich war noch klein, wir lebten in Chaco (eine Provinz Argentiniens), wo ich auch geboren bin. Meine Mutter pflegte zu sagen, dass sie keine Lust hätte zu essen. Die Wahrheit ist jedoch, dass sie auf Essen verzichtet hat, damit wir, ihre Kinder, essen konnten. Sie war immer ein Vorbild für mich.
Denkst du, dass ein Mann sich selbst als Feminist definieren kann?
Ich würde sagen, ja. Persönlich stehe ich dafür. Vielleicht sind nicht alle Leute dieser Meinung. Ich bin von einer Frau geboren worden, ich liebe meine Mutter. Ich möchte, dass sie alle Rechte genießt und mich dafür einsetzen. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass sowohl die Männer als auch andere Gruppen, sich für Feminismen einsetzen.
Was hälst du von der LGBTIQ+ Bewegung?
Diese Bewegung ist von großer Wichtigkeit für mich, da ich ein homosexueller Mensch bin. Nicht aus freier Entscheidung, sondern wie ich immer sage, weil ich so geboren wurde. Die Rechte aller dieser Gruppen müssen anerkannt werden. Ihre Bedürfnisse müssen in den öffentlichen und staatlichen Maßnamen berücksichtigt werden. Der Weg ist noch lang diesbezüglich. Nicht nur für diese Bewegung, auch für die Feminismen.
Wir haben der Gesellschaft immer wieder bewiesen, dass u.a. homosexuell, transsexuell, Transvestit, bisexuell zu sein, uns nicht daran hindert, Mensch zu sein. Es ist immernoch schwer, akzeptiert zu werden, aber wir machen Fortschritte. Nicht alle kommen unversehrt davon, viele sterben wegen ihrer nächtlichen Arbeit. Ganz ohne würdige Arbeitsverhältnisse. Deshalb, und um das Leben selbst so wie das Arbeitsleben zu garantieren, fordern wir vom Staat zum Beispiel, dass mehr Trans-Arbeitsplätze geschaffen werden. So werden diese Menschen mehr Chancen haben, ein würdiges Leben zu führen. In der Provinz Santa Fe hat man es in 2020 geschafft, den Gesetzentwurf 13902 für die Arbeitsquota von Travesti und Trans vom Gesetzgeber verabschieden zu lassen. Aber die Umsetzung wird graduell und nur gemäß Haushaltsplan durchgeführt.
Zusätzlich, Rechte sollen geachtet werden, die in internationalen Abkommen festgelegt wurden, die Argentinien unterzeichnet hat. Weil wir Menschen sind, wie alle anderen. Es ist unser Recht, gleich behandelt zu werden.
Kannst du diesen letzten Punkt näher erläutern?
Hier ist ein Beispiel. Mein Partner, mit dem ich seit acht Jahren zusammenlebe, nimmt an einer diversen Gruppe mit dem Namen „Chimäre“ teil. Diese Nichtregierungsorganisation ist zuständig für Sportarten wie Rugby und Volley. Ihre Mitglieder sind gemischt. Frauen, Männer, Diverse, alle gleich behandelt durch diese Spiele. Sie machen eine wunderbare, inklusive Arbeit, die gleichzeitig denjenigen hilft, die es am meisten brauchen.
Welche Rechte bräuchten diese Gruppen?
Es ist wichtig, dass das Gesetz für die Adoption durch gleichgeschlechtige Paare verabschiedet wird. Wie mir, glaube ich, würde es vielen anderen Leuten gefallen, Eltern werden zu können. Derzeit exisitiert in der Stadt Rosario eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation names „Familie in die Wiege legen“. Sie kann bei der Adoption eines obdachlosen Kindes rechtlichen Beistand leisten, weil sie weder Vater oder Mutter, noch irgendwelche Blutsverwandte haben.
Es ist auch notwendig, dass die Regierung in Santa Fe weiterhin die retroviralen Medikamente für die HIV-positiven Patienten verabreicht und verteilt. Wenn sie diese nicht nehmen können, entwickeln ihre Körper Widerstandsfähigkeit gegen das Virus. Mit all den gesundheitlichen Folgen, die dieses mit sich bringt.
Geht es in den Bildungswerkstätten, die du hälst, um Gendergerechtigkeit?
Ich spreche immer mit den Schüler über den notwendigen Respekt, den man den Entscheidungen anderer gegenüber zeigen muß. Es geht u.a. um Gendergerechtigkeit, Geschlechtserziehung, Gleichberechtigung für alle, genderspezifische Gewalt. Wir müssen in diesem Sinne weiter bilden. In userer Gesellschaft gibt es unheimlich viele Menschen, die nich mal den Begriff Gender definieren können.
Wie bringst du deine Perspektive in deine Arbeit mit Vereinen und politischen Gruppen ein?
Immer aus einer angeborenen Überzeugung heraus, unsere Menschenrechte zu verteidigen. Aber wenn ich speziell an diese Organisationen denke, geht es immer um Gendergerechtigkeit. Ich werde in den Organisationen, bei denen ich arbeite, akzeptiert und respektiert. Sie geben mir Chancen, die Thematiken verschiedener Gruppen zu erklären.
Glaubst du, dass Feminismen sich gegen Männer oder LGBTIQ+ Gruppen richten?
Natürlich nicht. Obwohl es Unterschiede in allen diesen Gruppen gibt, sind alle Genderidentitäten gleich wichtige Stützen. Aber ich glaube auch, dass wir in einem patriarchalischen Land leben, wo die Gesellschaft des „Machismus“ fest ettabliert ist. Frauen werden nur als Hausfrauen betrachtet und das entspricht nicht der Realität.
Glaubst du, dass die Männer die festgelegten Rollen überdenken sollten?
Ja, sie sollten die patriarchischen Rollen überdenken. Aber ich glaube auch, dass wir in diesem Paradigma Fortschritte gemacht haben. Heutzutage sehen wir mehr emanzipierte und unabhängige Frauen, die nicht eines Mannes bedurfen, um in ihrem Leben weiter zu kommen. Was aber auf jeden Fall gemacht werden sollte, ist für jeden Bereich passende Strategien zu entwickeln.
Was meinst du mit Strategien?
Zum Beispiel Richtlinien zur Förderung von Gendergleichheit, aktive Beteiligung in allen Bereichen der Gesellschaft, sowol in politischen, arbeitstechnischen, organisationsbezogenen, kulturellen als auch religiösen Bereichen.
Und welche Strategien würdest du anwenden, so dass die Männer ihre patriarchischen Rollen überdenken?
Gespräche und Werkstätte durchführen, wo die Problematik von patriarchischen Rollen offen und ehrlich angegangen wird. Alle Menschen sollten an diese Veranstaltungen teilnehmen können und der Aufruf zur Gewaltfreiheit sollte stets hörbar sein.
Übersetzung aus dem Spanischen von Nadia Miranda vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!