Europa wird von vielen Flüchtlingen, die vor Verfolgung, Krieg, Armut und Gewalt fliehen, als ein Ort der Sicherheit, der Menschenrechte, des Schutzes, der Sicherheit und der Freundlichkeit angesehen. Diese Narrative werden durch die Rhetorik der Europäischen Kommission gestützt, die Europa als einen Ort der „Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte … Werte, die den Kern unserer Europäischen Union ausmachen„, darstellt. Doch das sind oft nicht die Bedingungen, mit denen die Schutzsuchenden bei ihrer Ankunft konfrontiert werden, wo sie feststellen, dass Europa für viele Menschen nichts von alledem ist.
In der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments zur humanitären Situation von Flüchtlingen und Migranten an den EU-Außengrenzen am 19. Januar 2021 wurde von zahlreichen Rednern angesprochen, dass wir jeden Winter die gleichen Gespräche über die Bedingungen führen, mit denen Flüchtlinge an den europäischen Grenzen konfrontiert sind. Die Versorgung mit Unterkünften, Nahrung und Unterstützung ist in einer Reihe von Ländern erschreckend unzureichend, Geschichten von Pushbacks sowohl an den See- als auch an den Landgrenzen sprechen davon, dass das Leben von Flüchtlingen aufs Spiel gesetzt wird, und dass das Versagen der europäischen Regierungen, Hilfe zu leisten, Menschenleben weiter gefährdet.
Im Januar, Juli und November 2019 besuchte ich die Insel Samos in Griechenland, die ein Aufnahme- und Identifizierungszentrum beherbergt, das für 648 Menschen in der Nähe der Stadt Vathy gebaut wurde. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, welchen Gefahren die Asylsuchenden durch die Wetterextreme auf der Insel ausgesetzt sind. Im Januar wurde die Insel von Stürmen heimgesucht, die für die Menschen, die in dem überfüllten Lager ein unbeständiges Leben führen, die Gefahr von Erdrutschen mit sich brachten. Im Juli, als sich die Überbelegung verschlimmerte, waren die Menschen mit Dehydrierung konfrontiert, sowie mit der Gefahr von Ratten- und Schlangenbissen, da die Tiere leicht in ihre selbstgebauten Unterkünfte eindringen konnten, die oft aus Planen und Zelten bestanden.
Im November wurde mir von unbegleiteten Minderjährigen und allein reisenden Kindern berichtet, die gezwungen waren, in Zelten ohne Matratze zu schlafen, mit dem Risiko von Krätze, Bettwanzen, Windpocken und Übergriffen, im Überlaufbereich des Lagers, da in den geschützten Unterkünften, die für allein reisende Minderjährige vorgesehen waren, kein Platz mehr war. Zwei Jahre später haben sich die Bedingungen auf den griechischen Inseln, aber auch in den Lagern auf dem Festland und in den Auffanglagern anderswo in Europa nicht verbessert. Das Thema ist heute noch genauso aktuell wie vor zwei Jahren und wie auf dem Höhepunkt der sogenannten „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015.
Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos im September 2020 wurde eine temporäre Unterkunft gebaut, die als Moria 2.0 bekannt wurde. Dieser an der Strandpromenade errichtete Raum ist den Elementen ausgesetzt, wobei starke Winde, Überschwemmungen und sogar Schneestürme das Leben der Menschen gefährden.
In ähnlicher Weise fanden sich in Bosnien-Herzegowina nach der Aufgabe des unsicheren Lagers Lipa im Dezember 2020 Flüchtlinge bei Minusgraden ohne Unterkunft und nur mit der begrenzten Unterstützung, die von Freiwilligen zusammengebracht werden konnte, wieder. Während sie nun in großen, beheizten Zelten untergebracht wurden, ist dies keine nachhaltige Lösung, um Menschenleben zu schützen und die von der Europäischen Union vertretenen Werte „Menschenwürde, Menschenrechte und Gleichheit“ zu wahren. Obwohl Bosnien und Herzegowina nicht zur EU gehört, teilt es eine beträchtliche Grenze mit Kroatien, was zu einem Anstieg der Flüchtlinge geführt hat, die diese Grenze als Transitweg nutzen, nachdem andere EU-Grenzen geschlossen und verstärkt gesichert wurden. Infolgedessen ist Bosnien auf EU-Mittel als Teil seiner Antwort auf das Migrationsmanagement angewiesen. Moria und Lipa sind jedoch nicht die einzigen Orte, an denen die Grundrechte nicht eingehalten werden.
Samos hat auch eine Reihe von Katastrophen erlebt, die das Leben im Winter 2020-2021 weiter gefährdet haben. Brände, ein Erdbeben und eisige Wintertemperaturen haben eine Situation geschaffen, in der die Unterkünfte bei weitem nicht ausreichend sind und die Menschen tatsächlich Gefahr laufen, zu erfrieren. Die Europäische Kommission erklärte 2018, dass die Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge „Schutz und Unterkunft, Verpflegung, Gesundheitsversorgung, Transport an Hotspots bieten sollten, um … gesunde und sichere Lebensbedingungen für die Zielgruppe zu gewährleisten“. Wir schreiben jetzt das Jahr 2021 und diese Bedingungen spiegeln sich immer noch nicht in der Realität vor Ort wider. In der Tat, wie ich mit Kollegen an anderer Stelle argumentiert habe, können Lager und Aufnahme- und Identifizierungszentren als ‚Badlands‚ angesehen werden, nicht als Räume, die geeignet sind, eine menschenwürdige Betreuung zu gewährleisten. Während staatliche und internationale Akteure immer wieder dabei versagen, die Menschen angemessen zu unterstützen, füllen Basis-NGOs diese Lücken weiter aus.
Während die Temperaturen weiter fallen und das Leben der Menschen in Gefahr bringen, haben Flüchtlingshilfsgruppen auf der griechischen Insel ihre Gemeindezentren und Klassenzimmer für die am meisten gefährdeten Menschen geöffnet. Sie versorgen sie mit Feldbetten, Decken und einem warmen Platz für die Nacht. Doch in solchen Räumen gibt es keine einfache Möglichkeit, zu verstehen oder zu erkennen, wer am meisten gefährdet ist, und es wird immer andere geben, die durch die Maschen schlüpfen, wenn von Basisorganisationen verlangt wird, die Rolle zu erfüllen, die eigentlich vom Staat übernommen werden sollte. Wir sollten uns auch der Tatsache bewusst sein, dass sich all dies vor dem Hintergrund einer globalen Pandemie abspielt, die nur dazu beiträgt, die Ungleichheiten zu verschärfen, mit denen Menschen konfrontiert sind, die Grenzen überqueren, um Sicherheit zu finden.
Damit die Europäische Union den Werten, die sie präsentiert, gerecht werden kann, dürfen diese Werte nicht nur auf ihre eigenen Bürger, auf die im Zentrum, angewandt werden, während diejenigen, die am Rande, an den Grenzen Europas gefangen sind, weiterhin leiden. Es können nicht einfach nur Worte sein, Reden, die in Plenarsitzungen gehalten werden, die sich aber nicht in echte und effektive Veränderungen umsetzen lassen. Wir können nicht weiterhin jeden Winter die gleichen Gespräche führen, während das Leben von immer mehr Menschen in Gefahr ist.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anne Schillinger vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!