In Chile scheint der Prozess zum Verbot von Atomwaffen angestoßen worden zu sein. Es ist eines der am stärksten herbeigesehnten Abkommen von allen denjenigen, die seit elf Jahren protestieren, um die Welt reisen und die nukleare Abrüstung sowie das Ende dieses Typs von Waffen fordern. Du warst der lateinamerikanische Sprecher des Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltfreiheit. Hast du als chilenischer Abgeordneter nun etwas mit der möglichen Umsetzung dieses Projektes zu tun?
Tomás Hirsch: Endlich, nach langer Zeit, nach Jahren tatsächlich, und nachdem unzählige Verwaltungsfragen geklärt wurden, hat der Präsident am heutigen Tag endlich dem Kongress übermittelt, dass er dem Atomwaffenverbotsvertrag zustimmt, der am 7. Juli 2017 in New York verabschiedet wurde.
Diesen Vertrag halten alle Humanist*innen für einen wichtigen Schritt. Schon immer hat der Humanismus die aktive Gewaltfreiheit als Mittel zur Konfliktlösung gefördert und Atomwaffen abgelehnt, da sie eine Bedrohung für die Menschheit darstellen. Vor einigen Jahren hat Silo, in einem kurzen Video, das um die Welt ging und auf hunderten TV-Kanälen ausgestrahlt wurde, sogar auf den Mauern der Städte, auf den Bildschirmen von Bahnhöfen und Flughäfen projiziert wurde, dazu aufgerufen, die nuklearen Waffenarsenale weltweit abzubauen.
Es war sicherlich schwierig zu erreichen, dass die führenden Köpfe, insbesondere die der Großmächte, die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Situation verstanden – dass es das wichtigste ist, diese Bedrohung für die gesamte Menschheit zu beseitigen. Daher haben wir uns jedes Mal gefreut, wenn ein Land diesen Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert hat.
Und im Fall von Chile haben wir seit langer Zeit darauf beharrt, dass die Regierung der Abgeordnetenkammer den Vertragsentwurf zur Ratifizierung vorlegt. Wir haben mit dem Minister für auswärtige Beziehungen, mit den Verteidigungsministern, mit dem Generalsekretär des Präsidenten, der die gesamte legislative Agenda der Regierung koordiniert, gesprochen und wir haben die Kommission für auswärtige Angelegenheiten der Abgeordnetenkammer und des Senats angefragt. Ich glaube, dass es keine Ebene gibt, auf der wir nicht aktiv wurden.
Und nun hat es endlich geklappt, und es ist ein großer Anlass zur Freude für uns alle, insbesondere für mich, der ich damals als lateinamerikanischer Sprecher des Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltfreiheit für die nukleare Abrüstung warb. Wir haben die nukleare Abrüstung vorangebracht und gewürdigt, was es bedeutet, ein Lateinamerika mit einem Vertrag von Tlatelolco zu haben, welcher in gewisser Weise der Wegbereiter für nukleare Abrüstung wurde.
Heute ist ein Tag großer Freude. In gewisser Weise haben wir zu etwas beigetragen, ich denke, wir haben einen kleinen Tropfen dazugegeben, um diesen Gesetzesentwurf zu verwirklichen, der – so hoffe ich jetzt – im chilenischen Kongress schnell vorankommen wird.
Pressenza: Welche Schritte sind notwendig und in welchem ungefähren Zeitraum bis zur Ratifizierung?
Tomás Hirsch: Normalerweise kommt die Bearbeitung von Gesetzesentwürfen schleppend voran, ist lang und bürokratisch. Die Entwürfe werden erst einer Kommission der Abgeordnetenkammer vorgelegt, danach dem Plenum der Abgeordneten, dann wieder der Kommission, dann kehren sie wieder ins Plenum zurück und dies wiederholt sich dann im Senat – Kommission, Plenum, Kommission, Plenum. Danach geht der Entwurf zurück an die Abgeordnetenkammer und wenn es Unstimmigkeiten gibt, wird er schließlich der sogenannten „Gemischten Kommission“ vorgelegt.
In diesem Fall ist es lediglich ein einziger Artikel und ein Entwurf zum Einverständnis, bei dem keine zusätzlichen Angaben oder Modifikationen möglich sind – also denke und hoffe ich, dass es schnell vorangeht. Persönlich werde ich an den Sitzungen teilnehmen, die in der Kommission für auswärtige Angelegenheiten stattfinden und habe vor, mich zu positionieren und die Ansicht des Humanismus zu vertreten – und hoffentlich dazu beizutragen, dass die Bestätigung so schnell wie möglich erfolgt.
Pressenza: Wir wissen, dass der Internationale Vertrag über das Verbot von Atomwaffen am 22. Januar in Kraft tritt, der von der ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) gemeinsam mit vielen pazifistischen Organisationen angestoßen worden war, die sich für Abrüstung einsetzen – und die notwendige Zahl an Ratifizierung der Länder erreichten. Wie siehst du Chile, das bereits zur Gruppe von Nationen gehört, die Teil des Vertrags von Tlatelolco sind – in Bezug auf die Rolle eines Akteurs zugunsten der Abrüstung? Existiert im Land eine Kultur, die das begrüßt? Welche Aktionen wären notwendig, um diese zu stärken oder zu erzeugen?
Tomás Hirsch: Es ist nicht leicht zu verstehen warum Chile so lange gezögert hat – denn es ist ein Land, das den Vertrag von Tlatelolco unterzeichnet hat, ein Land, das mit Sicherheit keine nuklearen Waffen besitzt, es hat sie nicht auf seinem Staatsgebiet gelagert, sie dürfen über Chiles Staatsgebiet transportiert werden und schlussendlich ist es ein Land, das in staatspolitischer Hinsicht klar die Ablehnung von Atomwaffen geäußert hat.
Deswegen glaube ich, dass es in Chile eine Kultur, eine Geschichte, eine Tradition gibt, die zur Bestätigung dieses Abkommens beiträgt, dass Chile eines der unterzeichnenden Länder sein wird und dass der Vertrag auf diese Weise hoffentlich nach und nach von allen Ländern der Welt unterschrieben wird.
Dazu reicht es nicht aus, dass der Kongress in seinen Kommissionen darüber diskutiert, hier ist der Druck der Bürger*innen sehr wichtig – hoffentlich gibt es Artikel und Kommentare, hoffentlich sind die sozialen Medien aktiv, damit sich die Sache nicht weiter verzögert und sie endlich die einstimmige Unterstützung aller Parlamentarier*innen unseres Landes erhält.
Übersetzung aus dem Spanischen von Chiara Pohl vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!