Die Skigebiete hier zu Lande sind wieder geöffnet. Auch in dieser Saison sehnen sich einige Menschen nach Sonne, glitzerndem Schnee und dem Adrenalin, das ausgestoßen wird, wenn man über die Piste gleitet. In Zeiten eines globalen Wandels stellt sich aber auch die Frage: Wie nachhaltig ist der Pistenspaß eigentlich? Die Antwort gibt es hier.
Von Sandra Czadul
Österreich und seine Berge sind nicht nur im Inland, sondern auch international sehr beliebt. In „normalen“ Jahren ist der Wintertourismus in Österreich eine wichtige wirtschaftliche Einnahmequelle und so besuchten im Jahr 2019 20 Millionen Wintergäste Österreichs Skigebiete. Laut Statista konnte die Tourismusbranche 2019 einen Beitrag von 7,3 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt leisten. Corona überschattet aber auch in dieser Saison die Pistengaudi, und macht der Tourismusbranche einen gewaltigen Strich durch die im Vorjahr prognostizierte Rechnung.
Die Klimakrise setzt Skigebiete unter Druck
Neben einer globalen Pandemie setzt auch der Klimawandel Österreichs Skigebiete zunehmend unter Druck und zwingt sie zu einem Wandel. Denn laut IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sind die Durchschnittstemperaturen in den letzten 100 Jahren im alpinen Raum doppelt so schnell gestiegen, wie im globalen Mittel. Aus einer weiteren Studie geht hervor, dass die Naturschnee-Mengen durch den Klimawandel geringer werden, und die Schneefallgrenze weiter nach oben wandert.
Selbst wenn wir es schaffen, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, würde die Schneemenge um 30 Prozent sinken. Ohne eine Reduktion der CO2 Emissionen könnten es bis Ende des Jahrhunderts sogar 70 Prozent weniger Schnee sein. Die am stärksten vom Klimawandel betroffene Höhenzone befindet sich unterhalb von 1200 m, wo es gegen Ende des Jahrhunderts kaum noch Schnee geben könnte.
Immer wieder müssen Skigebiete nicht nur wegen zu wenig, sondern auch wegen zu viel Schnee zusperren, während gleichzeitig die Saison immer kürzer wird. Wirtschaftlich gesehen ist das ein Desaster. In Summe erhöht sich der Konkurrenzdruck für die Skigebiete also und ein Trend zeichnet sich ab: Skigebiete liegen in Zukunft immer höher und werden breiter. Um international eine Spitzenposition einzunehmen, findet ein Wettrüsten um das größte und weitläufigste Skigebiet statt.
Wintersport und die Bevölkerung
Österreich, das Land der Berge, wo Skifahren einst zum Volkssport erklärt wurde, hat sich verändert. Dabei fahren laut diesem Bericht mittlerweile 63 Prozent der Österreicher_innen gar nicht Ski oder Snowboard. Vor allem immer weniger junge Österreicher_innen suchen den Spaß auf den Brettern. Das mag am fehlenden Skikurs liegen, aber vor allem auch daran, dass Wintersport schon immer Luxus und ein Privileg war. Der Klimawandel könnte auch die Preise weiter nach oben treiben. Denn um mit dem beliebten Kriterium Schneesicherheit werben zu können, steigen die Kosten für die Beschneiung und das merken auch die Wintersportler_innen.
Laut dem Alpenforscher Werner Bätzing sollen vor allem immer mehr Konzerne und Aktiengesellschaften den Alpentourismus dominieren. Immer weniger Hotels und Skilifte werden von Einheimischen betrieben, weil sie sich Erneuerungen der Anlagen und weitere Investitionen nicht leisten können. Laut Addendum wurden alleine im Winter 2017/18 insgesamt 582 Millionen Euro von der österreichischen Seilbahnbranche in Anlagen investiert. Eine Übersicht über die Höhe und konkrete Gründe für die Förderungen für Skigebiete und Liftbetreiber vom Staat gibt es aber nicht.
Vor allem auch die Auswirkungen des Massentourismus rauben so mancherorts die Nerven. Einheimischeklagen über kilometerlange Staus, stundenlange Wartezeiten und immer mehr Eingriffe in die Natur. Wintersport ist ohne Zweifel eine wichtige Einnahmequelle, doch wo ziehen wir die Grenze, wenn es um die Bevölkerung und das Ökosystem Berg geht?
Wintersport und die Auswirkungen auf die Umwelt
Pistenplanierungen, Speicherseen, Wasserleitungen – Ohne Zweifel sind Skigebiete mit großen Eingriffen in die Natur verbunden. Laut WWF wurden in 44 Prozent aller Skigebiete in Österreich mehr als die Hälfte der Pistenlänge sprengtechnisch oder erdbaulich verändert und planiert. Bauliche Maßnahmen sind lange in der Landschaft sichtbar und Naturschützer_innen warnen deshalb vor weiteren, zum Teil auch illegalen, Eingriffen in die Natur.
Wassermangel vs. Wasserverbrauch
Die Alpen sind nicht nur ein wichtiges und sensibles Ökosystem, sondern auch das Trinkwasser-Reservoir Europas. Laut der europäischen Umweltagentur kommen 40 Prozent des europäischen Süßwassers aus den Alpen.
In Zukunft könnte genug Wasser für die Piste zu Wassermangel in den Haushalten, den Löschtanks der Feuerwehr und im Ökosystem der Pflanzen und Tiere führen. Denn das Wasser zum Beschneien setzt sich aus Schmelzwasser und Wasser aus Bächen zusammen, und wird in künstlich angelegten Speicher Teichen gesammelt. Im Jahr 2009 hat das Bayerische Landesamt für Umwelt den Verbrauch für 600 Hektar Beschneiungsfläche auf 600.000 Kubikmeter Wasser geschätzt. Das entspricht laut Focus dem jährlichen Wasserbedarf von 14.000 Personen.
Naturschützer_innen kritisieren deshalb den Eingriff in den Wasserhaushalt. Laut WKO (Wirtschaftskammer Österreich) wird der Schutz der Gewässer bei der Planung von Beschneiungsanlagen berücksichtigt und der Trinkwasserversorgung Vorrang eingeräumt. Eine Studie aus dem Jahr 2013 kritisiert allerdings, dass Wasserentnahmen gerade in Zusammenhang mit dem Wintertourismus oft nur lokal betrachtet werden würden, und es zu Wasserübernutztungen und Verstößen gegen die EU-Wasserrahmenrechtlinie komme.
Laut dem Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung enthält eine Kunstschneedecke im Mittel doppelt so viel Wasser wie Naturschnee. Die zusätzlichen Wassermengen bergen deshalb ein größeres Risiko von Erosion und Erdrutschen. Vor allem planierte Flächen, mit wenig Pflanzen, und bereits vorhandenen Boden Wunden beeinträchtigen die Bodenstabilität negativ. Wenn ein vorzeitiger Wärmeeinbruch und Starkniederschläge zusammentreffen, kann es durch das Abschmelzen größerer Wassermengen auch zu Hochwasserereignissen und Abfluss-Problemen führen. Ist der Wasserstand ohnehin schon niedrig und es wird trotzdem Wasser zum Beschneien entzogen, kann das die Gewässer negativ beeinflussen und manche Gewässer könnten sogar die Eignung als Lebensraum verlieren.
Unruhe in der Tierwelt
Die Tiere sind vom Ski-Vergnügen nur wenig begeistert. Vor allem der Lärm aber auch das Scheinwerferlicht in der Nacht kann sie in ihren Ruhepausen stören. Besonders Raufusshühner fühlen sich durch Licht-und Lärmverschmutzung der künstlichen Beschneiung gestört. Folgen davon sind laut CIPRA ein vermehrtes Insektensterben, weniger bestäubte Pflanzen, orientierungslose Zugvögel und gestörte Schlafrhythmen der Tiere.
Da die meisten Tiere im Winter weniger Energie zur Verfügung haben und einige ihren Stoffwechsel herunter fahren, müssen sie gut mit ihrer Energie haushalten. Vor allem beim Tiefschneefahren in nicht markierten Bereichen werden die Tiere aber aufgeschreckt und flüchten. Durch den Energieverlust und den Mangel an Nahrung kann es sogar zum Erschöpfungstod kommen. Außerdem können durch das Verlassen der Piste junge Bäume geschädigt werden.
Böden ohne Halt
Die Hochgebirge Europas machen nur drei Prozent der Kontinental-Fläche aus, sind aber Lebensraum für 20 Prozent der Pflanzenarten und damit wichtig für die Artenvielfalt. Viele Skigebiete sind schon heute auf Kunstschnee angewiesen. Auch wenn Kunstschnee nicht nur negative Seiten hat, sondern den Boden vor mechanischen Schäden, zum Beispiel durch die Kanten der Ski, und vor Frost schützt, sind auch negative Begleiterscheinungen erkennbar.
Kunstschnee kann Auswirkungen auf die Bodenchemie haben und zu Sauerstoffarmut in den Böden führen, wodurch Pflanzenteile absterben können. Das ist vor allem der Fall, wenn die Kunstschneedecke im Frühling länger liegen bleibt und es zu Schimmel- und Fäulnisbildung kommt. Fehlt das Pflanzenleben im Boden, verlieren auch die Böden ihren Halt und es kann vermehrt zu Veränderung der Artenzusammensetzung, Erosion, aber auch Überschwemmungen kommen. Bauliche Eingriffe haben einen negativen Effekt auf den Boden und die Pflanzenwelt. Laut dieser Studie kommt es in größeren Skigebieten, verglichen mit kleineren, zu einer geringeren Biomasseproduktion und Artenvielfalt.
Umweltfreundlich Skifahren – geht das überhaupt?
Tourismus hinterlässt immer Spuren. Richtig nachhaltig ist Skifahren deshalb wohl nicht. Laut einer Schätzung des Umweltbundesamtes sind die Emissionen, die durch den Skiurlaub im Vergleich zu anderen Urlaubsarten entstehen, aber gering. Wie wir anreisen macht laut der Öko Ski-Initiative Ride Greener jedoch einen großen Unterschied. Demnach setzt sich der individuelle CO2 Fußabdruck zu 70 bis 80 Prozent aus der Anfahrt zusammen. Vor allem wenn man mit dem Bus oder der Bahn anreist, kann man deshalb den ökologischen Fußabdruck stark reduzieren.
Positiv ist anzumerken, dass Skigebiete mit Verkehrsunternehmen zusammen arbeiten und Angebote schaffen, um den PKW Verkehr zu reduzieren. Grundsätzlich gilt aber: Je näher ein Wintersportgebiet ist, desto geringer die Umweltbelastung durch die Anreise. Laut WKO setzen Österreichs Skigebiete außerdem immer mehr auf erneuerbare Energien. 90 Prozent der Energie für Beschneiungsanlagen stammen demnach aus erneuerbaren Energiequellen.
Auch beim Hotel kann man auf Ressourcenschonung achten, indem man zum Beispiel mit dem österreichischen Umweltzeichen zertifizierte Unterkünfte oder Bio-Bauernhöfe, wählt. Außerdem macht es einen Unterschied, ob man für einen Tag oder eine ganze Woche anreist. Die Empfehlung lautet: Lieber einmal lang, statt öfter und kürzere Winterurlaube. In Zukunft braucht es aber wohl auch mehr Flexibilität. Denn wer auf Kunstschnee verzichten möchte muss dann wahrscheinlich nicht nur auf höhere Gebiete ausweichen, sondern auch einen anderen Zeitpunkt wählen. Denn Forschungen zeigen, dass man zu Ostern bald besser Ski fahren kann als zu Weihnachten.
Wie nachhaltig ist Wintersport also?
Hat man die Wahl zwischen einem Urlaub mit Flugreise ins Ausland, und einem Skiurlaub in Österreich, dann ist es was die CO2 Emissionen betrifft besser, in Österreich Winterurlaub zu machen. Wintertourismus als nachhaltig zu bezeichnen geht aber zu weit. Denn problematisch ist vor allem, wenn weitere Gebiete für den Wintertourismus genutzt, bauliche Maßnahmen getätigt und somit in Ökosysteme eingegriffen wird.
Massentourismus ist weltweit ein Problem, dem man sich widmen muss. Nicht nur für die Umwelt und die Tiere, sondern auch die Einheimischen. Egal ob Sommer oder Wintertourismus: Es braucht nachhaltige Angebote, die nicht nur wirtschaftliche Gewinne, sondern auch ökologische Verluste in die Rechnung miteinbeziehen. Für viele Skigebiete wird es essentiell sein, auch saisonunabhängige Freizeitmöglichkeiten zu schaffen, um die Existenz zu sichern. Klar ist aber: Die Tourismusbranche überlebt nur dann, wenn die Natur intakt ist.