Zum Internationalen Tag der Menschenrechte fordert Amnesty International Staaten weltweit auf, Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und -versorgung für alle Menschen zu gewährleisten.
Die Covid-19-Pandemie war das bestimmende Menschenrechtsthema im Jahr 2020: Während die Krise vielerorts das Beste aus den Menschen hervorgebracht hat, verschärfte sie auch bestehende Menschenrechtsprobleme. So zeigte Covid-19 unter anderem gravierende Probleme und Herausforderungen beim Zugang zu Gesundheit auf: Weltweit starben Hunderttausende Menschen, Millionen erlitten grosse Verluste, weil sie nicht die gleiche Gesundheitsversorgung oder nicht den gleichen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen wie andere hatten. Mit der Debatte über Impfstoffe – unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis Menschen Zugang zu ihnen bekommen – spitzt sich die Problematik einer globale Verteilungsgerechtigkeit aktuell zu.
«Die Frage, welche Staaten und schliesslich welche Menschen Zugang zu den Impfstoffen gegen das Coronavirus erhalten, ist in den kommenden Wochen und Monaten zentral. Es braucht eine internationale, gerechte Zusammenarbeit zwischen den Ländern. Ohne eine globale Verteilungsgerechtigkeit werden die Menschen ärmerer Länder nicht vor einer Covid-19-Erkrankung geschützt werden können», sagt Pablo Cruchon, Campaigner bei Amnesty Schweiz. «Impfstoffe sind kein Luxusprodukt, sondern eine Voraussetzung, um zu überleben. Der Zugang zu diesen Impfstoffen darf sich nicht danach richten, wer am meisten bezahlt. Alle Menschen, egal, ob sie ihn sich leisten können oder nicht, müssen rasch und unkompliziert Zugang zu diesen überlebenswichtigen Gesundheitsmassnahmen haben.»
Während Staaten dafür sorgen müssen, dass Menschen Zugang zu Impfungen haben, müssen Impfungen grundsätzlich freiwillig sein. Wenn es Impfregelungen gibt, müssen diese stets mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sein. Personen, die eine Impfung ablehnen, dürfen nicht strafrechtlich verfolgt, diskriminiert oder vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. «Es ist daher besonders wichtig, dass die Menschen transparente Informationen und Beratung erhalten», so Pablo Cruchon.
Menschen in systemrelevanten Berufen schützen
In der Corona-Krise haben viele Menschen in den letzten Monaten Unglaubliches geleistet, ihre Gesundheit und ihr Leben riskiert, um andere zu versorgen oder zu schützen. «Seit vielen Monaten sehen wir einen beeindruckenden, oft auch gefährlichen Einsatzes von Gesundheitsangestellten, Verkäufer*innen in Lebensmittelgeschäften, aber auch von Angestellten bei Logistikbetrieben und im Service Public», sagt Pablo Cruchon. «Regierungen müssen ihren Verpflichtungen nachkommen und diese Menschen unterstützen.»
Regierungen auf der ganzen Welt versagten in den vergangenen Monaten, Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens angemessen zu schützen, etwa mit ausreichender Schutzausrüstung: Amnesty-Recherchen zeigten, dass weltweit Tausende Mitarbeiter*innen im Gesundheitssektor nach einer Ansteckung mit Covid-19 gestorben sind. Besonders hohe Todeszahlen stellte Amnesty in Mexiko, den USA und Brasilien fest.
Kampagne in der Schweiz
Auch in der Schweiz stand das Gesundheitspersonal während der ersten Welle unter sehr hohem Druck. Die konkreten Folgen sind jedoch nicht bekannt, da es kein Monitoring gibt. Der Bundesrat muss die Auswirkungen der Krise und die Massnahmen bewerten, die zum Schutz der Grundrechte dieser Menschen in den Schlüsselberufen getroffen wurden. Amnesty Schweiz hat deshalb im Sommer eine Kampagne lanciert, um sich mit den Gesundheitsangestellten zu soldiarisieren und einen besseren Schutz für diese Menschen zu verlangen. In einem Manifest und einem Offenen Brief an den Bundesrat forderte Amnesty zusammen mit Partnerorganisationen, dass der Bundesrat eine unabhängige Untersuchung in Auftrag geben solle. Diese soll die Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitspersonal aufzeigen und die getroffenen Massnahmen zur Krisenbewältigung evaluieren. Mehr als 3000 Personen, darunter 1500 Gesundheitsfachkräfte, haben den offenen Brief an den Bundesrat unterzeichnet, der am 22. Oktober überreicht wurde.
Soziale Menschenrechte absichern
Auch 2021 wird die Krise nicht vorbei sein und die langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Lockdowns werden immer stärker in den Vordergrund rücken. Durch die Covid-19-Krise wird die Zahl der Arbeitslosen in vielen Ländern steigen, auch in der Schweiz. «Insbesondere armutsgefährdete Menschen wie zum Beispiel Arbeitslose, Sans-Papiers, Geflüchtete oder alleinerziehende Menschen brauchen einen besonderen Schutz», so Pablo Cruchon.
«Ausserdem hat sich die Lage der Gesundheitsangestellten noch nicht überall gebessert, nach wie vor werden manchenorts nicht ausreichend Schutzmassnahmen durchgesetzt und in der aktuellen Welle müssen weiterhin endlose Überstunden geleistet werden. Jetzt, da sich die Pandemie in ihrer zweiten Phase befindet, muss der Bundesrat endlich diesen eklatanten Mangel an Transparenz abschaffen und Instrumente zur Beobachtung der physischen und psychischen Gesundheitsfachkräfte an vorderster Front einführen.» Amnesty International wird deshalb ihre Kampagne 2021 weiterführen.