Die Weltmeere haben erheblichen Anteil daran, dass die Erde für uns Menschen bewohnbar bleibt. Ihre Ökosysteme liefern nicht nur wichtige Ressourcen, sondern nehmen auch große Mengen an CO2 auf. Der Klimawandel und eine unkontrollierte Nutzung durch den Menschen führen allerdings dazu, dass die Ozeane vor dem ökologischen Kollaps stehen. Mit katastrophalen Folgen, auch für die Menschheit. Was wird getan, um dem entgegenzuwirken? Welche Ansätze es gibt, dem UN-Nachhaltigkeitsziel zur „Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane“ gerecht zu werden? Wir sprachen darüber mit Wissenschaftler*innen in Mexiko.
Gerardo Gómez ist ein lebenslustiger Mittfünfziger, den seine Freunde kurz Yopon nennen. Goméz lebt in Huatulco, einem ehemaligen Fischerdorf an der Pazifikküste des südmexikanischen Bundesstaats Oaxaca. Wegen seiner malerischen Buchten und weißen Sandstrände entwickelt sich Huatulco zunehmend zu einer Hochburg der Tourismusindustrie. Seit seiner Jugend arbeitet Gómez als Fischer. Das Meer mit all seiner Schönheit und seinem Artenreichtum ist ihm ans Herz gewachsen. Doch vieles habe sich in den letzten Jahren verändert. Die Gewässer vor Huatulco sind nicht mehr so fischreich wie in den 90er Jahren. Heute reicht es für Gómez und seine Kollegen gerade mal zu Überleben. Keiner schützt mehr die Brutstätten der Fische. Und eine Kontrolle durch die Behörden gibt es auch nicht. Von staatlicher Unterstützung für die kleinen Fischer ganz zu schweigen.
Kommerzieller Fischfang bedroht Leben im Meer
Der Ökologe Saúl Serrano sieht in der Überfischung der Meere ein ernstes Problem. Er hat sich auf nachhaltige Fischzucht spezialisiert. Die Überfischung sei eine Folge des kommerziellen Fischfangs, so Serrano. Früher habe man auf traditionelle Art für den lokalen Verbrauch gefischt, heute dagegen im industriellen Maßstab für den nationalen Markt und den Export. Als Beispiele für die verantwortungslose Nutzung des Meeres nennt er die Überfischung der Hai-Bestände und die Langleinen-Technik, die immer häufiger eingesetzt wird. Dabei kommt es zu sehr viel Beifang, was alles andere als nachhaltig ist. Bei der Langleinen-Technik werden an Leinen, die oft hunderte Meter lang sind, viele Haken ausgebracht. Auf diese beißen allerdings nicht nur die begehrten Fischsorten. Jedes Jahr verenden auch tausende Meeresschildkröten an den Langleinen.
Nachhaltige Fischzucht bietet Alternativen
Meeres-Ökologe Serrano arbeitet an einem neuen Ansatz, um den Problemen kommerzieller Fischzucht etwas entgegenzusetzen. Seine Idee: nachhaltige Aquakulturen auf offener See. An Stelle der umstrittenen Mega-Farmen, die sich auf eine einzige, oft überzüchtete Fischart spezialisieren, setzt Serrano auf kleine Betriebe, in denen mehrere Arten gleichzeitig gezüchtet werden. Diese Farmen würden von dem großen Arten- und Nährstoffreichtum der Gewässer vor Mexikos Küsten profitieren. Sie seien zwar nicht so produktiv wie konventionelle Fischfarmen, lieferten dafür aber Meeresfrüchte von hoher Qualität. Mexikos Pazifikküste eigne sich hervorragend zur Ansiedlung solch nachhaltiger Aquakulturen, die auch von zukünftigen Generationen noch rentabel betrieben werden könnten, erklärt Serrano. Und mit der Einrichtung dieser Fischfarmen würde auch der Druck auf die natürlichen Bestände verringert. Am Ende könne sogar erreicht werden, dass sich diese wieder erholen. Serranos nachhaltige Fischfarmen hätten noch einen weiteren Vorteil. Sie sind Mini-Ökosysteme, in denen sich auch Arten vermehren, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt und nicht von kommerziellem Interesse sind. So bliebe langfristig die Artenvielfalt an Mexikos Pazifikküste erhalten, ein Ziel, das auch der Nationalparks von Huatulco verfolgt.
Der Nationalpark Huatulco unterstützt die Bewahrung der Artenvielfalt
Der Nationalpark Huatulco hat große Bedeutung als Brutstätte. „Die hier geschützten Arten besiedeln auch angrenzende Gebiete, wo sie aufgrund des Einflusses des Menschen schon nicht mehr vorkommen“, berichtet Dr. Cecilia Chapa. Die Wissenschaftlerin arbeitet an der „Universidad del Mar“ in Huatulco und sitzt im Akademischen Beirat des Nationalparks. Dieser umfasst knapp 12.000 Hektar, was gut einem Viertel der Fläche Münchens entspricht. Knapp die Hälfte des Parks liegt im Meer. Zu seinen wichtigsten Biotopen gehören Mangrovenwälder und die letzten Korallenriffe der mexikanischen Pazifikküste, beide wichtige Brutstätten für viele Meeresbewohner.
Ökosysteme des Nationalparks durch Klimawandel bedroht
Aber auch die empfindlichen Ökosysteme des Nationalparks sind bedroht. Infolge des Klimawandels steigt der CO2-Gehalt im Meer. Die daraus resultierende Übersäuerung des Wassers hat gravierende Folgen. Die Korallen haben große Probleme, sich den veränderlichen Bedingungen anzupassen. Wenn sie das jedoch nicht schaffen, geht mit den Korallen ein wichtiger maritimer Lebensraum verloren. Doch das ökologische Gleichgewicht des Meeres wird nicht nur durch Übersäuerung, sondern auch durch Erwärmung, den Zufluss von Abwässern aus Industrie und Landwirtschaft sowie nicht nachhaltigen Tourismus gestört. Sprich: durch Aktivitäten von uns Menschen.
Tauchen für Wissenschaft und Umweltbewusstsein
Genau hier setzt Gabriela Ang Monetes de Oca an. Ang Monetes de Oca ist Meeresbiologin und hat lange Jahre im Monitoring von Korallenriffen gearbeitet. Zusammen mit einem Kollegen hat sie das Projekt „Buceo ConCiencia“ ins Leben gerufen. „Buceo ConCiencia“ ist ein Wortspiel, das auf Deutsch in etwa heißt: Tauchen für Wissenschaft und Bewusstsein. Die Wissenschaftler*innen setzen Unterwasserfotografie nicht nur zur Forschung ein, sondern auch, um zeigen, wie schön die Unterwasserwelt ist, damit sich die Einstellung der Menschen gegenüber der Natur ändert. „Buceo ConCiencia“ arbeitet eng mit staatlichen Stellen, anderen Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft zusammen. Wichtiger Bestandteil der Aktivitäten des Projektes ist die Bildungsarbeit. Seine Mitglieder führen Fortbildungen für Fischer, Restaurantbesitzer und Anbieter touristischer Leistungen durch. Darin vermitteln sie, wie deren Aktivitäten im Einklang mit der Natur aussehen können, um negative Folgen für die Korallenriffe und das Leben im Meer zu vermeiden. Denn es ist wichtig, ein Bewusstsein für die Umwelt zu schaffen, um sie zu schützen. Schließlich gebe es nur eine Erde, die es für alle Menschen zu erhalten gelte, so Ang Monetes de Oca.
Blick in eine ungewisse Zukunft
Wie wichtig Initiativen wie „Buceo ConCiencia“ sind, weiß auch Forscherin Cecilia Chapa. Angesichts des globalen Klimawandels sei klar, dass sich die Situation weiter verschärfen wird. Und schon heute könne man nicht weit entfernt von Huatulco einen Blick in die Zukunft werfen. Der Istmo de Tehuantepec ist eine Region, wo das Meer sehr sauer ist. Hier kann man sehen, wie sich der Einfluss des Menschen in Zukunft weltweit auswirken wird. Wenn man nicht rechtzeitig die Anstrengungen zum Schutz der Meere verstärke, werde es zum Verlust von maritimen Lebensräumen und einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion kommen, da ist sich Chapa sicher.