Die Serie „Humanisierende Feminismen“ ist eine Folge von Interviews, in welchen die Personen, die in verschiedenen Bereichen an der Errichtung einer integralen Gesundheit mitwirken, erzählen, wie der Feminismus ihren Blick, ihre Art, zu handeln und sich die Praktiken in der Gesundheit vorzustellen, verändert hat Diese Serie versucht, Reflexionen über Geschlecht, Feminismen und Gesundheit darzustellen und dabei Diskussion und Emanzipation Raum zu geben.
Der vorherige Teil der Serie ist hier zu lesen.
Sara hat ein Diplom in Sozialer Psychologie und lehrt im höheren Bildungswesen an beiden Nationalen Autonomen Universitäten Mexikos. Seit fast drei Jahrzehnten arbeitet sie als Akademikerin in der Institution, in die sie im Alter von 15 Jahren eingetreten war, um das Gymnasium zu besuchen.
Ihr wurde früh bewusst, dass ihre Eltern in die Hauptstadt Mexikos ausgewandert waren, damit ihre Kinder studieren konnten. Dies begründete die feste Verankerung von Schule und Studium in ihrem Wertebewusstsein. Seit sie klein war, genoss sie es zu lernen – sie war neugierig und erzählte für ihr Leben gern Geschichten. Vielleicht studierte sie aus diesem Grund Psychologie; außerdem glaubt sie tief und fest an die Freundschaft und hat Freunde und Freundinnen aus verschiedenen Momenten in ihrem Leben.
Sie ist verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn – ihre Familie ist eine sehr wichtige Säule in ihrem Leben.
REHUNO: Was bedeutet für dich Feminismus?
Sara Cruz: Für mich ist es eine persönliche Bewegung, an der ich schon früh teilgenommen habe – zunächst als Rebellin gegen das soziale Establishment. Später verstand ich den Feminismus als permanenten Kampf für meine Rechte als Frau; zurzeit nehme ich ihn als internationale Bewegung wahr, die gleiche Rechte und Möglichkeiten für Männer und Frauen einfordert, sowie die Überwindung der Gewalt gegen Frauen und die Überwindung des Patriarchats.
Hast du in deiner akademischen Ausbildung irgendein Fach belegt, in dem das Thema des Feminismus eine Rolle spielt?
Ja, während meines Masters belegte ich ein Fach der Philosophie der Erziehung, das von einer bekannten feministischen Akademikerin unterrichtet wurde und ich hatte die Möglichkeit, Texte zu lesen, die den Feminismus tangieren, und an einem interessanten Seminar teilzunehmen.
Durch welches Ereignis bist du Feministin geworden oder wie hast du Annäherung an den Feminismus erfahren?
Diese Frage habe ich mir noch nie gestellt – vielleicht war es, als ich meinen Schulabschluss gemacht habe und mich dazu entschied, an einer Universität zu studieren und auch bei dieser Entscheidung zu bleiben. Meine Mutter schlug mir nämlich vor, eine kurze Ausbildung zu machen, weil sie dachte, ich würde es wie alle jungen Frauen meiner Generation handhaben: Sie heiraten schon früh und hören in der Folge auf, zu studieren, widmen ihre gesamte Aufmerksamkeit ihrer Familie. Mich dem zu widersetzen und zu erklären, dass ich eine Universität besuchen und etwas anderes aus meiner Zukunft machen möchte, war möglicherweise meine erste feministische Tat.
Glücklicherweise stamme ich aus einer Generation, die in vielerlei Hinsicht feministische Veränderungen bewirkt hat (zum Beispiel: die Nutzung von Verhütungsmitteln, außerhalb des Hauses zu arbeiten, zu studieren, sich scheiden zu lassen). Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mein Abitur an einem Gymnasium mit einem kritischen und partizipatorischen Bildungsmodell zu machen. So war ich schon von klein auf politisch involviert und war mir darüber bewusst, dass ich nicht schwach war und meine Stimme den gleichen Wert hatte wie die meiner Klassenkameraden.
Mit dem organisierten Feminismus kam ich während der Graduierung in Kontakt – es war der historische Moment Ende der Siebzigerjahre, als wir Frauen an Universitäten präsent wurden. Dies legte den Grundstein dafür, dass verschiedene studentische Frauengruppen entstanden und ich nahm an verschiedenen Veranstaltungen der feministischen Bewegung teil. Später im Master hatte ich eine feministische Dozentin, durch die ich mehr über die Bewegung aus einer theoretischen Perspektive lernte.
Wie hat das feministische Dasein dein Leben verändert?
Tatsächlich glaube ich, dass mein soziales Verhalten als Studentin, Ehefrau, Mutter, Berufstätige, Freundin, Schwester und Professionelle mich zu einer Frau mit feministischer Ideologie geformt hat.
Ich bin 65 Jahre alt und eine Feministin meiner Generation; ich sehe ganz andere Formen von Feminismus – sogar die Gedenkfeiern am 8. März haben einen anderen Charakter – ich beobachte interessante und radikalere Positionen. Ich habe versucht, mein Handeln als Frau nach dem Feminismus auszurichten. Denn du kannst nicht auf der Universität Feministin und zu Hause unterwürfig sein, eine Beziehung mit einem dominanten Verhältnis führen, und den eigenen Kindern patriarchale Praktiken in der Erziehung vermitteln.
So glaube ich, dass er mein Leben nicht vollständig transformiert hat – sondern vielmehr, dass ich ihn immer mehr verlerne. Natürlich identifiziere ich mich mit der feministischen Bewegung im Sinne eines Kampfes für Gleichheit der Geschlechter und als Mexikanerin ist das eine tägliche Herausforderung. In meinem Land existieren Missstände wie sexistische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Femizide – seit vielen Jahrzehnten eine schmerzvolle Realität. Es ist noch viel zu tun und manchmal überkommt mich die Angst. Wichtig ist jedoch, dass ich mich nicht allein fühle; wir erleben gerade eine Zeit, in der ein Teil der Frauen sich vereint hat, um die Stille zu brechen, um zu fordern und um anzuklagen.
Kennst du den Begriff der Schwesternschaft?
Natürlich kenne ich ihn und lebe ihn auch. Mein persönliches und professionelles Leben zeichnet sich durch weibliche Geschwisterlichkeit aus. Ich genieße und nähre sie stetig.
Was glaubst du, auf welchen Wegen kann sich die feministische Sichtweise verbreiten?
Ich denke, dass sich die feministische Sichtweise über die Ausübung eines inklusiven Feminismus verbreitet – eine authentische Schwesternschaft, was zum einen heißt, die patriarchalen Praktiken zu bekämpfen und zum anderen jede Form von sexistischer Gewalt anzuklagen.
Denkst du, dass der Feminismus Frauensache ist?
Es ist falsch, so zu denken – meiner Meinung nach ist das Gegenteil der Fall. Ich bin überzeugt, dass bei meiner Entwicklung als Frau viele Männer eine wichtige Rolle gespielt haben: Mein Vater, mein Partner, mein Sohn, meine Brüder; ich habe von ihnen gelernt und sie haben von mir gelernt – wir haben uns gegenseitig unterstützt und anerkannt.
Genau wie der männliche Chauvinismus eine Ideologie ist, die wir bekämpfen müssen, scheint mir ein Feminismus widersprüchlich, der Männer ausschließt. Beides sind ausgrenzende Ideologien.
Sara, vielen Dank für das Interview.
Ich fand es sehr angenehm, meine Erfahrung als Frau mit dir zu teilen – vor allem, weil du mich zu Überlegungen angeregt hast, die ich bisher nicht angestellt habe. Vielen Dank, dass du mich im Rahmen dieser Reihe von Interviews berücksichtigt hast.
Interview geführt von Claudia Mónica García. Übersetzung aus dem Spanischen von Chiara Pohl vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!