Die Reaktionen auf die Entscheidung der führenden amerikanischen Nachrichtensender, Joe Biden zum President-elect (1) zu erklären, sind bemerkenswert. Vor allem ein Interview mit Bundesaußenminister Heiko Maas war aufschlussreich.
Was sich anhörte wie eine große Erleichterung, den ungehobelten Donald Trump endlich los zu sein und wie Freude klang, es jetzt mit einem wohl erzogenen älteren Herrn zu tun zu haben, entpuppte sich, wenn man genau hinhörte, als ein waffenklirrendes Bekenntnis zum alten Verbündeten USA. Und zwar in dem Sinne, dass der Kampf um deren Welthegemonie aus vollen Kräften unterstützt werde, wenn nur auch für Deutschland selbst das abfalle, was es erhoffe. Das hört sich übertrieben an, ist es aber nicht.
President-elect und in Europa wird es ungemütlich
Es ist selbstverständlich festzustellen, dass die herrschenden Kreise in den USA nun einmal selbst den Kurs festlegen müssen, den sie fahren wollen in Bezug auf die offenen oder schleichenden Angriffe auf die eigenen Welthegemonie.
Es ist jedoch anzunehmen, dass der Kampf gegen China ökonomisch und geopolitisch weitergeführt werden wird und die alte Heartland-Theorie (2), in der Russland unbedingt als Ressourcenspender gesichert werden muss, eine Renaissance erfahren wird. Das heiße, in Europa wird es jetzt richtig ungemütlich.
Einen Wirtschaftskrieg gegen China kann man in Europa besser verkraften als die USA selbst, aber dafür werden andere Opfer verlangt werden, was man in Militärkreisen auch Sicherung der Flanken nennt. Und genau darauf ging Maas auch ein. Er sprach davon, dass man bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Das hört sich, bleibt man bei der Formulierung, immer erst einmal gut an. Denn die Menschen, die tatsächlich bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, sind in post-heroischen Gesellschaften immer seltener geworden. Da hört sich so ein Wort des Bundesaußenministers sehr positiv an, so nach dem Motto, wir sind jetzt nicht mehr hedonistische Mitläufer, sondern verantwortungsbewusste Alliierte.
Was das heißt, sagte er auch, vor allem in Afrika und im Nahen Osten sei man bereit, seine Pflicht zu tun. Für die rest-pazifistische Gruppe in der SPD heißt das, man wird sich, sofern irgendwo noch eine Regierungsbeteiligung in Sicht ist, verstärkt an kriegerischen Handlungen beteiligen, wenn es, und auch das ist eine Lieblingsformulierung des erwähnten Politikers, um unsere gemeinsamen Werte geht.
Mitläufer im Kampf um die Weltherrschaft
Das Signal, das von diesen einigermaßen harmlosen Sprachfragmenten ausgeht, ist eindeutig. Es wird darum gehen, verstärkt und vermehrt in den bewaffneten Kampf um die Weltherrschaft der USA mit einzutreten. Dass man dabei an den bis heute relativ gut verdaubaren Verlautbarungen von der Wertegemeinschaft festhält, ist mehr als logisch. Denn sprich man Klartext, so hieße das alles ganz anders. Da würde, mit Verlaub, auch der biologisch-innovativ-disruptiv konstitutierte neue Mittelstand, der nach Mandat und Amt strebt, doch die eine oder andere Zuckung erfahren.
Deutschland ist eine Industrienation, die auf Märkte wie Rohstoffe angewiesen ist. In Zeiten sich verschiebender Kräfteverhältnisse hat sich die gegenwärtige Bundesregierung dazu entschieden, den Kampf um die hehren Plätze und Güter an der Seite der USA mit aufzunehmen. Das sind die klaren Worte, die eigentlich ausgesprochen werden müssten, um die Interessen freizulegen, um die es geht. Dass dabei wieder einmal Sozialdemokraten eine führende Rolle spielen, dokumentiert ihren Todestrieb als politische Partei, aber das ist eher eine Randerscheinung.
Man muss sich die Statements, die aus den Häusern der deutschen Politik, und diesmal Partei übergreifend, noch einmal anhören. Joe, so hieß es da in der Regel, wenn du nett zu uns bist, dann machen wir alles mit. Mit einer selbstbewussten, eigenständigen und realistischen Politik hat das nichts gemein. Da ist das Muster wieder sichtbar, hier vom Größenwahn gepackt, da bibbernd am Rockschoß hängend.
Quellen und Anmerkungen
(1) Der gewählte Präsident (President-elect) der Vereinigten Staaten ist die Person, die eine Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten schlüssig gewonnen zu haben scheint, aber noch nicht das Amt des Präsidenten übernommen hat. Der gewählte Präsident tritt sein Amt an, sobald der Amtseid während der Amtseinführung des Präsidenten geleistet wurde.
(2) Die sogenannte Heartland-Theorie ist eine geopolitische und geostrategische Theorie des britischen Geographen Halford John Mackinder (1861 bis 1947). Mackinder, der sich mit der Bedeutung von Geographie, Technik, Wirtschaft, Industrie sowie Rohstoff- und Bevölkerungsressourcen für eine vergleichende Bewertung von Landmacht und Seemacht auseinandersetzte, formulierte die Theorie in seinem Aufsatz “The geographical pivot of history” (1904) zur Warnung an seine Landsleute. Nach dem Ersten Weltkrieg aktualisierte er seine Theorie.