AfD sucht sich als Sprachrohr der Bundeswehr zu profilieren. Insider schätzen Anteil extrem rechter Soldaten in der Truppe auf bis zu 20 Prozent.
Mit einem neuen Film setzt die ultrarechte Alternative für Deutschland (AfD) ihre Bemühungen fort, sich als Sprachrohr der Bundeswehr zu profilieren und ihren Einfluss in der Truppe zu stärken. Der im Auftrag der Partei gedrehte Film („Die Bundeswehr-Misere“) zeichnet das Bild angeblich vernachlässigter Streitkräfte, mit denen sich „Deutschland nicht mehr verteidigen“ könne. Er stößt in der Berliner Politik auf Protest, da er die Bundeswehr „für parteipolitische Werbezwecke“ nutze. Seine Veröffentlichung erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem extrem rechte Netzwerke und Strukturen in der Bundeswehr für eine Reihe von Skandalen sorgen. Im Zentrum steht die Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK), von der inzwischen eine Kompanie aufgelöst wurde; sie wird als „Ausgangspunkt für rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr“ identifiziert. Insider sind überzeugt, „15 bis 20 Prozent der Soldaten“ wiesen eine extrem rechte Orientierung auf. Einheiten der extrem rechts durchwirkten Bundeswehr sind an der Grenze zu Russland stationiert und operieren in Ländern wie Afghanistan oder Mali.
„Stiefkind der Politik“
Die mit extrem Rechten durchsetzte Partei Alternative für Deutschland (AfD) setzt ihre Bemühungen fort, sich als Sprachrohr der Bundeswehr zu profilieren und ihren Einfluss in der Truppe zu stärken. Deutschland müsse sich „wieder verteidigen können“, heißt es bei der Partei anlässlich der Vorstellung eines von ihrer Bundestagsfraktion produzierten Films, der sich mit der Situation der Bundeswehr befasst.[1] Der Film trägt den Titel „Die Bundeswehr-Misere – Warum sich Deutschland nicht mehr verteidigen kann“. Laut dem verteidigungspolitischen Sprecher der AfD soll der Film die Bundeswehr „ins Bewusstsein der Öffentlichkeit“ rücken und die parlamentarische Arbeit der Rechtsaußenpartei vorstellen. Dabei wird, so heißt es, das Bild unterfinanzierter und vernachlässigter Streitkräfte gezeichnet, die zu einem „Stiefkind“ der Politik verkommen seien.[2] Laut der AfD befinde sich die Bundeswehr „im schlechtesten Zustand seit ihrer Aufstellung“. Der Film solle Öffentlichkeit herstellen und damit einen Beitrag leisten, „die Regierung zu zwingen, ihren Auftrag zu erfüllen“. Die Partei plädiert dabei vor allem für die Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Wehrpflicht sowie für die Fokussierung der Streitkräfte auf „Landes- und Bündnisverteidigung“. Zudem strebt sie den Aufbau milizartiger „Heimatschutzkräfte“ an, während sie eine EU-Armee ablehnt.[3] Des weiteren soll der Einfluss der europäischen Staaten in der NATO gestärkt werden. In diesem Zusammenhang haben sich AfD-Politiker bereits für eine massive Aufstockung des deutschen Wehretats ausgesprochen.[4] Die Bundeswehr wieder aufzubauen werde „unendlich viel Kraft und Geld kosten“, erklärte der derzeitige verteidigungspolitische Sprecher der Partei im Jahr 2019 anlässlich einer Parlamentsdebatte über das NATO-Aufrüstungsziel. Die Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde „da kaum reichen“.
Die Bundeswehr als Werbeträger
Der AfD-Film hat, wie die konservative Tageszeitung Die Welt konstatiert, schon vor seiner Veröffentlichung „politische Folgen“ gezeitigt.[5] Politiker der Linkspartei monierten, AfD-Vertreter hätten im Rahmen der Filmarbeiten Kasernen besucht und sich bei Treffen mit Soldaten filmen lassen. Das CDU-geführte Verteidigungsministerium stellte daraufhin Anfang Oktober fest, die hierbei entstandenen Filmaufnahmen seien „tatsächlich ohne Billigung der Bundeswehr für parteipolitische Werbezwecke genutzt worden“. Dabei lege ein Zentralerlass fest, dass „die Bundeswehr und ihre Angehörigen selbst nicht Bestandteil der parteipolitischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werden“ dürften. Die AfD habe dagegen verstoßen; es entstehe der Eindruck, die Bundeswehr befürworte „entsprechende politische Ausrichtungen“. Der Filmtrupp der Rechtsaußenpartei habe überdies eine Auflage missachtet, nach der Aufnahmen von Soldaten nicht „ohne deren vorherige Einwilligung zu tätigen“ seien. In dem Film inszenierten sich die AfD-Mitglieder des Verteidigungsausschusses im Bundestag als „Kenner des Militärs“; dabei werde mit dem „Pfund gewuchert“, dass nahezu die Hälfte der AfD-Mandatsträger „gedient“ habe. Etliche Parlamentarier der Rechtspartei schwelgten in dem Film in Erinnerungen an ihre Bundeswehrzeit.
Putschplanungen
Die Vorgänge finden vor dem Hintergrund zunehmender Auseinandersetzungen um extrem rechte Seilschaften und Strukturen im deutschen Staatsapparat – und insbesondere in der Bundeswehr – statt. Diese Woche startete das Gerichtsverfahren gegen einen Agenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), dem vorgeworfen wird, extrem rechte Netzwerke in einer Sondereinheit der Bundeswehr vor drohenden Razzien gewarnt zu haben.[6] Die Durchsuchung der Kaserne der Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw im September 2017 durch Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) sei „ein Misserfolg auf ganzer Linie“ gewesen, heißt es: Die Beamten fanden „bestens vorbereitete Soldaten“ vor, die offensichtlich präpariert waren, „ausgiebig vernommen zu werden“. Ziel der BKA-Razzia waren illegale Waffen, die von extrem rechten Mitgliedern des KSK für einen etwaigen Militärputsch im Krisenfall („Tag X“) gehortet werden sollten. Im Vorfeld der Durchsuchung in Calw kam es laut Berichten zu einem Konflikt zwischen Bundesanwaltschaft und MAD, da der Militärgeheimdienst unter Berufung auf „Quellenschutz“ die BKA-Durchsuchung verhindern wollte. Zwei Tage vor der Razzia habe dann der jetzt angeklagte MAD-Agent trotz anderslautender Weisungen eine Quelle innerhalb des KSK getroffen. Dieser KSK-Soldat, der in extrem rechten Netzwerken unter dem Pseudonym „Hannibal“ bekannt wurde, hat laut Zeugenaussagen mit seinem Treffen mit dem MAD-Mann geprahlt und seine Kameraden vor den anstehenden Durchsuchungen gewarnt. „Hannibal“ galt als zentrale Figur der inzwischen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden Organisation Uniter, in der sich Funktionsträger aus Justiz, Polizei und Bundeswehr sowie Zivilisten und sogenannte Prepper aus dem Spektrum der extremen Rechten zusammenschlossen – und laut Berichten an Putschplanungen beteiligt waren.[7]
Kampf um das KSK
Die Elitetruppe der Bundeswehr, der vorgeworfen wird, in Afghanistan an illegalen Liquidierungen („gezielte Tötungen“) beteiligt gewesen zu sein [8], steht inzwischen im Mittelpunkt einer ganzen Reihe von Skandalen. Führende KSK-Offiziere mussten sich schon im vergangenen Jahr wegen des Zeigens des Hitlergrußes bei einer mit Rechtsrockmusik unterlegten „Abschiedsfeier“ vor Gericht verantworten.[9] Im Mai 2020 rückten Polizisten mit Baggern auf dem Privatgrundstück eines KSK-Oberfeldwebels im nordsächsischen Collm an, um dort ein illegales Sprengstoff- und Waffenlager auszuheben.[10] Im Juni erhielt Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Brandbrief eines Offiziers, der seit 2018 bei KSK tätig war und in dem Schreiben vor eklatanten Missständen warnte: In der Eliteeinheit würden „rechtsextreme Tendenzen geduldet und teilweise vertuscht“.[11] Demnach werde den Soldaten eingebläut, „keine Vorkommnisse zu melden“. Die extrem rechten Umtriebe würden zwar wahrgenommen, aber „aus unterschiedlicher Motivlage kollektiv ignoriert oder gar toleriert“, hieß es in dem „Hilferuf“ des Offiziers. In Reaktion darauf entschied sich das Verteidigungsministerium, die zweite Kompanie des KSK aufzulösen, die nun als „Ausgangspunkt für rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr“ identifiziert wurde.[12] Eine generelle Auflösung der skandalumwitterten Eliteeinheit will das Verteidigungsministerium allerdings durch ein „Reformprojekt“ verhindern, das, wie es heißt, den „Sumpf trockenlegen“ solle – etwa, indem ein Rotationsprinzip eingeführt und die Ausbildung eines verkleinerten KSK dem Heer übertragen werde.[13]
Informant muss gehen, Rechte bleiben
Dass auch in anderen Truppenteilen der Bundeswehr die Auseinandersetzung mit extrem rechten Umtrieben nach Kräften behindert wird, macht der Fall eines Unteroffiziers bei den Fallschirmjägern deutlich, der im März 2020 publik wurde.[14] Der Soldat hatte mehrere Soldaten, die in sozialen Netzwerken unter anderem die Wehrmacht verherrlichten und damit prahlten, den Holocaust geleugnet zu haben, beim MAD gemeldet. Daraufhin wurde seine Dienstzeit nicht mehr verlängert; einer der von ihm gemeldeten extrem rechten Soldaten hingegen durfte bei der Truppe bleiben. Oppositionspolitiker sprachen in diesem Zusammenhang von einem „verheerenden Signal“. Anonym bleibende Bundeswehroffiziere bekräftigen überdies, die offiziellen Zahlen des MAD, wonach von rund 550 „rechtsextremen Verdachtsfällen“ bei der Bundeswehr auszugehen sei, bildeten nur die „Spitze des Eisberges“: Er sei „überzeugt“, dass „15 bis 20 Prozent der Soldaten“ extrem rechts orientiert seien, erklärte ein Informant. Ginge die Politik tatsächlich konsequent gegen extrem rechte Umtriebe vor, dann „hätte die Bundeswehr auf einmal erheblich weniger Personal“.
[1] AfD präsentiert Bundeswehr-Film: Deutschland muss sich wieder verteidigen können! afdkompakt.de 27.10.2020. S. auch Begleitprogramm zur Weltpolitik (II).
[2] Thorsten Jungholt: Schon vor der Premiere hat der einstündige AfD-Film politische Folgen. welt.de 25.10.2020.
[3] Daniela Vates: Wie die Parteien die Bundeswehr reformieren wollen. fr.de 07.01.2019. S. auch Deutsche Wehrhaftigkeit.
[4] Reiner Braun, Michael Maercks: AfD: mehr als 2 Prozent des BIP für die Rüstung. friedenskooperative.de.
[5] Thorsten Jungholt: Schon vor der Premiere hat der einstündige AfD-Film politische Folgen. welt.de 25.10.2020.
[6] Martin Kaul: Prozess gegen MAD-Agenten. Wer warnte „Hannibal“? tagesschau.de 29.10.2020.
[7] Martin Kaul, Christina Schmidt, Daniel Schulz: Hannibals Schattenarmee. taz.de 16.11.2018. S. auch Uniter im Auslandseinsatz.
[8] S. dazu Ruhm und Ehre.
[9] Johannes Jolmes: KSK-Oberstleutnant wegen Hitlergruß vor Gericht. tagesschau.de 16.09.2019.
[10] Florian Flade, Volkmar Kabisch, Martin Kaul, Sebastian Pittelkow: Ermittlungen gegen KSK-Soldaten. Die Kisten von Collm. tagesschau.de. 19.10.2020.
[11] Brief an Kramp-Karrenbauer: Rechtsextreme Tendenzen beim KSK? tagesschau.de 12.06.2020.
[12] Zweite Kompanie des KSK aufgelöst. dw.com 30.07.2020.
[13] Lisa Hänel, Marcel Fürstenau: Reform der Eliteeinheit KSK: „Die Mutigen ermutigen“. dw.com 01.07.2020.
[14] Caroline Walter, Katrin Kampling: Bundeswehr: Rechtsextreme bleiben, Informant muss gehen. tagesschau.de 05.03.2020.