Mitglieder verschiedener feministischer Kollektive haben die Kampagne „Mujeres Vivas y Libres“ vorgestellt. Ziel ist es, die Kriminalisierung von Frauen, die von ihrem Recht auf Abtreibung Gebrauch machen, als auch die unterschiedlichen und sogar lebensbedrohlichen Auswirkungen der Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten auf das Leben dieser Frauen publik zu machen. Die Kampagne wurde Ende Oktober in einer virtuellen Konferenz von Bárbara Arredondo, (Mitgründerin von „Somos Decididas“), Angie Contreras (Aktivistin und Kommunikationswissenschaftlerin), Nelly Cristina Pérez (Ärztin) sowie Esmeralda Pimentel und Tessa Ía (Künstlerinnen) vorgestellt. Verschiedene Organisationen, Künstlerinnen, Gesundheitsexpertinnen und Kollektive haben sich der Initiative angeschlossen. Gemeinsam wollen sie mehr Frauen dazu bringen, sich für die Verteidigung der Frauenrechte, insbesondere der Rechte von Mädchen, indigenen oder in Armut lebenden Frauen, einzusetzen und den Anliegen von Frauen insgesamt eine breitere Wahrnehmung zu verschaffen.
Die Mitglieder der Vereinigungen erklärten, dass die Kampagne die Einschränkungen der Frauenrechte durch die lokale Gesetzgebung sichtbar machen soll. Obwohl unter bestimmten Umständen ein Grundrecht auf Abtreibung besteht, sind die Frauen nach ihrer Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch diversen bürokratischen Hürden ausgesetzt, da das Gesetz ihr Entscheidungsrecht über den eigenen Körper nur theoretisch anerkennt, aber nicht in die Praxis umsetzt. Sie stellten heraus, dass diejenigen, die eine Schwangerschaft abbrechen, verurteilt und kriminalisiert werden, weshalb viele Menschen den Entschluss fassen, in einen anderen Bundesstaat zu gehen und sich dort – aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung – lebensgefährlichen Praktiken unterziehen.
Mexiko hält traurigen Rekord
Laut in der Konferenz präsentierten Zahlen ist das Land Mexiko Nummer Eins im Hinblick auf Schwangerschaften bei Jugendlichen sowie ungewollten Schwangerschaften bei Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren. Drei von zehn Frauen, die in Mexiko-Stadt eine Abtreibung durchführen lassen, kommen aus anderen Bundesstaaten. Die Aktivistinnen fügten hinzu, dass die Situation für Mädchen noch schlimmer sei: Gewalt gegen sie werde in hohem Maße als „normal“ betrachtet. Familien neigten im Fall einer sexuellen Gewalttat dazu, das Verbrechen zu verschweigen, „um die familiären Beziehungen zu erhalten“, anstatt Gerechtigkeit für ihre Töchter zu fordern. Nach Aussage der Aktivistinnen werden in Mexiko 99,7% der sexuellen Gewalttaten nicht angezeigt. 32 Mädchen werden infolge von Vergewaltigungen schwanger. Durchschnittlich werden jeden Tag elf Frauen ermordet.
„Für Mädchen ist das Zuhause der erste Ort, an dem Gewalt stattfindet. Gewalt gegen Mädchen hat sich derartig als gesellschaftliche Normalität etablieren können, da es sich um ein Tabuthema handelt“, sagte Sara Cabello von Cuarta Ola. Das feministische Kollektiv strebt eine Veränderung der Gesetzgebung in Mexiko an und ist Teil der neuen Kampagne. Auf der offiziellen Internetseite sind u.a. verschiedene visuelle Materialien, Nachrichten, eine Zeitleiste, Daten, Plakate und Logos untergebracht , die kostenlos verwendet und verteilt werden können. „Wir wollen die veralteten Strukturen dieser Gesellschaft aufbrechen und den Diskurs aktualisieren. Die Erinnerungen unserer Vorfahrinnen wiedergewinnen und die Geschichten, die wir an unsere Töchter weitergeben, neu erzählen. Wir haben ein Recht auf Entscheidungsfreiheit und auf ein gewaltfreies Leben, und diese Rechte fordern wir ein“, heißt es dort.