Eine europäische Studie klärt auf, wie Jugendliche Videospiele erleben und wie sie über „Serious Games“ als Alliierte im Kampf gegen Hass denken.
In Europa spielten oder spielen 97 % der Jugendlichen zwischen 12 bis 17 Jahren Videospiele. Von den Jugendlichen sind etwa 40 % weiblich und die Zeit vor dem Bildschirm variiert zwischen einer halben und einer bis zwei Stunden pro Tag. 45 % von ihnen sind damit einverstanden, dass Hatespeech zensiert wird, 66 % haben noch nie derartige Aussagen gemeldet. Laut den Befragten sind die Mehrheit der Hatespeech-Posts rassistisch (29 %), betreffen eine sexuelle Orientierung (21 %) oder einen nationalen oder ethnischen Ursprung (19%). 70 % der Jugendlichen sind der Meinung, dass es nicht „cool“ ist, ein Hater zu sein, 52 % nehmen Hatespeech nicht ernst und 67 % fühlen sich von diesem Phänomen in ihrem Alltag nicht betroffen.
Dies sind einige der Daten aus der Studie, die von der Universität von Algarve, Zaffiria, COSPE und weiteren Partnern des europäischen Projekts „Play Your Role“ in Italien, Litauen und Portugal mit fast 600 Jugendlichen zwischen 12 und 20 Jahren durchgeführt wurde.
Die Jugendlichen oder die Kinder der „Hashtag-Generation“, wie Maura Manca sie in ihrem Buch nennt, erleben das Smartphone wie eine Art Erweiterung ihrer Identität, die sich als ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens etabliert hat. Online zu spielen und in Spielgemeinschaften zu interagieren, ist praktisch zum täglichen Brot für Jugendliche geworden. Die Welt der Videospiele hat somit auch einen starken Einfluss auf ihr Verhalten und ihren Umgang mit Konflikten.
Aus diesem Grund sind Videospiele besser als andere virtuelle Plattformen dazu geeignet, zu untersuchen, in welchem Umfang Kinder und Jugendliche mit Gewalt und Hatespeech in Berührung kommen – ob als passive Opfer, als Verursacher oder einfach als mehr oder weniger aktive und bewusste Beobachter.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Videospiele exzellente Bildungswerkzeuge sein können. Sie können Jugendliche zusammenzubringen und motivieren, grundlegende Fertigkeiten zur Entwicklung des kritischen Denkens, der Kooperation und Interaktion zu erlernen.
Mit der Studie sollte untersucht werden, wie bewusst Hatespeech in Videospielen wahrgenommen wird, aber auch, wie Jugendliche didaktisch wertvolle Spiele nutzen und einschätzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt – insbesondere was den ersten Aspekt, die Bewusstseinsschaffung betrifft. Der Studie zufolge glauben die Jugendlichen zum Beispiel, dass Hatespeech im Verhalten vieler Spielgemeinschaften verwurzelt ist. Die Mehrheit der Nutzer betrachtet das sogar als Fakt. „Serious Games“ (didaktische Spiele) hingegen werden noch relativ wenig genutzt. Nur 20 % der Befragten spielen diese regelmäßig und nur 36 % sehen didaktische Videospiele als eine Form des Lernens. Spielgemeinschaften sind hingegen wesentlich beliebter, 57 % der Befragten betrachten sie als einen Ort, an dem man Freunde finden kann.
Didaktische Games und ihre verspielte Herangehensweise an diverse Themen verstärken den positiven Effekt, den Videospiele auf die Lösung von Problemen haben, sowie das Ausmaß, in dem sie zur Kompromissfindung beitragen können. Darüber hinaus können sie sogar dazu beitragen, Gewalt und Hatespeech in Spielgemeinschaften entgegenzuwirken. Neue Tools und die sich dadurch eröffnenden neuen Perspektiven können somit eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Hass einnehmen und das aktive Bürgerbewusstsein von Jugendlichen stärken.
Das europäische Projekt „Play Your Role“ möchte dieses positive Potential der Videospiele nutzen, um sichere Räume der Konfrontation zu schaffen. Erreicht werden soll dies, indem positive Verhaltensweisen verstärkt und belohnt und komplizierte Themen spielerisch aufgegriffen werden, all dies kommuniziert in einer Sprache, die Jugendliche direkt anspricht. Oberstes Ziel des Projektes ist es, mit den bei Jugendlichen beliebten Videospielen Hatespeech im Netz zu bekämpfen.
Deshalb soll im Rahmen des Projekts von September bis Dezember ein europaweiter Online-Hackathon mit dem Titel „Games against hate speech“ (Spiele gegen Hassrede) organisiert werden. Bei diesem Hackathon werden mit der Unterstützung von vier Entwicklungsteams aus Frankreich, Deutschland, Italien und Polen neue Videospiele zur Bekämpfung von Hatespeech entwickelt. Dazu wurden bereits 15 Lernstrategien entworfen, mit denen das Bewusstsein von Jugendlichen für Hatespeech gestärkt werden soll. Außerdem sollen diese Spiele das aktive Mitwirken der Jugendlichen bei der Konfrontation mit Hatespeech und deren Unterbindung fördern. Die Spiele und Lernstrategien sind auf der Plattform www.playyourrole.eu für Kinder, Lehrer und Eltern verfügbar.
„Play Your Role: Gamification against hate speech“ ist ein Projekt, das von der Europäischen Kommission im Rahmen des „Rights, Equality and Citizenship Programme“ (Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft, REC 2014 – 2020) finanziert wird. Es ist das Ergebnis des Zusammenschlusses der sieben Organisationen Cooperativa ZAFFIRIA und COSPE aus Italien, SAVOIR-DEVENIR aus Frankreich, JFF – Jugend Film Fernsehen e.V. aus Deutschland, Všį Edukaciniai Projektai – EDUPRO aus Litauen, Fundacja Nowoczesna Polska aus Polen und CIAC von der Universität Algrave aus Portugal.
Übersetzung aus dem Spanischen von Chris Hoellriegl, lektoriert von Jeannette Carolin Corell, beide vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!