Verschlusssache: Viele Millionen werden für Gentechnik-Projekte ausgegeben, aber die Forschung nach Risiken der Genomveränderungen und nach Nachweisverfahren, die es ermöglichen, genetisch veränderte Organismen etwa in Lebensmitteln nachzuweisen, ist völlig unterfinanziert
Gentechnik auf dem Teller oder auf dem Feld: Das lehnen die meisten ab. Regelmäßig wird mit der Naturbewusstseins-Studie erhoben, wie die Bürgerinnen und Bürger zu Fragen des Umweltschutzes, der Natur und der Ernährungssicherheit stehen. Seit Jahren spricht sich eine sehr deutliche Mehrheit der Befragten dafür aus, dass Lebensmittel klar gekennzeichnet sein müssen, wenn sie gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Das fordern auch Landwirtinnen und Landwirte für Futtermittel und Saatgut. Und mehr als 80 Prozent der Befragten lehnen Gentechnik im Essen grundsätzlich ab.
Die Bundesregierung musste jetzt – ausgesprochen widerwillig – eingestehen: Für die Erforschung neuer gentechnologischer Verfahren wird Steuergeld großzügig ausgeschüttet, bei der Forschungsförderung zu Risiken oder zu Nachweismethoden aber wird geknausert. „Während die Bundesregierung die Forschung zu neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas & Co mit über 27 Millionen Euro päppelt“, so bringt es Harald Ebner, Sprecher der Grünen für Gentechnik-Politik, auf den Punkt, „stehen der Nachweis- und Risikoforschung gerade mal 2 Milliönchen zur Verfügung!“ Dies offenbare ein „gewaltiges Ungleichgewicht zu Ungunsten der Umwelt- und Gesundheitsvorsorge und zu Ungunsten der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit“. Eine derartig einseitige Forschungsförderung in einem Bereich, der massiv von der Biotechnologiebranche selbst gefördert wird, stehe im klaren Widerspruch zum Verbraucherschutzauftrag der Regierung, betont Harald Ebner.
Knackpunkt ist: Es gibt bislang kaum Nachweismethoden, mit denen eine Gen-Veränderung, die mit Methoden der neuen Gentechnik ausgeführt wurde, festgestellt werden kann. Eine Kennzeichnung ist also nur möglich, wenn der Herstellerkonzern ausdrücklich darauf hinweist. Verunreinigungen würden hingegen bei Kontrollen nicht auffallen. Und das, obwohl Verfahren der neuen Gentechnik etwa im Bereich Saatgut oder Futtermittel bereits angewendet werden. Dennoch spart die Bundesregierung an der Förderung für die Forschung an Nachweismethoden – von der Risikoforschung ganz zu schweigen. Wir laufen also blind in ein Gentech-Abenteuer.
Kein Wunder, dass die Bundesregierung diese Informationen zunächst als Verschlusssache einstufte, also als geheim – nicht zu veröffentlichen!
Mehr dazu und ein umfassenderes Statement im Hintergrund hier:
Zum Thema Gentechnik in der Landwirtschaft und Ernährung (sogenannte Agro-Gentechnik) gilt in der EU, dass Organismen wie Saaten, Pflanzen, Tiere oder auch Futtermittel und natürlich vor allem Lebensmittel gekennzeichnet sein müssen, wenn sie gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder solches Tierfutter verwendet wurde. Dies soll die Wahlfreiheit der Landwirtinnen und Landwirte und auch die der Verbraucher schützen. Dass diese Kennzeichnungspflicht ausdrücklich auch für Verfahren der neuen Gentechnik, also etwa CRISPR/Cas (Genschere) gilt, hat der Europäische Gerichtshof 2018 entschieden. Haken an der Sache: Es gibt bisher kaum Nachweisverfahren für Organismen, die mit den Methoden der neuen Gentechnik verändert wurden, so dass die Kennzeichnung nicht sicher erfolgen kann.
Die EU-Kommission wurde beauftragt, eine entsprechende Nachweisforschung zu fördern und bis April 2021 eine Studie vorzulegen, wie der Stand der Forschung ist. Um diese Studie anbieten zu können, hat die EU-Kommission einen Fragebogen mit entsprechenden Fragen zur Forschung und zur Forschungsförderung an jedes einzelne Mitgliedsland gesendet.
Zu genau diesem Stand der Forschung und Forschungsförderung in Deutschland hat Harald Ebner, Sprecher der Fraktion der Grünen für Gentechnik-Politik, eine so genannte „Schriftliche Frage“ an die Bundesregierung gesandt. Die Antwort kam zwar – und ist sehr aufschlussreich -, wurde jedoch als Verschlusssache, also geheim, nicht zur Veröffentlichung eingestuft. „Wenn die Bundesregierung den Diskurs mit den Bürgerinnen und Bürgern zu den neuen Methoden der Gentechnik wirklich ernsthaft und sachlich führen will, sollte sie dem Verbraucher auch reinen Wein einschenken“, erklärt dazu Harald Ebner und verweist auf die Sorge der Bürger, wenn es mögliche Folgen von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren geht.
„Denn gerade weil die überwältigende Mehrheit hierzulande Gentechnik auf dem Acker und dem Teller ablehnt, ist Transparenz auch zum Beispiel über die Verwendung von Steuergeldern zur Forschungsförderung in diesem Bereich das oberste Gebot. Ansonsten könnte man schon den Eindruck gewinnen, dass da Informationen verborgen werden sollen, die dem Verbraucherwillen für eine umfassende Technik-Folgenabschätzung im Umgang mit den neuen gentechnischen Methoden widersprechen.“
Erst über ein parlamentarisches Verfahren, eine „Kleine Anfrage“, konnte erreicht werden, dass die Antwort der Bundesregierung, genauer des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, nun öffentlich ist.
Zur nun endlich öffentlich zugänglich gewordenen Antwort der Bundesregierung erklärt Harald Ebner MdB, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik:
„Die Antwort belegt, was wir seit Jahren kritisieren: während die Bundesregierung die Forschung zu neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas & Co mit über 27 Millionen Euro päppelt, stehen der Nachweis- und Risikoforschung gerade mal 2 Milliönchen zur Verfügung. Das offenbart ein gewaltiges Ungleichgewicht zu Ungunsten der Umwelt- und Gesundheitsvorsorge und zu Ungunsten der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit. Eine derartig einseitige Forschungsförderung in einem Bereich, der massiv von der Biotechnologiebranche selbst gefördert wird, steht im klaren Widerspruch zum Verbraucherschutzauftrag der Regierung. Fatal daran ist, dass die Bundesregierung selbst einräumen muss, dass Inspektion und Kontrolle von Organismen, die durch neue gentechnische Verfahren erzeugt wurden, nur dann möglich wäre, wenn Nachweisverfahren zur Verfügung stehen würden. Die Bundesregierung muss die Wahlfreiheit von Bäuerinnen und Bauern sowie Verbraucher*innen schützen und die Umsetzung des Gentechnikrechts sicherstellen. Was es deshalb jetzt dringend braucht, ist ein Sofortprogramm für die Förderung von Nachweisverfahren und Risikoforschung, um der immer noch jungen Technologie endlich eine angemessene Technikfolgen-Abschätzung an die Seite zu stellen. Bemerkenswert ist zudem, dass ausgerechnet die Bundesregierung mit dem Behauptungsmythos aufräumt, die neuen Gentechniken könnten auch vielen kleinen, mittelständischen Züchtungsunternehmen Geschäftsfelder erschließen. Denn das ist mitnichten der Fall: Die Bundesregierung geht davon aus, dass genau wie bei der alten Gentechnik, es auch bei Organismen, die mit neuen Verfahren erzeugt wurden, zu Konzentrationsprozessen auf dem Markt kommt.“
Pressemitteilung von Harald Ebner MdB
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