Seit fast einem Jahrzehnt strömt aus dem beschädigtem Kernkraftwerk Fukushima Daiichi radioaktives Wasser in den Pazifik. TEPCO (Tokyo Electric Power Co.) bemüht sich, dies zu kontrollieren. Der Großteil des radioaktiven Wassers wird jedoch in mehr als 1.000 Wassertanks gespeichert. Wissentlich hat die japanische Regierung eine informelle Entscheidung getroffen, das radioaktive Wasser von Fukushima Daiichi in den Pazifik zu leiten. Eine formelle Ankündigung könnte bereits in diesem Jahr erfolgen. Derzeit werden 1,2 Millionen Tonnen radioaktives Wasser gespeichert.
Das Problem: TEPCO hat nicht mehr genügend Speicherraum für das Wasser. Die Lösung der japanischen Regierung: Es im Pazifik zu entsorgen. Unabhängige Experten schlagen vor: Mehr Lagertanks zu bauen. Umweltgruppen bestehen darauf, dass es keinen Grund gibt, warum zusätzliche Lagertanks nicht außerhalb des Anlagenumfangs gebaut werden können. Sie werfen der Regierung vor, die billigste und schnellste Lösung für das Problem zu suchen. Die Behörden haben versprochen, dass der Standort in 40 Jahren sicher sein wird. Wirklich nur 40 Jahre! Laut dem Generaldirektor der IAEO, Grossi, der Fukushima im Februar 2020 besuchte, entspricht das Dumping von radioaktivem Wasser, das hauptsächlich mit Tritium kontaminiert ist, den weltweiten Praxisnormen. (Quelle: Michael Jacob in Tokio, Was! Plant Japan wirklich, radioaktives Wasser aus Fukushima in den Ozean zu leiten? Schweden-Wissenschaft-Innovation, 10. Juni 2020)
In dieser Hinsicht verwenden Befürworter der Kernenergie eine scheinheilige Kommunikationsstrategie, die die Öffentlichkeit davon überzeugen und täuschen soll, die Kernenergie – wenn auch nur ungern – zu akzeptieren. Die lautet ungefähr so: „Es gibt nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Kernkraftwerke setzen routinemäßig Tritium in Luft und Wasser frei. Es gibt keinen wirtschaftlich machbaren Weg, um es zu entfernen. Es ist normal, ein Standardverfahren.“ Trotzdem ist, wie noch näher erläutert werden soll, an dieser Haltung nichts Positives, absolut nichts!
Laut TEPCO werden alle radioaktiven Isotope entfernt, mit Ausnahme von Tritium, das schwer zu trennen ist. Ähnlich wie alle radioaktiven Substanzen ist Tritium ein Karzinogen (verursacht Krebs), ein Mutagen (verursacht genetische Mutation) und ein Teratogen (verursacht Fehlbildung bei Embryos). Die gute Nachricht: Tritium sendet eine relativ schwache Betastrahlung aus und hat nicht genug Energie, um in die menschliche Haut einzudringen. Die hauptsächlichen Gesundheitsrisiken sind die Einnahme oder Einatmung des Tritiums. TEPCO hat ein fortschrittliches Flüssigkeitsverarbeitungssystem eingesetzt, das angeblich 62 Isotope aus dem Wasser entfernt. Jedoch ist Tritium die Ausnahme, welches ein radioaktiver Wasserstoff ist und nicht einfach aus dem Wasser herausgefiltert werden kann.
Das Filtersystem wurde jedoch von Fehlfunktionen geplagt. Laut Greenpeace International gab TEPCO in den letzten zwei Jahren zu, dass die Radioaktivität in mehr als 80% der Lagertanks nicht auf ein Niveau gesenkt wurde, das unter den gesetzlichen Grenzwerten lag. Die gemeldeten Konzentrationen von Strontium-90 (einem tödlichen Isotop) waren sogar mehr als das 100-fache der gesetzlichen Grenzwerte, wobei einige Tanks das 20.000-fache erreichten.
„Sie haben jahrelang detaillierte Informationen über das radioaktive Material im kontaminierten Wasser bewusst zurückgehalten. Sie haben den Bürgern von Fukushima, Japan und Nachbarländern wie Südkorea und China nicht erklärt, dass das kontaminierte Wasser, das in den Pazifik geleitet werden soll, gefährliche Mengen an Kohlenstoff-14 enthält. Diese bleiben zusammen mit anderen Radionukliden im Wasser über Tausende von Jahren gefährlich und können genetische Schäden verursachen. Dies ist ein weiterer Grund, warum diese Pläne aufgegeben werden müssen.“ (Quelle: Fukushima Reaktor Wasser könnte die menschliche DNA beschädigen, wenn es freigesetzt wird, sagt Greenpeace, The Guardian, 23. Oktober 2020)
Krebs ist das Hauptrisiko für Menschen, die Tritium einnehmen. Wenn Tritium zerfällt, emittiert es ein niederenergetisches Elektron (ungefähr 18.000 Elektronenvolt), das entweicht und in DNA, ein Ribosom oder ein anderes biologisch wichtiges Molekül eindringt. Und im Gegensatz zu anderen Radionukliden ist Tritium normalerweise Teil des Wassers, so dass es in allen Teilen des Körpers gelangt und daher theoretisch jede Art von Krebs fördern kann. Dies trägt aber auch dazu bei, das Risiko zu verringern, da tritiiertes Wasser in der Regel in weniger als einem Monat ausgeschieden wird. (Quelle: Ist radioaktiver Wasserstoff in Trinkwasser eine Krebsbedrohung, Scientific American, 7. Februar 2014)
Einige Hinweise deuten darauf hin, dass von Tritium emittierte Beta-Partikel Krebs wirksamer verursachen als hochenergetische Strahlung wie Gammastrahlen. Niedrigenergetische Elektronen erzeugen eine größere Wirkung, da sie nicht über die Energie verfügen, um ihre Wirkung zu verteilen. Am Ende seiner Reise im atomaren Maßstab gibt es den größten Teil seiner ionisierenden Energie auf einer relativ begrenzten Bahn ab, anstatt wie ein Teilchen mit höherer Energie auf seinem gesamten Weg abzugeben. Dies ist als „Ionisationsdichte“ bekannt. Wissenschaftler sagen daher, dass jede Menge an Strahlung ein Gesundheitsrisiko darstellt.
Laut Ian Fairlie, Professor (Imperial College / London und Princeton University) der Strahlenbiologe und ehemaliges Mitglied des 3-Personen-Sekretariats des britischen Komitees zur Untersuchung der Strahlungsrisiken interner Emittenten: „Derzeit werden über eine Million Tonnen mit Tritium kontaminiertem Wasser in etwa tausend Lagertanks am Standort des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi in Japan aufbewahrt. Hinzu kommen täglich ~300 Tonnen Wasser, die hinein gepumpt werden, um die geschmolzenen Kernbrennstoffe aus den drei zerstörten Reaktoren in Fukushima kühl zu halten. Deshalb müssen jede Woche neue Tanks gebaut werden, um den Zustrom zu bewältigen.“ (Quelle: Ian Fairlie, Die Gefahren von Tritium, 13. März 2020)
Darüber hinaus sind radioaktive Verunreinigungen in den Tanks wie die Nuklide Cäsium-137 (ein extrem tödliches Isotop) und Strontium-90 (das ebenso tödlich ist) in reduzierten Konzentrationen in unannehmbar hohen Konzentrationen vorhanden.
Fairlie: „Diese Probleme erinnern die Medien der Welt deutlich daran, dass die Atomkatastrophe in Fukushima 2011 nicht zu Ende gegangen ist und weitergeht, ohne dass ein Ende in Sicht ist.“
„Hier gibt es keine einfachen Antworten. Abgesehen von einer wundersamen technischen Entdeckung, die unwahrscheinlich ist, denke ich, dass TEPCO / die japanische Regierung mehr Land kaufen und weitere Abwassertanks bauen muss, damit der Tritiumzerfall stattfinden kann. Zehn Halbwertszeiten für Tritium betragen 123 Jahre: So lange müssen diese Tanks halten – mindestens. Dies wird nicht nur dem Tritium Zeit für den Zerfall lassen, sondern auch den Politikern, um über die Weisheit ihrer Unterstützung für die Kernenergie nachzudenken.“ (Fairlie)
Währenddessen bleibt Fukushima Daiichi im Laufe scheinbar endloser Jahre aus mehreren Gründen „die gefährlichste aktive Zeitbombe der Welt“, und abgebrannte Brennstäbe stehen ganz oben auf der Liste.
Zusätzlich zu den 800 Tonnen lavaähnlichen geschmolzenen Brennstoffen – auch bekannt als Corium (die große Kernschmelze) – in den drei Reaktorbehältern, enthalten die angeschlagenen Reaktorgebäude mehr als 1.500 Einheiten gebrauchter Kernbrennstäbe in offenen Wasserbecken und müssen immer kühl gehalten werden oder die Hölle bricht los. Wasserverlust durch strukturelle Schäden oder ein weiteres schweres Erdbeben (die Strukturen sind bereits ernsthaft beeinträchtigt) könnte die Brennstäbe freilegen, was zu einer unkontrollierten massiven Freisetzung von brutzelnder Strahlung führen könnte. Dieses Ereignis könnte schlimmer sein als die ursprüngliche Kernschmelze, und Tokio möglicherweise einem Massenevakuierungsereignis mit rennenden und schreienden Menschen aussetzen.
Tokyo Electric Power plant, die gefährlichen Brennstäbe bis 2031 vollständig zu entfernen. Diese Arbeiten werden aufgrund der außerordentlich hohen Strahlungswerte in den Reaktorgebäuden von einem Kontrollraum in einer Entfernung von etwa 500 Metern aus durchgeführt.
Düstererweise überragt eine perverse Unendlichkeit Tschernobyl (1986) und Fukushima Daiichi (2011) und kennzeichnet diese Kernschmelze als die schlimmsten Industrieunfälle in der Geschichte der Menschheit.
Mit 440 Kernkraftwerken weltweit in Betrieb und 50 weiteren neuen Anlagen im Bau, sind noch einige hundert weiterer Kernkraftwerke geplant.
Viel Glück!
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Kevin Kretschmer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!