Grosse Medien berichten selten darüber: Die Türkei und die USA verletzen in Syrien in krasser Weise das Völkerrecht.
Rick Sterling für die Online-Zeitung INFOsperber
Seit Jahren plündert die Türkei ungestraft die Infrastruktur Syriens. Zwischen 2012 und 2015 wurden in Aleppo etwa 300 Fabriken abgebaut und in die Türkei gebracht. Aus Syriens Industrie-Hauptstadt Aleppo verluden türkische Kräfte Maschinen und Waren auf Lastwagen und verfrachteten sie über die Übergänge Cilvegözü und Ceylanpinar in die Türkei. «Plündern» und «Terror» gehören zum Vokabular, wenn man die Syrische Geschichte erzählen will.
Über 300’000 Menschen mussten flüchten
Im Oktober 2019 marschierten türkische Truppen in Syrien ein und besetzen heute einen Streifen Land im Nordosten. Das Gebiet wird von türkischem Militär und pro-türkischen Söldnertruppen kontrolliert, die sich irreführend «Syrische Nationalarmee» nennen. Der Türkische Präsident Erdogan gab der Invasion den Namen «Operation Friedensfrühling» und sagte, das Ziel sei, eine «sichere Zone» einzurichten. In Wirklichkeit mussten 200’000 Syrerinnen und Syrer vor der Invasion fliehen und über 100’000 wurden permanent von ihren Häusern, Farmen, Arbeitsstellen und ihrem Lebensmittelpunkt vertrieben.
Die Besetzung von Nordsyrien im Vergleich mit der Annexion der Krimupg. Die Annexion oder Sezession der Krim (27’000 Quadratkilometer) verletzte internationale Verträge. Zu Blutvergiessen kam es nicht, weil die Mehrheit der dortigen Bevölkerung den Beitritt zur russischen Föderation unterstützte. Westliche Journalisten und Touristen können unbegleitet auf die Krim reisen.
Anders im Autokratenregime unter Assad: Die türkische Besetzung eines breiten «Sicherheitsstreifens» und die US-Präsenz im nördlichen Erdölgebiet Syriens (beide insgesamt fast 20’000 Quadratkilometer) sind laut UNO-Charta ein Angriffskrieg. Die Annexion vertrieb rund 300’000 Menschen aus ihren Häusern. Weder westliche Journalisten noch Touristen können sich in den besetzten Gebieten Syriens frei bewegen.
Mit Sanktionen wurde aber nur Russland bestraft. Die Türkei und die USA bleiben von Sanktionen verschont. Denn in Syrien geht es darum, Assad und sein Klüngelregime zu stürzen. Würden allerdings Gewaltanwendungen, Zensur und Misswirtschaft es rechtfertigen, in einem Land militärisch einzugreifen, könnten Bevölkerungen vieler Staaten Opfer von Kriegen werden. Aus diesem Grund einigten sich die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg auf die UNO-Charta, die eine strikte Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes vorschreibt.
Das Uno-Verbot von Kriegen
Die Charta der UNO hat das Gewaltverbot in Artikel 2 verankert: «Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede … Androhung oder Anwendung von Gewalt.»
Zu diesem Kriegsverbot sieht die Charta nur zwei Ausnahmen vor: 1. Das Recht auf Selbstverteidigung, wenn ein Land angegriffen wird. 2. Wenn der UN-Sicherheitsrat mit einem Mandat den Krieg gegen ein Land beschliesst. Dies kann der Sicherheitsrat auch dann tun, wenn eine Regierung die Bevölkerung im eigenen Land nicht schützt vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit («Responsibility to Protect»).
Türkisches Militär stellt Wasserzufuhr ab
In Syrien dauern Plünderungen in industriellem Massstab an. Von der Türkei unterstützte Milizen demontieren Strommasten in der Grenzstadt Ras Al-Ain, die zu den «Frühlingsfrieden»-Gebieten gehört. Türkische Kräfte kontrollieren sowohl die Stadt wie auch die nahe gelegene Allouk-Wasserstation und das Pumpwerk, welche die Stadt Hasaka und die ganze Region mit sauberem Wasser versorgen. Die türkischen Streitkräfte benutzen Wasser als Waffe. Um die Bevölkerung gefügig zu machen, drehen sie ihr das Wasser ab. Während mehr als zwei Wochen im August, mit Temperaturen um die 38 Grad, gab es für fast eine Million Menschen kein fliessendes Wasser.
Die Zivilbevölkerung war gezwungen, stundenlang für ein paar Schluck Wasser von einem Tankfahrzeug anzustehen. Jene, die das Wasser nicht bezahlen konnten, mussten sich mit den verschmutzten Quellen begnügen. Judy Jacoub, eine Syrische Journalistin aus Hasaka, berichtet Folgendes:
- «Die Bewohner von Hasaka und dem umliegenden Gebiet wurden gezwungen, auf unsichere Wasserquellen auszuweichen … Viele Menschen leiden unter Pilzerkrankungen, Bakterien und Schmutz in Haaren und am Körper, weil sie Wasser nutzen müssen, das weder getrunken noch zur persönlichen Hygiene verwendet werden sollte. Wegen der hohen Temperaturen und der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten sind die Menschen von Hasaka Krankheiten und Epidemien ausgesetzt. Wenn sich die Lage nicht so schnell wie möglich ändert, wird die Ausbreitung des Corona-Virus verheerend sein.»
Kürzlich seien 17 Quellen und drei Pumpen wieder hochgefahren worden, nachdem Syrien und internationale Kräfte Druck auf die türkische Regierung gemacht hatten. Die Hauptreservoire seien wieder gefüllt worden und Wasser gelangte auch wieder in die umliegenden Gebiete. Allerdings lebe die Bevölkerung immer noch in grosser Angst.
Konkret wird namentlich islamistischen Milizen, die von der Türkei unterstützt würden und für welche die türkische Regierung «mitverantwortlich» sei, in Nordsyrien vorgeworfen:
Willkürliche Verhaftungen
An verschiedenen Orten wurden Zivilisten, politische Aktivisten und Araber festgenommen und ohne Verfahren interniert.
Plünderungen
Vor allem kurdischen Familien wurde Geld gestohlen oder ganze Stromgeneratoren, Türen oder Fenster aus dem Haus geklaut. In den Städten Afrin und Ras al-Ain wurden überwiegend kurdischen Familien ihre Häuser weggenommen. Die türkischen Kräfte waren darüber informiert und griffen nicht ein.
Folter
Syrische Zivilisten überwiegend kurdischer Herkunft wurden von der „Syrischen Nationalen Armee“ verhaftet, verhört und gefoltert
Vergewaltigungen
Frauen und Mädchen wurden von den Kämpfern bei Razzien oder in Haft vergewaltigt, teils mehrfach.
Schändung religiöser Stätten
Mehrere jesidische Schreine und Gräber wurden geplündert und zerstört.
«Es war eine geniale Idee, die Demokratie im Namen zu führen»
Auch die USA haben Besatzungstruppen und Milizen, welche von den USA militärisch unterstützt werden, im Nordosten Syriens stationiert. Die Stellvertreterarmee wird völlig unzutreffend «Demokratische Kräfte Syriens» genannt. Wie sie zu diesem Namen gekommen ist, ist enthüllend. Sie hat sich den Namen gegeben, als sie unter die Finanzierung und Kontrolle des US-Militärs gestellt wurde. US-General Ray Thomas gab ihrer Führung den wohlmeinenden Rat: «Ihr müsst euer Branding ändern. Wie wollt ihr euch nennen, zusätzlich zu YPG (Volksverteidigungseinheiten der Kurden in Nordost-Syrien)?» Innerhalb eines Tages hätten sie sich für «Demokratische Kräfte Syriens» entschieden. «Es war eine geniale Idee, die Demokratie im Namen zu führen», meinte der US-General.
USA legen die Hand auf syrisches Erdöl
Innerhalb der Syrisch-Kurdischen Bevölkerung gibt es zahlreiche Gruppen und Trends. Die USA finanzieren und stützen die sezessionistischen Kräfte und drängen sie, sich mit den von der Türkei unterstützten Dschihadisten gegen die Regierung in Damaskus zu verbünden. Die Verletzung der Syrischen Souveränität ist extrem und grotesk.
Vor dem Krieg konnte sich Syrien selbst mit Erdöl versorgen und genügend exportieren, um Devisen einzunehmen. Doch die grössten Ölvorkommen befinden sich im Osten Syriens, wo sich die US-Truppen und von den USA unterstützte Milizen etabliert haben. Um ihre Stellvertreter-Armee zu finanzieren, haben US-Kräfte die Kontrolle über die wichtigsten Ölquellen übernommen. Wahrscheinlich hält es US-Präsident Donald Trump für einen brillanten Schachzug, die Invasion Syriens mit syrischem Öl zu finanzieren.
Im November 2019 sagte Trump: «Wir behalten das Öl … Das Öl ist sicher. Wir haben Truppen zurückgelassen, nur für das Öl.» Kürzlich wurde bekannt, dass sich eine wenig bekannte US-Firma einen Vertrag über syrisches Öl gesichert hat. «Delta Crescent Energy» wird den Diebstahl von Syrischem Öl nicht nur managen, sondern weiter ausbauen.
Was würden Bürgerinnen und Bürger in den USA davon halten, wenn ein anderes Land via Mexiko in die USA einmarschierte, in Texas Stützpunkte errichtete, eine abtrünnige Miliz finanzierte und die texanischen Ölquellen übernähme, um alles zu finanzieren? Genau das tun die USA in Syrien. Zusätzlich zum Diebstahl des Öls, tun die USA alles, um Syrien davon abzuhalten, alternative Quellen zu erschliessen. Der «Caesar Act» droht jedem Individuum, jedem Unternehmen oder Land, das Syrien beim Wiederaufbau zu Hilfe kommt, mit Strafen.
Die US-Administration scheint alles zu versuchen, um die syrische Wirtschaft zu destabilisieren und der syrischen Währung zu schaden. Auf Druck Libanesischer Banken und als Folge der der US-Sanktionen hat das syrische Pfund massiv an Wert verloren. Ein US-Dollar kostet statt wie vor einem Jahr 650 jetzt 2150 syrische Pfund.
Druck auf die Getreidefarmen
Die reichen Weizen- und Getreidefelder machen den Nordosten Syriens zum Brotkorb des Landes. Es gibt Berichte, wonach die USA Farmer unter Druck setzten, ihre Ernte nicht an die syrische Regierung zu verkaufen. Vor einem Jahr sagte Nicholas Heras vom einflussreichen «Center for New American Security»: «Assad braucht Zugang zu der Getreideernte in Nordwest-Syrien, um in den Gebieten, die er kontrolliert, eine Brotkrise zu vermeiden… Getreide ist eine hochkarätige Waffe in der nächsten Phase des Konflikts.»
Es scheint, als folgten die USA genau dieser Strategie. Im Mai 2020 schrieb der syrische Journalist Stephen Sahinouie: «Apache-Helikopter der US Besatzungskräfte flogen am Sonntag tief über das Shaddadi Gebiet, südlich von Hasaka, und warfen «thermal balloons» ab, eine Thermowaffe. Die Getreidefelder explodierten förmlich, während die heissen, trockenen Winde die Feuersbrunst noch verstärkten. Nach dem Abwurf flogen die Helikopter tief und aggressiv über die Häuser und versetzten die Bevölkerung in Todesangst. Die Botschaft des Militärmanövers war unmissverständlich: Verkauft euer Getreide nicht an die Regierung.
USA kontrollieren lebenswichtigen Grenzübergang
Um Öl und Wirtschaft noch effizienter zu plündern, schafften die USA in den letzten Wochen noch mehr schwere Ausrüstung und militärische Hardware durch die Kurdengebiete des Iraks nach Syrien. Im Süden am strategisch wichtigen al-Tanf Grenzübergang haben sie eine weitere Basis und Besatzungszone eingerichtet. Dort kommen die Grenzen von Syrien, des Iraks und Jordaniens zusammen. Auch verläuft die Schnellstrasse von Bagdad nach Damaskus durch diesen Grenzübergang. Die USA kontrollieren dieses Grenzgebiet, um syrische Wiederaufbauprojekte aus Irak oder Iran zu unterbinden. Als sich syrische Truppen dem Übergang näherten, wurden sie auf ihrem eigenen Territorium angegriffen.
Internationale Hilfsgelder für Syrien fliessen grösstenteils an die letzte Hochburg der Al Kaida-Terroristen in Idlib, an der Nordwestgrenze zur Türkei. Die USA und ihre Verbündeten wollen offensichtlich die bewaffnete Opposition stützen, damit die syrische Regierung das Land nicht zurückerobern kann.
Internationales Recht und UN-Charta missachtet
Die USA und die Türkei zeigen, wie einfach es ist, internationales Recht zu verletzen. Die Besetzung syrischer Gebiete und die Angriffe auf Syriens Souveränität geschehen nicht im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit. Allerdings ist das rechtliche Problem nicht das entscheidende. Viel schlimmer sind das Unterbinden von sauberem Trinkwasser und das Abbrennen von Getreidefeldern, um Hunger zu erzeugen. Dieses Vorgehen verletzt nicht nur das Recht, sondern jegliche Grundsätze von Anstand und Moral.
Den Gipfel der Heuchelei erklimmen jene US-Aussenpolitiker, die bei jeder Gelegenheit den Verfall der Rechtsstaatlichkeit beklagen. Dabei sind die USA das Land, das den Verfall auf die Spitze treibt. In seiner Rede vor dem Uno-Sicherheitsrat sagte der syrische Botschafter Jaafri: «Internationales Recht ist wie das Lamm, das der Obhut eines Wolfsrudels überlassen wurde.»
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Dieser Artikel publizierte der Autor auf Global Research. Übernahme mit freundlicher Genehmigung. Übersetzung: Christa Dettwiler.