Wenn Sie so wie ich die unsägliche Angewohnheit haben, auf die Verlogenheit der Tatsachen hinzuweisen, die zu den verschiedensten Kriegen führen, dann fangen Sie an die Menschen zu überzeugen, dass Kriege ja gar nicht der Abschaffung der Massenvernichtungswaffen dienen, die sie verbreiten, oder der Ausschaltung der Terroristen, die sie erschaffen, oder der Verbreitung der Demokratie, die sie ersticken. Die meisten Menschen werden deshalb bald fragen: „Nun, wozu sind dann eigentlich Kriege?“
An dieser Stelle gibt es zwei häufige Irrtümer. Der eine ist es anzunehmen, dass es eine einzige Antwort darauf gibt. Der andere ist es anzunehmen, dass die Antworten alle einen rationalen Sinn ergeben. Eine grundlegende Antwort, die ich unendliche Male gegeben habe ist, dass Kriege für den Profit, für Macht und für Pipelines geführt werden, für die Kontrolle über fossile Brennstoffe, über Territorien und Regierungen, wegen Wahltaktiken, Karrierestreben und Bewertungen der Medien, für die Rückzahlung von „Beiträgen“ zu Wahlkampagnen, wegen der Trägheit des aktuellen Systems und aufgrund einer kranken, sadistischen Machtgeilheit und xenophober Böswilligkeit.
Wir wissen, dass Kriege nicht mit Bevölkerungsdichte oder Ressourcenknappheit in Verbindung stehen oder mit irgendwelchen anderen Faktoren, die von einigen US Oberen benutzt werden, um die Schuld an den Kriegen deren Opfern zuzuschieben. Wir wissen, dass Kriege kaum dort geführt werden, wo die Waffenschmieden stehen. Wir wissen, dass Kriege in engem Zusammenhang mit den Vorkommen an fossilen Brennstoffen stehen. Sie stehen jedoch auch mit einem anderen Faktor in Verbindung, der eine andere Antwort auf die Frage gibt, wofür Kriege eigentlich gut sind: Stützpunkte. Wir alle wissen jetzt seit Jahrzehnten, dass die jüngsten Dauerkriege der USA vor allem darin bestehen, verschiedene Länder mit Stützpunkten zu überziehen und dass die Ziele auch darin bestehen, eine ganze Zahl von permanenten Stützpunkten und überdimensionalen Botschafts-Festungen zu unterhalten. Was aber wenn die Kriege nicht nur von dem Ziel getrieben sind, neue Stützpunkte zu errichten, sondern auch zum großen Teil von der Existenz der bestehenden?
In seinem neuen Buch „The United States of War“ geht David Vine auf Untersuchungen der US Armee ein, die zeigen, dass seit den 1950er Jahren eine Militärpräsenz der USA mit dem Beginn militärischer Konflikte durch das US Militär in Zusammenhang steht. Vine schreibt in Anlehnung an einen Satz aus dem Film „Field of Dreams“, nicht aber in Bezug auf ein Baseball-Feld, sondern auf Militärbasen: „Wenn Du sie errichtest, werden Kriege kommen.“ Vine zählt außerdem zahllose Beispiele für den Teufelskreis Kriege – Stützpunkte – Kriege – Stützpunkte auf, die letztlich dann nicht nur noch mehr Kriege mit sich bringen, sondern darüber hinaus als Rechtfertigung für die Beschaffung von mehr Waffen und Truppen dienen, um diese Stützpunkte auszustatten, was gleichzeitig wiederum auf sie zurückfällt. All diese Faktoren generieren dann die Grundlage für neue Kriege.
Vines vorhergehendes Buch war „Base Nation: How U.S. Military Bases Abroad Harm America and the World“ (Die Stützpunkt-Nation: Wie US Militärbasen im Ausland Amerika und die Welt schädigen) Der volle Titel des aktuellen Buches ist „The United States of War: A Global History of America’s Endless Conflicts, From Columbus to the Islamic State“ (Die Vereinigten Staaten von Kriegen: Eine Geschichte Amerikas endloser Konflikte – von Columbus bis zum Islamischen Staat). Es ist jedoch keine detaillierte Aufzeichnung jedes Kriegs der USA – das würde viele Tausend Seiten umfassen. Es ist auch keine Abkehr vom Thema der Stützpunkte. Es ist vielmehr eine Chronik, welche Rollen bei der Entstehung und Durchführung von Kriegen Stützpunkte gespielt haben und immer noch spielen.
Am Ende des Buches ist eine lange Liste der Kriege und anderer Konflikte der USA aufgeführt, die aus welchem Grund auch immer nicht als Kriege bezeichnet wurden. Es ist eine Liste, die ununterbrochen von noch vor der Gründung der Vereinigten Staaten bis heute reicht und die nicht davon ausgeht, die Kriege gegen die nordamerikanischen Ureinwohner hätten nicht existiert oder wären keine ausländischen Kriege gewesen. Die Liste enthält entfernte Kriege auf der ganzen Welt, weit vor der Vollendung der „offenkundigen Bestimmung“ für die Westküste der USA sowie kleinere Kriege, die zeitgleich an zahlreichen Orten und mit der Durchführung größerer Kriege anderswo ausbrachen. Sie enthält kurze und extrem lange Kriege (so wie den 36 Jahre andauernden Krieg gegen die Apachen), die die ständigen Verkündungen, dass der Krieg in Afghanistan der längste der USA bisher sei, ad absurdum führen – gleichzeitig mit der Vorstellung, die vergangenen 19 Jahre Krieg wären etwas Neues und Anderes. Während der Research Service des US Kongress einst behauptete, dass die USA elf Jahre in ihrer Geschichte im Frieden gewesen sind, sagen andere Gelehrte, dass die korrekte Zahl der friedlichen Jahre bisher gleich null ist.
Die über den Globus als Militärbasen verteilte US Mini-Vorstadtparadise sind geschlossene Communities auf Steroiden (und Apartheid). Ihre Bewohner sind oft vor strafrechtlicher Verfolgung für Taten jenseits der Tore immun. Lokale Beschäftigte sind innerhalb nur zugelassen, um die Garten- und Reinigungsarbeiten zu machen. Die Reisen und Annehmlichkeiten bringen große Vergünstigungen für die Militärangehörigen und für die Kongressmitglieder mit sich, die zum Zwecke der Budgetkontrolle auf „Welttournee“ zu den Stützpunkten reisen. Die Vorstellung jedoch, dass die Stützpunkte der Verteidigung dienen, dass sie das Gegenteil von dem bewirken, wovor Eisenhower gewarnt hatte, stellt einfach die Realität auf den Kopf. Eines der Hauptprodukte der US-Stützpunkte in den Ländern anderer Völker ist der bittere Unmut, der Vine uns daran erinnern lässt, wie sich die Bewohner in den nordamerikanischen Kolonien damals angesichts der britischen Militärbesatzung gefühlt haben müssen. Diese britischen Truppen benahmen sich gesetzlos und die Siedler erlebten die gleichen Übergriffe wie Plünderungen, Vergewaltigungen und Belästigungen, wie die Menschen heute, die seit vielen Jahrzehnten in der Nähe von US Militärbasen leben.
Weit vor ihrer angeblichen Entstehung 1898 wurden ausländische US Stützpunkte von der aufstrebenden jungen Nation noch vor der Unabhängigkeitserklärung 1776 in Kanada errichtet und breiteten sich von da an rasch aus. In den USA gibt es mehr als 800 aktuelle oder frühere Militärgelände mit dem Begriff „Fort“ in ihren Namen. Sie waren Militärstützpunkte auf fremden Territorium, so wie zahllose andere ohne den Begriff „Fort“ in ihren aktuellen Namen. Sie gingen den Siedlern in den Kolonien voraus. Sie provozierten Gegenreaktionen. Sie erzeugten Kriege. Und diese Kriege führten zu noch mehr Stützpunkten, da die Grenze immer weiter nach außen verschoben wurde. Während des Unabhängigkeitskrieges und auch während der meisten größeren bekannten Kriege gingen die Vereinigten Staaten sofort dazu über, zahlreiche kleinere Kriege zu führen, in diesem Fall zum Beispiel gegen die nordamerikanischen Ureinwohner im Ohio Valley, westlich von New York. In Virginia, wo ich lebe, sind Denkmäler, Grundschulen und Städte nach Personen benannt, denen der Verdienst zugeschrieben wird, das US-Empire (und das von Virginia) während der „Amerikanischen Revolution“ nach Westen erweitert zu haben.
Weder die Errichtung von Stützpunkten noch das Führen von Kriegen hat je aufgehört. Im Krieg von 1812, als die USA das kanadische Parlament abbrannten, woraufhin die Briten Washington abbrannten, errichteten die USA Verteidigungsbasen rund um Washington, D.C., die auch nicht annähernd ihren Zweck erfüllten – so wie das bei fast allen US Stützpunkten auf der Welt heute der Fall ist. Sie sind für den Angriff ausgerichtet, nicht für die Verteidigung.
Zehn Tage nachdem der Krieg 1812 endete, erklärte der US Kongress dem nordafrikanischen Staat Algiers den Krieg. Es war schon damals, und nicht erst 1898, dass die US-Marine damit begann, Stützpunkte für ihre Schiffe auf fünf Kontinenten einzurichten, die dann im 19. Jahrhundert für Angriffe auf Taiwan, Uruguay, Japan, Holland, Mexiko, Ecuador, China, Panama und Korea benutzt wurden.
Der Bürgerkrieg der USA, ausgetragen, weil sich Nord und Süd lediglich auf eine endlose Expansion einigen konnten, nicht aber auf ihren Umgang mit der Sklaverei in den neuen Territorien, war nicht nur ein Krieg zwischen Nord und Süd, sondern wurde auch vom Norden gegen die Schoschonen, die Bannnock, die Ute, Apache und Navajo in Nevada, Utah, Arizona und New Mexico geführt. Ein Krieg, der tötete, Land okkupierte und Tausende nach Bosque Redondo, ein vom Militär kontrolliertes Lager zwang – ein Lager der Art, das sich später die Nazis zum Vorbild nahmen.
Neue Stützpunkte bedeuteten neue Kriege jenseits der Stützpunkte. Presidio in San Francisco wurde von Mexiko übernommen und benutzt, um die Philippinen anzugreifen, wo dann die Stützpunkte benutzt wurden, um Korea und Vietnam zu attackieren. Tampa Bay, den Spaniern abgenommen, wurde benutzt, um Kuba anzugreifen. Guantanamo Bay, von Kuba abgenommen, diente zur Attacke gegen Puerto Rico. Und so weiter. Bis 1844 hatte das US-Militär Zugriff auf fünf Häfen in China. Das Shanghai International Settlement von 1863 zwischen den Briten und den Amerikanern war ein „umgekehrtes Chinatown“ – so wie sich heute die US-Stützpunkte auf dem gesamten Globus darstellen.
Vor dem Zweiten Weltkrieg und selbst zum größten Teil während der Ausweitung der Stützpunkte während des Ersten Weltkrieges, waren viele von ihnen nicht für dauerhaft konzipiert. Einige waren es, andere jedoch, wie die meisten Stützpunkte in Zentralamerika und der Karibik, wurden als vorübergehend angesehen. Der Zweite Weltkrieg sollte all dies ändern. Der Status aller Stützpunkte war nun dauerhaft. Das begann mit Roosevelts Tausch alter Schiffe mit Großbritannien gegen Stützpunkte in acht britischen Kolonien – von denen keine in dieser Angelegenheit irgendein Mitspracherecht hatte. Ebenso wenig wie der Kongress – denn Roosevelt handelte auf eigene Faust und schuf damit einen furchtbaren Präzedenzfall. Während des Zweiten Weltkrieges errichteten und okkupierten die USA 30,000 Einrichtungen auf 2000 Stützpunkten auf jedem Kontinent.
Ein Stützpunkt in Dhahran in Saudi Arabien war für den Kampf gegen die Nazis geplant. Nach der Kapitulation Deutschlands wurde der Bau jedoch dennoch fertig gestellt. Denn das Öl war ja noch da. Und der Bedarf an Landeflächen für Flugzeuge in diesem Teil der Welt war ebenfalls da. Und der Rechtfertigungsbedarf für den Kauf neuer Flugzeuge bestand auch. Und Kriege würden so sicher sein wie das Amen in der Kirche.
Der Zweite Weltkrieg wurde nur zum Teil beendet. Immense Streitkräfte blieben dauerhaft im Ausland stationiert. Roosevelts Vizepräsident Henry Wallace dachte, dass die Stützpunkte im Ausland den Vereinten Nationen übergeben werden sollten. Stattdessen wurde er rasch von der Bühne verdrängt. Vine schreibt, dass hunderte „Bring Back Daddy“ (Holt Papa zurück) Clubs in den Vereinigten Staaten entstanden. Sie alle scheiterten. Stattdessen begann man mit einer radikalen neuen Vorgehensweise, indem man die Angehörigen zu ihren Familienoberhäuptern in den Stützpunkten verfrachtete – und hatte damit die Reduzierung der Zahl von Vergewaltigungen an der einheimischen Bevölkerung im Hinterkopf.
Natürlich wurde das US-Militär nach dem zweiten Weltkrieg signifikant reduziert, jedoch bei weitem nicht in dem Maße, wie das nach anderen Kriegen der Fall gewesen war. Und vieles wurde wieder hochgefahren, als der Beginn des Koreakrieges auf der Tagesordnung stand. Dieser Krieg ließ die Zahl der US-Stützpunkte im Ausland um 40% anwachsen. Einige bezeichnen vielleicht den Krieg gegen Korea als unmoralisch, einen Horror oder kriminellen Frevel, während andere von einem Klotz am Bein oder einer strategischen Dummheit sprechen. Jedoch im Hinblick auf die Errichtung von Stützpunkten und die Festigung der Macht der Rüstungsindustrie über die US-Regierung war dieser Krieg ein Wahnsinnserfolg – exakt so wie es Barack Obama während seiner Präsidentschaft benannte.
Eisenhower sprach vom militärisch-industriellen Komplex, der die Regierung korrumpiert. Eines von vielen Beispielen, die Vine benennt, ist das Verhältnis zwischen den USA und Portugal. Das US-Militär wollte Stützpunkte auf den Azoren, also erklärte sich die US Regierung bereit, Portugals Diktator zu unterstützen, den portugiesischen Kolonialismus sowie die Aufnahme Portugals in die NATO. Und die Menschen in Angola, Mozambique und Cap Verde wurden verdammt – oder eher sie entwickelten eine Feindseligkeit gegenüber den USA – als Preis dafür, dass die Vereinigten Staaten von einem weltweiten Netz an Stützpunkten „verteidigt“ werden. Vine nennt 17 Fälle weltweit, in denen durch die Errichtung von US-Stützpunkten die lokale Bevölkerung vertrieben wurde. Eine Tatsache, die Seite an Seite in Lehrbüchern der USA mit der Behauptung steht, dass das Zeitalter der Eroberungen vorüber ist.
Die NATO erleichterte den USA die Errichtung von Stützpunkten in Italien. Wären sie „US-Stützpunkte“ genannt worden, hätten sich die Italiener sicher niemals damit abgefunden. So wurden sie ihnen unter dem falschen Namen „NATO-Stützpunkt“ verkauft.
Die Stützpunkte haben sich immer weiter auf dem Globus ausgebreitet, im Allgemeinen begleitet von Protesten. Diese Proteste, oft erfolgreich, oft aber auch nicht, waren und sind ein wesentlicher Teil der Weltgeschichte des vergangenen Jahrhunderts, der in den Geschichtsbüchern der USA kaum Erwähnung findet. Sogar das berühmte Friedenszeichen tauchte zum ersten Mal bei einem Protest gegen einen US-Militärstützpunkt auf. Jetzt verbreiten sich die Stützpunkte über Afrika und bis an die Grenzen Chinas und Russlands, während sich die Zivilgesellschaft der Vereinigten Staaten immer mehr an Routine-Kriege gewöhnt, die von „Spezialkräften“ oder ferngesteuerten Flugzeugen geführt werden. Atomwaffen werden gebaut wie verrückt und der Militarismus wird von keiner der beiden großen politischen Parteien der USA in Frage gestellt.
Wenn Kriege zum Teil wegen der Stützpunkte geführt werden, sollten wir dann nicht langsam fragen, wofür die Stützpunkte gut sind? Vine bezieht sich auf Untersuchungen des Kongresses mit dem Fazit, dass viele Stützpunkte auf Grund von „Gewohnheit“ erhalten bleiben. Und er zitiert verschiedene Offizielle des Militärs, die in Angst – oder genauer Paranoia ertrinken und das Anzetteln eines Angriffskrieges als Form der Verteidigung sehen. Beides sind sehr reale Phänomene, doch ich denke, dass sie an ein übermächtiges Streben nach globaler Dominanz und Profit gebunden sind – verbunden mit einem soziopathischen Willen bzw. Drang, Kriege anzuzetteln.
Etwas, was meiner Ansicht nach in keinem Buch genügend zur Geltung kommt, ist die Rolle des Waffenhandels. Diese Stützpunkte schaffen Waffen-Käufer – Despoten und „demokratische“ Offizielle, die man bewaffnen, trainieren, sponsern und somit abhängig vom US-Militär machen kann – und die US Regierung noch abhängiger von den Profiteuren der Kriege.
Ich hoffe, dass jede(r) The United States of War liest. Bei World BEYOND War steht der Kampf um die Schließung der Stützpunkte ganz oben auf der Agenda.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!