Anhand von sechs Anklagepunkten beleuchtete das Tribunal die menschenrechtliche Lage von Asylsuchenden, Illegalisierten sowie Arbeitnehmer*innen aus EU- und Nicht-EU-Ländern. Neben der Diskriminierung durch Angehörige der Gesundheitsberufe und Sprachbarrieren, existierten auch gesetzliche Bestimmungen, die den Zugang behindern. Zeug*innen aus den Geflüchtetenlagern auf Lesbos schilderten eindrücklich die katastrophale Situation vor Ort. Laut der Ärztin Dr. Jessica Horst stellen die ungesunden Lebensbedingungen, der eingeschränkte Zugang zu medizinischer Versorgung und die nicht standardisierte medizinische Versorgung eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit seiner Bewohner*innen dar.
Kritisiert wurde zudem, dass Abschiebungen schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben können. Eine Abschiebung in ein Herkunfts- oder Transitland sei grundsätzlich ein staatlich verordneter, vollzogener und legitimierter Gewaltakt. Im Rahmen der weiteren Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts würden die Bedürfnisse und Rechte besonders schutzbedürftiger Personen im Asylverfahren eklatant missachtet. Sie zielten darauf, die Abschiebung schwerkranker und traumatisierter Menschen zu erleichtern.
Die Covid-19-Pandemie habe die Rechtsverletzungen der Europäischen Union gegen Migrant*innen und Asylsuchende noch verstärkt – so die Veranstalter. Die deutsche Polizei und Bundeswehr seien an Praktiken beteiligt, die gegen internationales Recht, die Genfer Konvention und geltendes EU-Recht verstoßen. Fast täglich fänden sogenannte „Push-backs“ vor der Küste von Lesbos statt wie zum Beispiel am 15. August 2020. Ein Beiboot mit schätzungsweise 32 Migrant*innen an Bord wurde von verschiedenen Schiffen acht Stunden lang auf See hin und her geschoben – darunter auch das deutsche Marineschiff A1411. Am Nachmittag wurde das Boot von der türkischen Küstenwache in die Türkei zurückgebracht. „Statt Mauern und Grenzen zu errichten, sollten wir ernst gemeinte Solidarität und Respekt an den Menschenrechten zeigen“, fordert Muhammed al-Kashef, Menschenrechtsaktivist von WatchTheMed-Alarm Phone.
Das Tribunal steht in der Tradition einer Reihe von Anklagen vor dem Permanent Peoples Tribunal (PPT) gegen Menschenrechtsverletzungen durch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten und Institutionen der EU. Sie basieren auf einem Rahmendokument, das bei der Eröffnungsanhörung des PPT zum Thema „Menschenrechte von Migrant*innen- und Flüchtlingsvölkern“ im Juli 2017 in Barcelona erarbeitet wurde.
Die Videodokumentation des Menschenrechtstribunals finden Sie auf dem YouTube-Kanal Berlin Hearing PPT
Weitere Infos zum Menschenrechtstribunal gibt es auf der Seite der Transnational Migrant Platform Europe
An der Veranstaltung, welche an dem Wochenende von mehreren hundert Menschen europaweit verfolgt wurde, waren folgende Organisationen beteiligt:
Abschiebebeobachtung NRW • ALSO Oldenburg • Armut und Gesundheit e.V. • Ban Ying e.V. • Ärzte der Welt • BAfF – Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer • Black Visions and Voices • BNS – Berliner Netzwerk für besonders Schutzbedürftige • borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V. • CAAT Project • Comitato Verita e Giustizia per i Nuovi Desaparacidos • CoraSol • Deutsche Aidshilfe • Flüchtlingsrat Bayern • Flüchtlingsrat Berlin • Flüchtlingsrat Brandenburg • Handicap International • InEUmanity • Institute of Race Relations • Initiative Oury Jalloh • IPPNW e.V. – Ärzte in sozialer Verantwortung • KOK – Bundesweiter Ko-ordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. • LAB Trade Union • La Via Campesina • Legal Centre Lesvos • LesMigraS • Love146 • Medibüro Berlin • Medico International • MediNetz Bielefeld • MediNetz Mainz • MELISSA – Network of Migrant and Refugee Women in Greece • PIKPA / Lesvos Solidarity • Pro Asyl • Sans Papiers • SEDOAC – Servicio Doméstico Activo • Stand by me Lesvos • Transnational Institute • Transnational Migrant Platform – Europe • United Action e.V. • vdää • Waling Waling • WatchTheMed-Alarm Phone • Yaar e.V.