Ende Oktober soll zum ersten Mal eine Karawane für Menschenrechte durch das umkämpfte Micay-Tal in der südwestkolumbianischen Provinz Cauca ziehen. Sie will die von Bäuer*innen, Afrokolumbianer*innen und Indigenen geprägten Gemeinden Argelia und El Tambo besuchen, die besonders unter dem bewaffneten Konflikt leiden. Damit sollen deren Probleme öffentlich sichtbar gemacht und ihnen Beistand geleistet werden. Über 30 soziale Organisationen wollen an der Karawane teilnehmen, darunter der Dachverband Congreso de los Pueblos, der Nationale Agrarverband CNA sowie mehrere lokale bäuerliche und afrokolumbianische Verbände sowie Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen. Die Karawane soll am 22. Oktober in Popayán, der Hauptstadt des Cauca beginnen und am 26. Oktober wieder dort enden.
Neun Massaker seit Beginn der Pandemie
„Der Cauca ist eines der am Stärksten vom bewaffneten Konflikt betroffenen Departments“, erklärte Guido Albán Rivera vom Menschenrechtsnetzwerk des Cauca. „Im März gab es hier drei Massaker und seit Beginn der Pandemie neun. Zusätzlich gibt es eine Welle von Morden an Gemeindeführer*innen, Politiker*innen und Bäuer*innen. Wir haben es hier mit einem ungebremsten Anstieg an Morden zu tun.“
Die Karawane will das Micay-Tal besuchen, weil die Gewalt in diesem Gebiet in jüngster Zeit stark zugenommen hat. Mitglieder sozialer Organisationen und Bewohner*innen der Gemeinden sind immer wieder grundlos ermordet und bedroht worden. Besonders verfolgt wurden die Vereinigung der Landarbeiter*innen von Argelia ASCAMTA und der Verband der Nachbarschaftsvereinigungen ASOCOMUNAL.
70 Morde in den Gemeinden El Tambo und Argelia
Laut dem Menschenrechtsnetzwerk des Cauca sind seit Beginn der Pandemie allein in den Gemeinden El Tambo und Argelia etwa 70 Menschen ermordet worden. „Es gibt momentan einen politischen und wirtschaftlichen Krieg um diese Gebiete. Legale wie illegale bewaffnete Gruppen kämpfen vor allem in Gemeinden wie El Tambo und Argelia um lukrative Einnahmequellen wie Bodenschätze, Biodiversität und Wasserkraft, sowie um Transportwege für den örtlichen Drogen- und Waffenhandel“, heißt es in der Erklärung der Menschenrechtskarawane.
Durch die Auseinandersetzungen zwischen den bewaffneten Gruppen wurden bereits über 1.000 Menschen vertrieben. „Sie haben einen Familienvater getötet und der Ehefrau 45 Rinder, sechs Pferde, das Haus und die Maschinen weggenommen. Sie haben ihr nur zehn Hühner gelassen, die sie verkaufen musste, um ihr Land verlassen zu können. So werden hier viele Leute vertrieben“, beklagt Guido Albán Rivera.
Als Antwort darauf hat die Regierung das Gebiet militarisiert. „Über 7.600 Soldaten sind hier stationiert, aber ihre Handlungen sind weit davon entfernt, den Bewohner*innen Frieden und Ruhe zu bringen“, heißt es in der Erklärung. Das Militär konzentriere sich vielmehr darauf, „die Selbstorganisation der bäuerlichen, afrokolumbianischen und indigenen Bewohner*innen zu kriminalisieren.“
Guido Albán Rivera betont, dass die Bewohner*innen der Gemeinden zu eingeschüchtert seien, die Morde selbst anzuprangern. „Sie sind in die Enge getrieben und erschrocken. Sie brauchen jemanden, der ihre Stimmen, die jetzt verstummt sind, nach außen trägt. Aber das Wichtigste ist, den Leuten hier zu zeigen, dass sie nicht alleine sind; dass es auch außerhalb dieser Gemeinden Leute wie uns gibt, die an sie denken.“