Am 4. Oktober unterzeichneten in Great Barrington (USA) drei Wissenschaftler aus verschiedenen amerikanischen Forschungseinrichtungen für öffentliche Gesundheit eine gemeinsame Erklärung, die einen möglichen neuen Ansatz für die Bekämpfung der SARS-Cov-2-Pandemie aufzeigen soll:
Dr. Martin Kulldorff, Professor für Medizin an der Harvard-Universität, Biostatistiker und Epidemiologe mit Expertise in der Erkennung und Überwachung von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten und in der Bewertung der Sicherheit von Impfstoffen.
Dr. Sunetra Gupta, Professorin an der Universität Oxford, eine Epidemiologin mit Fachkenntnissen in Immunologie, Impfstoffentwicklung und mathematischer Modellierung von Infektionskrankheiten.
Dr. Jay Bhattacharya, Professor an der Stanford University Medical School, Arzt, Epidemiologe, Gesundheitsökonom und Experte für öffentliche Gesundheitspolitik mit Schwerpunkt auf Infektionskrankheiten und gefährdete Bevölkerungsgruppen.
Bis heute (11.10.2020; Erscheinungsdatum des italienischen Original-Artikels) haben sich ihnen mehr als 8.000 Gesundheitswissenschaftler, 19.370 Allgemeinmediziner und 318.800 Bürger angeschlossen, Tendenz steigend.
Die Erklärung beginnt wie folgt: „Als Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens haben wir ernste Bedenken hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden COVID-19-Maßnahmen auf die physische und psychische Gesundheit und empfehlen einen Ansatz, den wir gezielten Schutz (Focused Protection) nennen.“
Ihre Überlegungen, die sich auf jahrelange Erfahrung sowie statistische Auswertungen und mathematische Berechnungen zu verschiedenen Infektionskrankheiten, einschließlich SARS Cov 2, stützen, konzentrieren sich auf die Tatsache, dass Lockdowns nur vorübergehenden Schutz vor der Ausbreitung der Pandemie bieten, während sie gleichzeitig schwerwiegende langfristige Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung haben, insbesondere auf die schwächsten sozialen Gruppen, sowohl auf gesundheitlicher Ebene (Fehlen von Basisimpfungen für Kinder, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Verschlechterung der psychischen Gesundheit usw.), als auch auf wirtschaftlicher Ebene mit einer damit einhergehenden weiteren Verschlechterung der öffentlichen Gesundheit. Nach ihrer Einschätzung werden diese negativen Auswirkungen Jugend und Arbeiterklasse am stärksten betreffen. All das wird in den kommenden Jahren zu einem Anstieg der Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung führen.
Sie schlagen vor, sich auf den Schutz von schwächeren Gruppen (Kranke und ältere Menschen) zu konzentrieren, während die übrige Bevölkerung ihr Leben in völliger Normalität leben kann, wodurch das soziales Gefüge, Arbeit, Handel und Bildung gefördert werden, um ein gutes Niveau der öffentlichen Gesundheit aufrechtzuerhalten und die Herdenimmunität in der Bevölkerung zu stärken, die letztlich sowohl die Stärksten als auch die Schwächsten schützt.
In der Tat erklären sie: „In dem Maße, wie sich die Immunität in der Bevölkerung aufbaut, sinkt das Infektionsrisiko für alle – auch für die gefährdeten Personengruppen. Wir wissen, dass alle Populationen schließlich eine Herdenimmunität erreichen – d.h. den Punkt, an dem die Rate der Neuinfektionen stabil ist. Dies kann durch einen Impfstoff unterstützt werden, ist aber nicht davon abhängig. Unser Ziel sollte daher sein, die Mortalität und den sozialen Schaden zu minimieren, bis wir eine Herdenimmunität erreichen.“
Die Erklärung ist in insgesamt 20 Sprachen verfügbar: https://gbdeclaration.org
Link zu Mitzeichnen: https://gbdeclaration.org/#sign
Sehr gutes Video zu einem Interview mit den Wissenschaftlern (Originalsprache Englisch) auf Youtube
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Vollständiger Text der Erklärung:
Die Great Barrington Erklärung
Als Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens haben wir ernste Bedenken hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden COVID-19-Maßnahmen auf die physische und psychische Gesundheit und empfehlen einen Ansatz, den wir gezielten Schutz (Focused Protection) nennen.
Wir kommen politisch sowohl von links als auch von rechts und aus der ganzen Welt und haben unsere berufliche Laufbahn dem Schutz der Menschen gewidmet. Die derzeitige Lockdown-Politik hat kurz- und langfristig verheerende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Zu den Ergebnissen, um nur einige zu nennen, gehören niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der psychischen Verfassung – was in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Übersterblichkeit führen wird. Die Arbeiterklasse und die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft werden dabei am schlimmsten betroffen sein. Schüler von der Schule fernzuhalten, ist eine schwerwiegende Ungerechtigkeit.
Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird irreparablen Schaden verursachen, wobei die Unterprivilegierten unverhältnismäßig stark betroffen sind.
Glücklicherweise wachsen unsere Erkenntnisse über das Virus. Wir wissen, dass die Gefahr durch COVID-19 zu sterben bei alten und gebrechlichen Menschen mehr als tausendmal höher ist als bei jungen Menschen. Tatsächlich ist COVID-19 für Kinder weniger gefährlich als viele andere Leiden, einschließlich der Influenza.
In dem Maße, wie sich die Immunität in der Bevölkerung aufbaut, sinkt das Infektionsrisiko für alle – auch für die gefährdeten Personengruppen. Wir wissen, dass alle Populationen schließlich eine Herdenimmunität erreichen – d.h. den Punkt, an dem die Rate der Neuinfektionen stabil ist. Dies kann durch einen Impfstoff unterstützt werden, ist aber nicht davon abhängig. Unser Ziel sollte daher sein, die Mortalität und den sozialen Schaden zu minimieren, bis wir eine Herdenimmunität erreichen.
Der einfühlsamste Ansatz, bei dem Risiko und Nutzen des Erreichens einer Herdenimmunität gegeneinander abgewogen werden, besteht darin, denjenigen, die ein minimales Sterberisiko haben, ein normales Leben zu ermöglichen, damit sie durch natürliche Infektion eine Immunität gegen das Virus aufbauen können, während diejenigen, die am stärksten gefährdet sind, besser geschützt werden. Wir nennen dies gezielten Schutz (Focused Protection).
Die Verabschiedung von Maßnahmen zum Schutz der gefährdeten Personengruppen sollte das zentrale Ziel der Reaktionen des öffentlichen Gesundheitswesens auf COVID-19 sein. Zum Beispiel sollten Pflegeheime Personal mit erworbener Immunität einsetzen und häufige PCR-Tests bei anderen Mitarbeitern und allen Besuchern durchführen. Der Personalwechsel sollte minimiert werden. Menschen im Ruhestand, die zu Hause wohnen, sollten sich Lebensmittel und andere wichtige Dinge nach Hause liefern lassen. Wenn möglich, sollten sie Familienmitglieder eher draußen als drinnen treffen. Eine umfassende und detaillierte Reihe an Maßnahmen, darunter auch Maßnahmen für Mehrgenerationenhaushalte, kann umgesetzt werden und liegt im Rahmen der Möglichkeiten und Fähigkeiten des öffentlichen Gesundheitswesens.
Diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind, sollten sofort wieder ein normales Leben führen dürfen. Einfache Hygienemaßnahmen wie Händewaschen und der Aufenthalt zu Hause im Krankheitsfall sollten von allen praktiziert werden, um den Schwellenwert für die Herdenimmunität zu senken. Schulen und Universitäten sollten für den Präsenzunterricht geöffnet sein. Außerschulische Aktivitäten, wie z. B. Sport, sollten wieder aufgenommen werden. Junge Erwachsene mit geringem Risiko sollten normal und nicht von zu Hause aus arbeiten. Restaurants und andere Geschäfte sollten öffnen können. Kunst, Musik, Sport und andere kulturelle Aktivitäten sollten wieder aufgenommen werden. Menschen, die stärker gefährdet sind, können teilnehmen, wenn sie dies wünschen, während die Gesellschaft als Ganzes den Schutz genießt, der den Schwachen durch diejenigen gewährt wird, die Herdenimmunität aufgebaut haben.
Am 4. Oktober 2020 wurde diese Erklärung in Great Barrington, USA, verfasst und unterzeichnet von:
Dr. Martin Kulldorff, Professor für Medizin an der Harvard-Universität, Biostatistiker und Epidemiologe mit Expertise in der Erkennung und Überwachung von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten und in der Bewertung der Sicherheit von Impfstoffen.
Dr. Sunetra Gupta, Professorin an der Universität Oxford, eine Epidemiologin mit Fachkenntnissen in Immunologie, Impfstoffentwicklung und mathematischer Modellierung von Infektionskrankheiten.
Dr. Jay Bhattacharya, Professor an der Stanford University Medical School, Arzt, Epidemiologe, Gesundheitsökonom und Experte für öffentliche Gesundheitspolitik mit Schwerpunkt auf Infektionskrankheiten und gefährdete Bevölkerungsgruppen.
Deutsche Übersetzung der Erklärung: https://gbdeclaration.org/die-great-barrington-declaration/
Übersetzung des Artikels aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam – Wir suchen Freiwillige!