Noch immer werden im 21. Jahrhundert Menschen gehängt, erschossen, enthauptet, in den Tod gespritzt. Warum der Glaube an die Todesstrafe weltweit noch immer vorhanden und der Kampf dagegen nötiger denn je ist – daran erinnert der „Europäische Tag gegen die Todesstrafe“ am 10. Oktober.
Hinrichtungen sind immer grausam, ganz gleich, wie ein Verurteilter stirbt. Trotzdem werden im 21. Jahrhundert noch immer Menschen gehängt, erschossen, enthauptet, in den Tod gespritzt. Immerhin: Zwei Drittel aller Staaten haben die Todesstrafe entweder per Gesetz abgeschafft oder verhängen sie in der Praxis nicht mehr. Und: die Zahl der offiziell vollstreckten Todesstrafen ist im vergangenen Jahr im Vorjahresvergleich zurückgegangen.
Von (mindestens) 690 Hinrichtungen im Jahr 2018 sank die Zahl auf 657 – das belegt der Jahresbericht von Amnesty International. Doch beim Weiterlesen trübt sich das Bild der Statistik sogleich wieder. Auch wenn es weniger registrierte Hinrichtungen gab: das wahre Ausmaß der weltweiten Anwendung bleibt unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass die mit Abstand meisten Hinrichtungen in China stattfanden. Zahlen gibt es keine, da diese Informationen als Staatsgeheimnis behandelt werden. China unberücksichtigt, fanden 86 Prozent der weltweiten Hinrichtungen in nur vier Ländern statt: Iran, Saudi-Arabien, Irak und Ägypten. Zusammenfassend bilanziert der Bericht: Am Ende des Jahres 2019 hatten 106 Länder (die Mehrheit der Staaten weltweit) die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen abgeschafft und 142 Länder (mehr als zwei Drittel aller Staaten weltweit) sie per Gesetz oder in der Praxis nicht mehr vollstreckt. Eine erfreuliche Tatsache. Darf man sich Hoffnung machen?
Dass eine deutliche Mehrheit aller Staaten mittlerweile auf die Anwendung der Todesstrafe verzichtet – das ist ein Sieg der Humanität. Gleichwohl ist der entscheidende Durchbruch auf dem Weg zur weltweiten Ächtung und Abschaffung der Todessstrafe noch nicht gelungen. Über 19.000 Menschen befinden sich derzeit weltweit in Todeszellen und warten auf ihre Exekution. Allein mehr als 2.500 Menschen in den Todeszellen der USA. Dort ist die Todesstrafe – so zynisch das klingen mag – Teil des politischen Arsenals, mit dem die Glaubenskriege ausgetragen werden. An der Frage, ob der Staat das Recht hat, ein schweres Verbrechen mit der Hinrichtung des Täters zu sühnen, scheiden sich in den USA die liberalen von den konservativen Geistern.
Der Autor wird am 10. Oktober 2020 über sein Buch und das Thema „Todesstrafe“ einen Online-Vortrag bei der Giordano-Bruno-Stiftung halten.
Bereits gestern fand eine Online-Konferenz des Internationalen Kommitees gegen die Todesstrafestatt, dessen Vorsitzende Mina Ahadi ist.
Tatsache aber ist: Die Todesstrafe ist willkürlich, unwirksam, anachronistisch und menschenverachtend. Drei zentrale Argumente, die für deren Abschaffung sprechen: Erstens: Die Hinrichtung ist eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Form der Bestrafung. Zweitens: Die Wirksamkeit der Abschreckung ist nicht nachgewiesen. Und Drittens: Die Todesstrafe wird von fehlbaren Menschen verhängt, unschuldige Menschen werden hingerichtet.
Es braucht einen langen Atem auf dem Weg von der Kultur der Vergeltung hin zu einer rationalen und humanen Strafrechtspraxis. Der „Europäische Tag gegen die Todesstrafe“, der jährlich am 10. Oktober stattfindet, will daran erinnern.
Buchhinweis:
Helmut Ortner, Ohne Gnade – Eine Geschichte der Todesstrafe, Mit einem Nachwort von Bundesrichter a.D. Thomas Fischer, Nomen Verlag, 228 Seiten, 22 Euro
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