Die Sprache der kämpfenden Frauen ist universell. Es ist nicht wichtig, auf welchem Teil des Planeten du lebst, wir sprechen alle die gleiche Sprache, wenn es darum geht, uns zu verteidigen und etwas für uns zu fordern.
Aus 50 Metern Entfernung sehe ich eine Mutter, welche mir mit ihrem Kind entgegen kommt. Auch wenn ich sie nicht hören kann, bemerke ich, ob sie das Kind zurechtweist oder ob sie ihm etwas gestattet. Anhand ihrer Körperhaltung kann ich feststellen , auch wenn ich sie nicht kenne, ob sie unterdrückt, ausgenutzt, geschlagen, missbraucht oder zum Schweigen gebracht wurden. Über eine Körpersprache, durch welche ich meine Geschlechtsgenossinnen perfekt verstehe.
Wie kommt es also dazu? Wie können wir Frauen bemerken, was in vielen Metern Entfernung geschieht, ohne, dass es uns jemand erklärt? Wie ist es für uns nur durch Gesten, durch das Unantastbare, völlig offensichtlich zu erkennen, was geschieht?
Welche anderen Ausdrucksweisen der Kommunikation beherrschen wir Frauen, wenn es um die Vereinheitlichung eines Ausdrucks geht? Die Sprache ist das Medium der menschlichen Kommunikation. Die Menschen verwenden gesprochene und geschriebene Zeichen, Laute und Gesten, welche eine Bedeutung besitzen, die wir ihnen gegeben haben.
Im Gegensatz dazu ist die Sprache das Inventar, welches wir Redenden für unseren Ausdruck benutzen, welche wir jedoch nicht umgestalten „können“. Sie stellt das System der verbalen sowie der geschriebenen Kommunikation dar, geleitet durch ein Konstrukt von Vereinbarungen und Regeln der Grammatik, welche durch die Menschen zur Kommunikation verwendet werden.
Ich erinnere mich an das weltweite Treffen der Frauen für Frieden, welches 1987 in der Sowjetunion mit mehr als 10.000 Frauen stattfand. Wir haben dort fast alle Sprachen der Welt gesprochen. Die Meisten habe ich nicht verstanden, aber wenn wir uns bei einem Workshop, einer Rede, einer Debatte oder einer Buchpräsentation getroffen haben, konnten wir uns dennoch auf irgendeine Art und Weise verständigen. Man hat die Kommunikation gespürt. Das Gleiche ist mir bei den ersten Märschen Mitte der 80er passiert, auch für das Gesetz der Abtreibung und zur Verteidigung des nationalen Programmes für sexuelle Aufklärung.
Dort waren wir alle, die Großmütter, die Mütter, die Enkeltöchter. Mit vielen haben wir eine andere Sprache gesprochen, offensichtlich hatten wir viele generationsbedingte Unterschiede in der Form und des Gebrauchs der Sprache. Es gab diese Unterschiede, aber dort haben wir alle für das Gleiche gekämpft und es war nicht notwendig, zu reden, um uns zu verstehen.
Vor wenigen Tagen hatte ich erneut eine ähnliche, persönliche Erfahrung. Ich habe mich mit italienischen Frauen getroffen, welche eine politische Bewegung zur Verteidigung der Frauenrechte organisierten. 300 Frauen aus allen möglichen Regionen haben sich über die Onlineplattform „Zoom“ getroffen und wieder habe ich sie, ohne italienisch zu sprechen, verstanden. Die Demonstrierenden kamen aus verschiedenen Bereichen, Umweltschützerinnen, Mitglieder der Nichtregierungsorganisation, unter anderem Aktivistinnen der sozialen, politischen und der Bildungsbewegungen. Ich konnte alles verstehen: die Absicht, die Richtung und die Leidenschaft, welche sie ausdrückten, um die verschiedenen Themen durchführen zu können. Doch wie kam es dazu?
Ein 10-jähriges Mädchen wurde in einer brasilianischen Stadt vergewaltigt, wurde schwanger, und tausende von Frauen des ganzen Kontinents starteten eine Kampagne, um für eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung zu kämpfen. Wir kennen das Mädchen nicht, aber wir alle nehmen wahr, was ihr passiert ist, was sie fühlte. Die Freundin einer Freundin, in einem anderen Land, schlugen sie bis zur Bewusstlosigkeit zusammen, wir alle reagieren, wissen, was sie fühlte, wie es ihr jetzt geht, in welcher Situation sie sich befindet, obwohl wir sie nicht kennen.
In einer Epoche in Japan hatten Frauen eine eigene Sprache, damit die Männer sie nicht verstanden, wenn sie untereinander redeten. Ich spürte im Körper meine gleiche, tägliche Realität.
Das überraschte mich, daher entschied ich mich, diesen Artikel zu verfassen. Auch wenn ich keine Semiologin oder Sprachwissenschaftlerin bin, möchte ich über „was wir mit Worten und was wir ohne Worte sagen“ schreiben. Ich spreche über die Subjektivität, die unantastbare Ausdrucksweise der Gestik, der Blicke und der Ausdrücke; nicht nur des Gesprochenen.
Wir sind die Subjektivität, erniedrigt und diskreditiert, weil wir nicht objektiv sind. Wow!
Wir müssen die Sprache der Frauen wiederaufleben lassen, denn sie ist historisch eingefallen, im beschränkten Modus der patriarchalischen Sprache. Wir müssen die Präsenz der Subjektivität in unserer Kommunikationsweise überprüfen. Wenn wir diesen unantastbaren Ausdruckweisen Platz machen, sind wir auf dem besten Wege zu einer Welt, die die Menschlichkeit braucht, um ihre Evolution weiter zu entwickeln.
Übersetzung aus dem Spanischen von Lara Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!