Am 21. September, dem Internationalen Tag des Friedens, können Sie sich online den neuen Film „We Are Many“ ansehen – und das sollten Sie auch tun. Das Thema ist der weltweit größte Einzeltag des Aktivismus: 15. Februar 2003 – eine beispiellose Erklärung gegen den Krieg, zu oft vergessen und viel zu oft missverstanden.
Auf jedem Kontinent (ja, auch in der Antarktis), in 72 Ländern und 789 Städten haben sich Menschen in der Größenordnung von zehn Millionen beteiligt. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um die bei weitem größte Demonstration, die je in einer bestimmten Stadt, einem bestimmten Land oder auf diesem Planeten stattgefunden hat. Ihre Botschaft war kristallklar: „Nein zum Krieg“. „Nein zu einem von den USA geführten Krieg gegen den Irak.“
Alles, was Friedensaktivisten Ihnen in den Folgejahren über die Notwendigkeit erzählen würden, an den Eigennutz der Menschen zu appellieren, über Dollars und Veteranen zu reden, nicht zu moralisierend zu klingen – nichts davon war irgendwo zu finden, als Großfamilien und Nachbarn die Straßen überfluteten. Wie der Großteil des Aktivismus war dies eine leidenschaftliche Stellungnahme im Namen von Menschenmassen, die Hunderte oder Tausende von Kilometern entfernt waren – Gesichtslose, von denen die meisten Demonstranten nie erwartet hätten, sie zu treffen oder auch nur „humanisierende“ Details über sie zu erfahren. Dies war eine Ablehnung des Massenmordes, denn vernünftige Menschen lehnen Massenmord ab.
In diesem Film gibt es Gesichter und Stimmen von einigen der ehrwürdigsten Menschen, die man sich nur wünschen kann. Ich fühle mich privilegiert, viele von ihnen im Kampf gegen den Krieg getroffen zu haben. Zwangsläufig fehlen etliche großartige Aktivisten und damit zusammenhängende Details, doch viele sind in diesem Film zu sehen, darunter auch einige, die nicht mehr unter uns sind. In diesem Film sprechen sie Jahre später im Rückblick, aber es werden auch Aufnahmen aus jener Zeit gezeigt. Und es ist das Filmmaterial aus jener Zeit, das die größte Wirkung erzielt. Videoaufnahmen von Personen zu haben, die klar und detailgetreu vor einer Katastrophe warnen, und in der Lage zu sein, sie nach der Katastrophe abzuspielen; dies ist ein ebenso wirkungsvoller Beitrag wie die Aufzeichnung von Polizeiverbrechen oder von Geständnissen der Kandidaten.
Die Lügen des Irak-Krieges waren in ihrer Unehrlichkeit und Böswilligkeit typische Kriegslügen. Aber sie waren untypisch in der Art, wie schlecht sie erzählt wurden und in der Länge des Zeitraums, über den sie verbreitet wurden. Die US-Regierung verbrachte viele Monate damit, die Bombenangriffe im Irak zu eskalieren, versuchte, einen Krieg in Gang zu setzen, hetzte die Kriegsbefürworter auf, gab vor, einen Krieg vermeiden zu wollen, und erzählte durch und durch offensichtliche Lügen, die nichts gerechtfertigt hätten, selbst wenn sie wahr gewesen wären. Niemand erwähnt es jemals, aber ich denke, ein Großteil der Öffentlichkeit hat erkannt, dass die Lügen über Waffen und Verbindungen zu 9/11 wie alle Kriegslügen nicht nur Lügen waren, sondern auch themenfremd. Die Regierungen, die wegen Waffen mit Krieg drohten, besaßen diese Waffen offensichtlich selbst. Die Beteiligung an einem Verbrechen ist in der Regel kein Grund für die Begehung eines größeren Verbrechens, sondern für eine strafrechtliche Verfolgung.
So kamen die Menschen in Massen, nicht nur, um zu sagen: „Sie lügen“, sondern im Grunde genommen, um zu sagen: „Kein Krieg“.
Es herrschte Empörung, Entrüstung und, ja, Wut darüber, dass die Politiker den Krieg vorantrieben. Man glaubte auch, dass der Krieg verhindert werden könnte. Dies wiederum war eine Reaktion auf das organisierte Vorgehen von Aktivisten, aber mehr noch auf Aktionen von Regierungen, wie sie von den Massenmedien dargestellt wurden. Der für den 15. Februar geplante globale Aktionstag wuchs durch Mundpropaganda – er wurde nicht von oben nach unten von einer globalen Organisation veranstaltet. In Rom gab es an diesem Tag so viele Märsche, die alle für die gleiche Sache demonstrierten, dass zwei von ihnen frontal ineinander rannten.
Im Film sind, und das ist besonders wichtig, einige dabei, die sich geirrt haben – sogar einige, die sich immer noch irren. Die Machthaber in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich schlugen einen Krieg für die Demokratie vor, während sie alles, was der Demokratie ähnelt, eklatant ablehnten. Während Millionen gegen den Krieg demonstrierten, hatten die Beamten die unergründliche Arroganz zu glauben, sie wüssten es besser. Und einige von ihnen, die in diesem Film zu sehen sind, tun dies auch Jahre später noch, indem sie entweder den Krieg unterstützen oder behaupten, sie seien getäuscht worden und hätten klüger gehandelt, wenn sie damals gewusst hätten, was sie heute wissen. Aber woher wussten ich und alle meine Freunde und die Menschenmassen, die sich von Wand zu Wand durch die Straßen New Yorks drängten, damals, was die Menschen, denen spezielle Insiderberichte vorlagen, nicht wissen konnten? Ich würde sagen, das ist genaue Gegenteil von Demokratie.
Die Massen auf den Straßen waren nicht die Gesamtheit der Vereinigten Staaten. Und sie erhielten sicherlich keine angemessene Berichterstattung in den Massenmedien. Und obwohl wir viele gewesen sein mögen, waren wir nicht so viele, wie wir hätten sein sollen. Und wir wurden ständig zu der falschen Annahme verleitet, wir seien überhaupt nicht viele. Aber das war die Macht der riesigen Demonstrationen. Sie zeigten den Menschen, dass sie viele waren. Es hätte jede Woche und an Werktagen einen weiteren Protest geben sollen, der den normalen Gang der Dinge gestört hätte, mit kreativen und eskalierenden gewaltlosen Aktionen. Aber in dem begrenzten – und doch bedeutenden – Ausmaß, in dem es solche Folgeaktionen gab, waren sie weitgehend von den großen Demonstrationen inspiriert.
Als der Krieg trotz aller Proteste begann, war das ein Moment, den Aktivismus zu verstärken, nicht aufzugeben. Viele Menschen, vor allem die am wenigsten Beteiligten, gaben auf oder schlossen sich der Truppenunterstützungs-Propaganda an, die es so viel schwieriger macht, einen Krieg zu stoppen als ihn zu verhindern. In den USA wurden viele Gegner eines republikanischen Krieges von den Demokraten dazu manövriert, den Krieg zu unterstützen. Nur diejenigen, die unabhängig von der politischen Partei gegen den Krieg waren, arbeiteten weiter dagegen.
Der Krieg gegen den Irak begann. Der Krieg war schrecklich. Dieser Film zeigt das Grauen. Wir können es nicht leugnen. Aber es besteht kaum Zweifel, dass der Krieg ohne den Widerstand noch schlimmer gewesen wäre.
Es steht außer Frage, dass sich zahlreiche weitere Nationen dem Krieg angeschlossen hätten. Es ist klar, dass sich die Vereinten Nationen aufgrund des öffentlichen Drucks auf verschiedene Mitglieder der Vereinten Nationen weigerten, dem Krieg zuzustimmen. Und es wurde möglich, sich zahlreichen neu vorgeschlagenen Kriegen leichter zu widersetzen. Zu „Wir sind viele“ gehört das Drama von 2013. Die Regierungen der USA und Großbritanniens betrieben erneut ähnliche Propaganda für ein ähnliches Verbrechen, nämlich den Krieg gegen Syrien. Das Parlament und der Kongress lehnten diesen Krieg ab, vor allem aufgrund des öffentlichen Drucks und der Tatsache, dass man sich an die Abstimmungen über den Angriff auf den Irak erinnerte und Rechenschaft dafür ablegte. Es war 231 Jahre her, dass ein britisches Parlament „Nein“ zu einem Krieg sagte, als den Krieg gegen Syrien ablehnte. Ein Krieg gegen den Iran wurde ebenfalls mehr als einmal abgelehnt, nachdem dies beim Krieg gegen den Irak nicht der Fall war.
Eine Vielzahl positiver Entwicklungen sind aus diesem Aktivismus hervorgegangen, von denen einige in den Film eingeflossen sind. Der 15. Februar inspirierte die ägyptische Bevölkerung, die am Tag nach Kriegsbeginn eine beispiellose öffentliche Demonstration abhielt und daraus direkt zum Sturz von Mubarak im Jahr 2011 beitrug. Der Kampf für Gerechtigkeit geht in Ägypten, wie überall, weiter. Viele, die daran beteiligt sind, verstehen ihn als etwas, was Ihnen die Medien niemals sagen würden: als Ableger einer globalen Bewegung zur Kriegsverhinderung.
Eine wichtige Lehre, die „Wir sind viele“ bietet, ist diese:
Wenn die Menschen jemals wieder millionenfach die Straßen und Plätze der Welt bevölkern, um „Nein zum Krieg“ zu sagen, wird es schwierig sein, zu ignorieren, dass sie sich beim ersten Mal dem politischen Establishment widersetzt haben. Sie waren zweifelsfrei und unanfechtbar zu 100 % im Recht.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!