Seit dem 1. September können homosexuelle Paare in Nordirland eine kirchliche Trauung beantragen. Diese Gesetzesänderung ist Teil eines umfassenden legislativen Projekts, das Anfang des Jahres bereits die gleichgeschlechtliche standesamtliche Eheschließung ermöglichte. Damit wird die Rechtslage in Nordirland an die im Rest des Vereinigten Königreichs angeglichen: In England, Schottland und Wales können gleichgeschlechtliche Paare bereits seit 2014 heiraten.
„Dass gleichgeschlechtliche Ehen endlich Realität in Nordirland sind, ist ein Meilenstein für die Gleichstellung“, twitterte die NGO Love Equality NI vor einer Woche. John O’Doherty, ein Sprecher der Organisation, kommentierte im Januar die Öffnung der standesamtlichen Ehe für alle mit den Worten: „(Dies ist das) Ergebnis einer fünfjährigen Kampagne für die Gleichstellung der Eheschließung und damit ein Riesenschritt vorwärts für geschlechtlich und sexuell diverse Menschen.“
Das Ergebnis eines fast zehnjährigen Ringens
Die Neuregelung folgt auf ein seit beinahe einer Dekade andauerndes Tauziehen: Zwischen 2012 und 2015 brachte das nordirische Parlament bei vier Abstimmungen keine Mehrheit für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe zustande. Im November 2015 gab es erstmals eine solche Mehrheit – diese wurde jedoch durch ein Veto der konservativ-evangelikalen Democratic Unionist Party (DUP) blockiert.
Die DUP hatte diese Möglichkeit aufgrund einer Eigenheit der Legislative in Nordirland, die zurückgeht auf die historischen Konflikte zwischen Katholizismus und Protestantismus: Der „petition of concern“ genannte Veto-Prozess steht allen Parteien offen und soll die Möglichkeit bieten, Gesetze, die (politische) Minderheiten diskriminieren, auszubremsen.
Aufgrund der Sitzverteilung war die DUP bis zur Parlamentswahl 2017 in der Lage, dieses Veto ohne Unterstützung anderer, im Parlament vertretener Parteien einzulegen und die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe so in Eigenregie zu verhindern. Nach dieser Wahl brach das politische System Nordirlands vollständig zusammen. Die vorliegende Gesetzesnovelle ist damit kein Produkt einer etwaigen nordirischen Regierung, sondern Teil eines Gesetzespakets aus Westminster, das 2019 aufgelegt wurde, um die politische Stagnation Nordirlands zu brechen.
Eheschließung und Abtreibung in Nordirland
Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe und die mit ihr verbundene Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung beseitigen eine absurde rechtliche Schieflage: Ein homosexuelles Paar, das sich in England, Schottland oder Wales trauen ließ, war nach nordirischem Recht unverheiratet. Eine Frau in Nordirland, die abtreiben wollte, musste dafür nach England oder Wales reisen, da Abtreibungen in Nordirland aufgrund eines Gesetzes aus dem Jahr 1861beinahe ausnahmslos als Infantizid definiert wurden.
Abtreibungen sind nun sowohl für Patient:innen wie auch für medizinisches Personal vollständig straffrei, nordirische Standesämter sind zur Trauung homosexueller Paare verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht allerdings nicht für religiöse Würdenträger, wie Westminster klarstellt: Religiöse Träger könnten „unter keinen Umständen gezwungen“ werden, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen oder entsprechende Zeremonien in ihren Räumlichkeiten durchzuführen, und können in diesem Fall auch nicht wegen Diskriminierung belangt werden.
Ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung homosexueller Paare in Nordirland bleibt aber noch zu bewältigen: Eine bereits eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft – es gibt davon etwa 1.200 – kann noch nicht zur Ehe umgewandelt werden. Amnesty International rief die Regierung bereits dazu auf, „diesen Job ohne weitere Verzögerung abzuschließen“.