Eine wiederholt geäußerte Erkenntnis ist, dass Worte von Bedeutung sind (Arce, 2019a, 2019b, 2020). Worte verraten in großen Teilen etwas über Geschichte, erkenntnistheoretische und ontologische Rahmenbedingungen, sowie Denkmuster – und besitzen außerdem eine große Macht, mit der sie die Realität formen.
Unter den vielen Begriffen der Entwicklung, die wir überdenken müssen, möchte ich an dieser Stelle zwei zentrale Ausdrücke betonen: Das Wort „Ressourcen“ und das Wort „Managment“. Beide Worte legitimieren das ontologische Dilemma, das das menschliche Sein von der Natur trennt und tragen zu einer anthropozentrischen, utilitaristischen Sichtweise der Natur bei (Mastrangelo, 2009). Mit dem Begriff „Ressourcen“ schätzen wir lediglich das wert, was uns nützt. Diese Wertschätzung hört auf, sobald die Dinge ihre Nützlichkeit für uns verlieren, wodurch uns die Idee eines Wegwerfcharakters vermittelt wird. Das Wort „Management“, dessen Konzept aus einer mechanistischen Haltung stammt, drückt die Idee von Herrschaft, Kontrolle und Unterwerfung aus.
Würden wir die ontologische Sichtweise des Fortbestehens und der Nachhaltigkeit wiedererlangen, in der wir uns selbst als Teil der Natur verstehen und eine respektvolle Beziehung zwischen der menschlichen und nicht-menschlichen Welt aufbauen, wobei beide zur gleichen Gemeinschaft der Mutter Erde gehören, könnten wir erkennen, dass diese Ausdrücke große Schwierigkeiten verursachen und kontinuierlich überdacht werden müssen.
Ein erster Vorschlag wäre, statt von „natürlichen Ressourcen“ von den „Gaben der Natur“ zu sprechen, um die Situation aus Großzügigkeit und Aufopferung der Mutter Erde für ihre menschlichen Bestandteile zu beschreiben. Der Ausdruck „Gaben der Natur“ impliziert eine liebevolle Beziehung aus ihrer Sicht, die eine ebenso respektvolle Behandlung zurückerwartet. Auf diese Weise schaffen wir die Idee eines einvernehmlichen Austauschs, der einen Gegenentwurf zum Beziehungsmodell aus Beherrschung, Unterdrückung und Unterwerfung darstellt. Wenn man von „natürlichen Ressourcen“ als Konzept menschlicher Überlegenheit spricht, fühlen wir uns mit der Freiheit ausgestattet, die Natur zu objektifizieren und ihre Nutzung zu legimitieren, ihre Ausbeutung miteingeschlossen.
Selbst wenn wir von „nachhaltiger Verwertung“ sprechen oder von dem „Erhalt natürlicher Ressourcen“, geschieht dies immer aus einer anthropozentrischen und utilitaristischen Sichtweise heraus. Einige werden sagen, dass es unmöglich ist, uns von jenem Charakter zu lösen, da das höchste Ziel stets die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse darstellt. Das Problem damit ist, dass wir uns als Herren und Meister fühlen, die über Leben und Schicksal nicht-menschlicher Existenzen entscheiden. Den Ausdruck „natürliche Ressourcen“ zu gebrauchen hilft uns nicht dabei, den inneren Wert des Lebens zu erkennen. Die nicht-menschlichen Individuen sind wertvoll, allein weil sie Ausdrücke des Lebens unabhängig irgendeines menschlichen Interesses sind. Das Wichtige ist nun, den Sinn der Gemeinschaft des Lebens wiederanzuerkennen, der alle als Mitglied der großen Familie von Mutter Erde angehören.
Von “Gaben der Natur” zu reden könnte die Anschuldigung zur Folge haben, wir würden einen antihumanistischen Vorschlag machen, Produkt einer verschärften und unsinnigen Biophilie.
Nichts wäre weiter von der Realität entfernt als das. Erstens, nur weil die Biophilie das Leben als Ganzes sieht, heißt das sie nicht, dass sie sich nur auf ein Leben in der Wildnis konzentriert. Genauso wenig beinhaltet sie, dass wir nicht in die Natur eingreifen dürfen, um unsere Grundbedürfnisse zu erfüllen – sondern ist stattdessen eine Einladung dazu, dies mit Respekt, Achtsamkeit und Erlaubnis zu tun. Biophilie bedeutet außerdem, all unsere (wissenschaftlichen und traditionellen) Erkenntnisse stets so umfassend wie möglich zu gebrauchen und dies auf ethische Weise zu tun, mit dem richtigen Sinn für stille Vorsicht. Eigene indigene Völker aus Peru und der Welt tun dies bereits und sprechen von einer „gemeinsamen Erziehung“, was bedeutet, dass Mutter Erde uns erzieht und wir die Natur erziehen. In dieser Perspektive findet sich auch die Wertschätzung der indigenen Völker, deren Denkweise „die Erde gehört uns nicht, wir gehören der Erde an“ (Van, 2003) lautet. Wir ersetzen die Arroganz durch Bescheidenheit, die Unterdrückung durch Befreiung und Entfaltung.
Auf der anderen Seite hat die Vorstellung von „Management“ ihren Ursprung im Konzept einer Herrschaft mit dem Ziel, zu vereinfachen, zu kontrollieren und den größtmöglichen Profit aus etwas herauszuholen, was zu großem Anteil impliziert, dass sich etwas stets zu einem Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum entwickelt. Für lange Zeit erschien uns diese Ansicht als das Normalste und Rationalste der Welt. Das Problem jedoch ist, dass wir uns mit einer solchen Annäherung an die Vereinfachung von Öko- und Agrarsystemen auf das zu erreichende Produkt konzentrieren und nicht den inneren Wert des Lebens würdigen, dessen wir uns bedienen. Wir kontrollieren es in dem Umfang, dass es seine Produktionskapazität beibehält, um den Ertrag zugunsten menschlicher Interessen zu steigern – wir sprechen somit leicht von „Produktivität“ und „Wettbewerbsfähigkeit“, was den Wert des Lebens minimiert. Wir berufen uns dabei sogar auf das darwinsche Konzept, dass in der Natur selbst Beziehungen primär durch Konkurrenz bestimmt werden und am Ende der Stärkste triumphiert. Dabei vergessen wir jedoch, dass die natürliche Selektion nicht die einzige treibende Kraft der Evolution ist und dass gemeinschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit von großer Wichtigkeit für die Entwicklung des heutigen und zukünftigen Lebens sind. Die beste Demonstration dessen ist, dass wir selbst, jeder einzelne von uns, eine Kooperation des Lebens sind. Wesensart, Bakterien und Viren arbeiten gemeinsam, um menschliches Leben zu ermöglichen: Wir sind Holobionten, Gesamtlebewesen. (Maldonado, 2016).
Vor dem Hintergrund von Utilitarismus und Wirtschaft wissen wir viel über Physiologie, Bodenkunde, Genetik und viele andere Bereiche – nicht gerade aufgrund aufrichtigen Interesses am Leben, sondern der Motivation geschuldet, dass unsere Fortschritte die Entwicklung von Produkten, das Wachstum der Industrie und der Wirtschaft bewirken, wobei wir den tatsächlichen Wert des Lebens außer Acht lassen. Jetzt liegt es an uns, unsere Fähigkeit zu Ehrfurcht vor dem Leben wiederzufinden, um es wertzuschätzen, um es zu respektieren. Nur das, was bestaunt wird, wird respektiert, geschützt und geliebt. Doch es reicht nicht aus, zu sagen „Natur, ich respektiere dich“, ohne es spürbar zu demonstrieren und zu handeln. Gabe um Gabe zurückzugeben. Haben wir nun die Notwendigkeit dafür erkannt, dass wir unsere Beziehung mit der Natur überdenken müssen?
von Rodrigo Arce Rojas und übersetzt aus dem Spanischen von Chiara Pohl vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!
Referenzen:
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Maldonado, Carlos Eduardo (2016). Hacia una antropología de la vida: elementos para una comprensión de la complejidad de los sistemas vivos. Boletín de Antropología Universidad de Antioquia, 31(52),285-301. [fecha de Consulta 2 de agosto de 2020]. ISSN: 0120-2510. Disponible en: https://www.redalyc.org/articulo.oa?id=557/55749412019
Mastrangelo, A. V. (2009). Análisis del concepto de recursos naturales en dos estudios de caso en Argentina. Ambiente & Sociedade, XII (2),341-355. [fecha de Consulta 2 de agosto de 2020]. Recuperado de https://www.redalyc.org/articulo.oa?id=317/31715780008
Van, Juan (2003). La economía andina de crianza; actores y factores meta-económicos. Revista de Ciencias Sociales (Cl), (13),66-73. [fecha de Consulta 2 de agosto de 2020]. ISSN: 0717-2257. Disponible en: https://www.redalyc.org/articulo.oa?id=708/70801306