Der 30. August ist der Internationale Tag für die Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens. Ein Verbrechen mit gewaltigen Ausmaßen: 70.000 Menschen sind allein in Mexiko seit 2013 verschwunden. Und immer öfter werden auch Migrierende zu Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens. Menschen, die durch die Abschottungspolitik Europas oder der USA ohnehin auf immer gefährlichere Routen gezwungen werden. Routen, auf denen Zehntausende ums Leben kommen.
Schätzungen sprechen von fast 20.000 Ertrunkenen und Verschwundenen im Mittelmeer seit 2014. Noch mehr afrikanische Migrant*innen sterben nach Einschätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) auf den Überlandrouten zur Küste und bei der Flucht in andere Länder des Kontinents. In Asien verschwinden Arbeitsmigrant*innen, insbesondere Rohingya aus Myanmar, die zur Arbeit zum Beispiel auf schwimmenden Fischfabriken gezwungen werden.
Die Staaten der EU, wie auch die USA, machen mit ihrer Politik der Abschottung, der „sicheren Drittstaaten“ und Kooperationen mit brutalen „Sicherheitskräften“ auf den Transitrouten den Weg für Migrant*innen noch gefährlicher. Und die Gefahren auf dem Transit sind vielfältig: Menschenhandel, sexuelle Gewalt besonders gegen Frauen und Kinder, Hassverbrechen, Entführung zu Lösegeldzwecken, Zwangsrekrutierung durch Drogenkartelle. Schikanen durch korrupte Polizist*innen, Betrug durch Schleuser und Schlepper.
Koalition dokumentiert die Berichte von Angehörigen und Interviews mit Expert*innen
In diesem Jahr richtet die „Koalition gegen das gewaltsame Verschwindenlassen“, zu der auch Brot für die Welt gehört, den Blickpunkt auf Migrierende und Flüchtende, die auf der Welt zu Opfern dieser Verbrechen werden. Die Seite der Koalition dokumentiert Zeugnisse und den Einsatz von mutigen Familienangehörigen verschwundener Migrant*innen aus Mittelamerika und veröffentlicht Interviews mit Expert*innen aus Lateinamerika, Afrika, Asien und Deutschland. Ein ausführlicher Beitrag unseres Kollegen Gerold Schmidt etwa verdeutlicht das Ausmaß des Leids und beleuchtet die vielschichtigen Gründe für das Verschwinden von Migrierenden in Mexiko:
Die faktische Straflosigkeit für Kapitaldelikte stelle geradezu „eine Lizenz“ zum Verschwindenlassen, dar, wie es die Anwältin Ana Lorena Delgadillo von der in Mexiko ansässigen Stiftung für Gerechtigkeit und demokratische Rechtsstaatlichkeit (FJEDD) bezeichnet. Und die Menschenrechtlerin und ehemalige Europapolitikerin Barbara Lochbihler erläutert, warum trotz des Bestehens einer UN-Konvention gegen das gewaltsame Verschwindenlassen noch viel getan werden muss, um Verschwindenlassen wirksam zu bekämpfen.
Silke Pfeiffer, Leiterin des Referats Menschenrechte und Frieden von Brot für die Welt, betont die Verantwortung Europas, das seine Migrationspolitik immer stärker auf Migrationsabwehr und Abschottung ausgerichtet, sich dabei auf Kooperationen mit zum Teil sehr korrupten und autoritären Regierungen an den europäischen Außengrenzen eingelassen und sich in den vergangenen Jahren immer stärker aus der Seenotrettung herausgezogen habe: „Wir verfolgen hier also ein gezieltes Sterbenlassen im Mittelmeer“. Im Angesicht von Zehntausenden oder gar Hunderttausenden toten und verschwundenen Migrant*innen fordert Barbara Lochbihler: „Es ist wichtig, dass wir wirklich aufstehen, gegen eine Migrations- und Flüchtlingspolitik, die auf Ausgrenzung und Hetze setzt!“
Interviews, Artikel und Zeugnisse zum gewaltsamen Verschwindenlassen findet Ihr auf: www.gewaltsames-verschwindenlassen.de
Bei Radio onda gibt es zum Thema auch eine Radioreportage.