Umwelt-Präzedenzfall in Kenia: Eine Batterie-Recycling-Fabrik muss Bewohnern einer Armensiedlung hohe Entschädigung zahlen.
OnlinezeitungÜber Jahre hat eine Recycling-Anlage für Altbatterien in einem Vorort von Mombasa die Umgebung mit Blei verseucht. Die permanente Bleibelastung hat viele Anwohner im Dorf Owino Uhuru krank gemacht, mehrere hundert Menschen sind an Bleivergiftung gestorben. Jetzt hat das kenianische Umweltgericht die Eigentümer der Fabrik und die kenianische Regierung zu hohen Entschädigungszahlungen verurteilt: Die rund 3000 Bewohner der Armensiedlung sollen mehr als zehn Millionen Euro erhalten, berichtet «Spiegel Online».
Zudem hat das Gericht die Regierung dazu verpflichtet, das bleiverseuchte Fabrikgelände und die angrenzende Siedlung zu reinigen. Sollte sich die Regierung nicht an diese Auflage halten, muss sie weitere sieben Millionen Euro Strafe zahlen.
Das Urteil ist ein grosser Sieg für die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido: «Endlich erfahren wir Gerechtigkeit», sagte sie im Gespräch mit «Spiegel Online». Das von ihr initiierte Gerichtsverfahren lief seit 2016.
Tödliches Geschäft mit alten Batterien
Bleigewinnung aus alten Autobatterien ist in Afrika ein weit verbreitetes Geschäft. Laut «Spiegel Online» werden in afrikanischen Ländern jedes Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Blei-Säure-Batterien recycelt. Der begehrte Rohstoff landet wieder auf dem Weltmarkt, ein Grossteil davon wird in die EU exportiert – oft über Umwege und Zwischenhändler.
Die Gesundheits- und Umweltbedingungen in den Recycling-Anlagen sind desaströs. Oft zerlegen die Menschen die alten Batterien mit blossen Händen und ohne Schutzkleidung. Giftiger Bleistaub landet auf der Haut, in der Luft und im Grundwasser. Die Krankheitsraten sind dramatisch hoch. Betroffen sind nicht nur die Arbeiter, sondern auch ihre Familien. Viele sterben an den Folgen der Vergiftung.
Gegen dieses tödliche Geschäft kämpft Phyllis Omido schon seit Jahren. 2009, wenige Monate nach der Eröffnung der Batterie-Recycling-Anlage, wird ihr kleiner Sohn schwer krank. In seinem Blut finden Ärzte hohe Bleikonzentrationen. Das Kind ist hochgradig vergiftet – genauso wie viele andere Menschen im Dorf Owino Uhuru. Phyllis Omido stellt Nachforschungen an und findet heraus, dass sich die Krankheitsfälle in der Region seit Eröffnung der Recycling-Anlage häufen. Sie informiert die Dorfbewohner über die tödliche Gefahr, die von der benachbarten Fabrik ausgeht. Sie lässt bei Anwohnern weitere Bluttests durchführen, dokumentiert Vergiftungs- und Todesfälle und ruft zu Protesten gegen die Fabrikbetreiber auf.
2014 stellt die Anlage den Betrieb ein, doch Omidos Kampf geht weiter. Mit ihrer Organisation Center for Justice, Governance and Environmental Action reicht sie 2016 im Namen der Bewohner von Owino Uhuru eine Sammelklage gegen die Eigentümer der Fabrik ein. Die Klage richtet sich auch gegen mehrere Regierungsstellen, darunter das kenianische Gesundheits- und Umweltministerium. Sie hatten die hochgiftige Bleischmelze im Armenviertel jahrelang toleriert.
4000 Euro für betroffene Dorfbewohner
Dass das kenianische Umweltgericht Fabrikbetreiber und Regierung zu hohen Entschädigungszahlungen und zur Sanierung des Geländes verdonnert hat, schafft laut «Spiegel Online» einen Präzedenzfall, der vielen Gemeinden in Kenia helfen könnte im Kampf gegen Umweltverschmutzungen durch Industrieanlagen.
Die toten Bewohner der Armensiedlung Owino Uhuru bringt das Urteil nicht zurück, aber es kann das Leben vieler Menschen massiv verbessern. Die Region ist immer noch bleiverseucht und viele leiden bis heute unter teils schweren Vergiftungen. Arztbesuche konnten sie sich bislang nicht leisten, denn in der Armensiedlung fehlt es oft am Nötigsten zum Überleben. Jetzt soll jede betroffene Person in der Gemeinde mit rund 4000 Euro entschädigt werden. «Nun können sich alle behandeln lassen und hoffentlich gesund werden», sagt Phyllis Omido zu «Spiegel Online». Doch bei aller Freude bleibt die Kämpferin Omido realistisch: Es wird noch ein langer Weg sein, bis die Menschen von Owino Uhuru das zugesprochene Geld erhalten. Firmeneigentümer und der kenianische Staat könnten gegen das Urteil noch Berufung einlegen.