COVID-19 wirkt sich unmittelbar auf die Gesundheit, die Wirtschaft und das soziale Wohlergehen in unserem persönlichen Leben aus. Doch die Folgen für das gesamte Erdsystem, insbesondere solche, die sich aus den weltweit verhängten Kontaktbeschränkungen ergeben, könnten sehr viel weitreichender und langwieriger sein. Dies wurde in einer heute erschienenen Veröffentlichung in Nature Reviews von einem internationalen Team von Geowissenschaftlern analysiert, darunter Markus Reichstein, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.
Die COVID-19-Krise beeinträchtigt das Leben jedes Einzelnen. Zusätzlich wirkt sie sich auf beispiellose Weise auf das gesamte Erdsystem aus und offenbart system-immanente Risiken unserer stark vernetzten Welt. Ein internationales Team von Geowissenschaftlern kommt zu dem Schluss, dass sowohl die unmittelbaren als auch die längerfristigen Folgen von COVID-19 entlang von mindestens zwei Kaskaden auftreten können: Die erste umfasst Energie, Emissionen, Klima und Luftqualität, die zweite Kaskade betrifft Armut, Globalisierung, Ernährung und biologische Vielfalt.
Unmittelbare COVID-19-Folgen ergeben sich hauptsächlich aus den reduzierten Aktivitäten und Interaktionen der Menschen; länger anhaltende Folgen hingegen aus den kaskadenartigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Rezession auf die globale Armut, grüne Investitionen und menschliches Verhalten. Diese länger anhaltenden Effekte können sich drastisch von den kurzfristigen unterscheiden, selbst in deren Vorzeichen. Während z.B. die CO2-Emissionen vorübergehend leicht zurückgegangen sind, können sie später entweder wieder steigen und sogar über das Ziel hinausschießen. Oder aber sie können in Zukunft langsamer wachsen als vor der COVID-19-Krise. „Dies wird auch davon abhängen, welche politischen Entscheidungen bezüglich der Kohledioxidemissionen der Energieproduktion nun getroffen werden“, erklärt Markus Reichstein, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. „Daher ist es entscheidend dass klimafreundliche und nachhaltige Weichen in der Wirtschaftspolitik gestellt werden“, so Reichstein weiter.
Die Autoren des Berichts argumentieren weiterhin, dass Langzeitbeobachtungen der Atmosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre von größter Bedeutung sind, um die Reaktionen des Erdsystems auf COVID-19 zu verstehen. „Trotz der Tatsache, dass die Kontaktbeschränkung die Kontinuität von wissenschaftlichen Messreihen bedroht, dürfen Langzeitbeobachtungen nicht eingestellt werden“, fügt Reichstein hinzu.
Am Max-Planck-Institut für Biogeochemie werden Kreisläufe grundlegender Ressourcen wie Wasser, Kohlenstoff, Stickstoff und Energie erforscht. Das Institut ist besonders bekannt für seine Langzeitmessungen von Treibhausgasen in Deutschland und an weltweit verstreuten Stationen, die dann in Budgetanalysen und die damit verbundenen Modelle einfließen.
Wenn man versteht, wie das Erdsystem auf COVID-19 reagiert, sollte es besser möglich sein dieses globale Ereignis zu bewältigen und sich von ihm zu erholen. Die Autoren legen dar, wie mit diesem Wissen z.B. Brennpunkte von Umweltrisiken besser erkannt und damit bedrohte Regionen in der Katastrophenvorsorge unterstützt werden können. Auch sollten die gewonnenen Erkenntnisse zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erholung beitragen.