Die Milliarden-Guthaben in Fernost waren längst erfunden. Wirecard zahlte der Buchprüferin EY jährlich rund 2 Millionen Euro.
Dieser Artikel von Redakteur Lukas Hässig wurde auf Inside Paradeplatz erstveröffentlicht und haben wir von der Online-Zeitung Infosperber übernommen.
Die Rolle von Ernst & Young sowie der Credit Suisse
Laut einem eigenen Bericht von Ernst & Young (EY) waren deklarierte Milliarden-Guthaben in Fernost längst erfunden. EY testierte Bilanz- und Erfolgsrechnungen trotzdem. Die Credit Suisse (CS) platzierte Anlagevehikel mit Wirecard-Aktien.
Für zwei der wichtigsten und grössten Unternehmen in der Finanzindustrie, EY und die CS, wird das Wirecard-Debakel zur harten Prüfung. Die Revisorin winkte die Jahresabschlüsse bis 2018 durch, ohne zu prüfen, ob behauptete Konten in Asien wirklich existierten.
Die CS platzierte derweil im Herbst 2019 eine Wandelanleihe mit unterlegten Wirecard-Aktien im Umfang von fast 1 Milliarde bei Investoren. Laut CS hätten Pensionskassen die Anleihe nicht gekauft.
Was hatten EY und CS untersucht? Welche Anstrengungen unternahmen die beiden renommierten Konzerne mit Mitarbeitern rund um den Globus, bevor sie ihren Segen gaben?
Der Fall könnte zu teuren Klagen führen. Die CS sagt, sie sehe keine gravierenden Folgen. „Aus heutiger Sicht erwarten wir keine signifikante finanzielle Auswirkungen“, meinte ein Sprecher letzte Woche. EY flüchtet sich derweil in die Opferrolle. Man sei selber von Wirecard getäuscht worden.
Ernst & Young musste Wirecard sehr gut gekannt haben
EY war seit einem Jahrzehnt der Auditor von Wirecard. Allein in den Jahren 2017 und 2018 erhielt die Prüfgesellschaft für ihre Testate der beiden Abschlüsse sowie damit verbundene Tätigkeiten insgesamt 4,5 Millionen Euro.
Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 29. Juni wirft ein schlechtes Licht auf EY und CS. Aus den Zeilen folgt als Erkenntnis, dass der grossangelegte Betrug längst erkennbar gewesen sei. EY habe kürzlich bei den Asien-Fake-Konten nochmals genauer hingeschaut und realisiert, dass der Betrug eine viel längere Vorgeschichte habe, schreibt der Süddeutsche-Journalist. Die Nachforschungen würden zeigen, dass „nicht nur für das Geschäftsjahr 2019 Guthaben fehlen und Unterlagen womöglich gefälscht wurden, sondern bereits für 2018“. Damit besteht der begründete Verdacht, dass auch die uns vorliegenden Saldenbestätigungen des Treuhänders sowie die uns erteilten Auskünfte zu den Kontoständen zum 31. Dezember 2018 falsch waren“, zitiert die Zeitung aus dem Schreiben der EY-Prüfer an die Wirecard-Leitung.
Das Blatt kommt zum Schluss: „Das wiederum heisst: Es besteht der Verdacht, dass die Bilanz für 2018 falsch sein könnte. Wirecard scheint also schon seit längerer Zeit ein Kartenhaus gewesen zu sein.“ Selbst 2018 ist spät. Ein Journalist der Financial Times war dem Drama um den möglichen Grossbetrug seit 2015 auf der Spur.
Die Wirecard-Chefs drehten den Spiess um. Der Journalist sei der Bösewicht, der mit Spekulanten unter einer Decke stecke.
Auch Pornoindustrie hat investiert
Heute enthüllt Dan McCrum in der Financial Times eine riesige Excel-Tabelle für das erste Halbjahr 2017, die in der engsten Wirecard-Führungsriege umgegangen sei.
Das Dokument zeige, dass der Grossteil des Umsatzes des vermeintlichen Münchner Wunderunternehmens nicht wie behauptet von unzähligen Kunden stamme, sondern von wenigen und oft aus der Pornoindustrie.
- „A significant part of the remainder comes from the pornography industry, with some clients paying unusually high rates for payments processing.“
Die Umsätze und die bearbeiteten Transaktionen seien zudem massiv aufgebläht gewesen.
- „The remaining data show €292m of sales from processing €18bn of transactions, compared with the €616m of revenues from processing €37.9bn of payments that Wirecard claimed at the time“,
hält McDrum fest, den die Wirecard-Chefs mit Hilfe ihrer Juristen mundtot machen wollten.