PRO ASYL zu den heutigen Beratungen zwischen der EU und Vertreter*innen nordafrikanischer Staaten
Anlässlich der Videokonferenz von EU-Kommission und –Innenminister*innen mit Vertreter*innen nordafrikanischer Staaten zum Thema »Bekämpfung von Schleuserkriminalität« kritisiert PRO ASYL: Auslagerung von Grenzschutz und Abschottung sind kein Ersatz für Menschenrechte, Humanität und Solidarität.
Weniger als eine Woche nach dem Treffen der 27 EU-Innenminister*innen zum Thema Seenotrettung kommen heute Vertreter*innen der EU mit Minister*innen nordafrikanischer Staaten zusammen. Bereits vergangene Woche berieten die EU-Innenminister*innen vorranging über Außengrenzschutz und Schleuserbekämpfung anstatt über die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer. Diese ersten Akzente der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zur Flüchtlingspolitik sind höchst problematisch.
»Statt eine staatliche, europäische Seenotrettung anzuvisieren, geht es den EU-Innenminister*innen nur um Maßnahmen zur Verhinderung von Flucht«, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. »Zur Verhinderung von Todesfällen im Mittelmeer setzt die EU nur auf eine Strategie: Zweifelhafte Deals und Grenzschutz auslagern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden schlimmste Menschenrechtsverletzungen, wie wir sie aus Libyen kennen, in Kauf genommen«.
Unter anderem wird die Teilnahme von Vertreter*innen der sogenannten libyschen Einheitsregierung sowie Algeriens und Tunesiens erwartet. Das Bürgerkriegsland Libyen gehört zu den Hauptzielländern der Gelder des Europäischen Nothilfe-Treuhandsfonds (EUTF). Laut Oxfam wurden allein 90 Millionen Euro über den EUTF für Training und Ausrüstung für die sogenannte »libysche Küstenwache«, ein Zusammenschluss von Milizen, ausgegeben. Dazu kommt noch Unterstützung einzelner EU-Mitgliedstaaten. »Durch ihre vielfältige Unterstützung für die »libysche Küstenwache« machen sich die EU und Staaten wie Italien im völkerrechtlichen Sinne an den Menschenrechtsverletzungen dieser Einheit gegen schutzsuchende Menschen mitschuldig«, stellt Judith fest.
In ihren Einsätzen bringt die sogenannte »libysche Küstenwache« Bootsflüchtlinge regelmäßig durch gefährliche Manöver in Gefahr und bedroht sie und die Besatzungen von zivilen Seenotrettungsschiffen mit Schusswaffen. Von 2016 bis 2019 wurden mehr als 53.000 Bootsflüchtlinge durch die »libysche Küstenwache« abgefangen und zurück in die berüchtigten Haftlager geschleppt. Dort drohen willkürliche Haft, Misshandlung, Folter und sexuelle Gewalt. Dennoch hält die EU unvermindert an der Zusammenarbeit mit der »libyschen Küstenwache« fest.
»Die EU muss einen breit angelegten Seenotrettungsdienst einrichten und langfristig legale und gefahrenfreie Wege nach Europa schaffen, statt die Abwehr gegen Geflüchtete weiter auszudehnen. Denn wenn die Menschen legale Einreisemöglichkeiten hätten, wären sie auch nicht gezwungen, ihr Leben in die Hände von Schleusern zu legen«, so Judith.
PRO ASYL hat zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik gefordert. Die Presseerklärung vom 30. Juni 2020 finden Sie hier.